Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > September 2012 > Ex-Verfassungsschützer kritisiert unzureichenden Informationsaustauch der Behörden
Auf kritische Nachfragen mehrerer Abgeordneter räumte Möller ein, u.a. von einer nach dem Attentat von 2004 erstellten Analyse des Bundesamts für Verfassungsschutz keine Kenntnis erlangt zu haben, wonach in Jena drei Bombenbauer aus dem rechtsextremen Milieu untergetaucht seien. Die Namen der NSU-Mitglieder habe er erstmals nach dem Auffliegen des Trios Ende 2011 gesehen. Vielleicht hätte er sich seinerzeit anders verhalten, meinte der Zeuge, wenn er generell mehr erfahren hätte über das Wissen ostdeutscher Behörden zum rechtsextremen Spektrum. Möller kannte nach seinem Bekunden auch ein Flugblatt mit der Parole „Deutsche wehrt euch“ nicht, das 2004 in öffentlichen Verkehrsmitteln nach dem Anschlag gefunden worden war. Ohne weitere Hinweise reiche das Auftauchen eines solchen Flugblatts für weitergehende Ermittlungen aber nicht aus, so der Zeuge. Er verteidigte die für das Kölner Attentat weitgehend zuständige Polizei, die trotz Prüfung der in diverse Richtungen führenden Hinweise aufgrund der seinerzeitigen Kenntnisse von einem kriminellen Motiv hinter dem Anschlag ausgegangen sei.
Der FDP-Abgeordnete Serkan Tören vermutete, dass die unmittelbar nach dem Nagelbombenattentat von Innenminister Otto Schily geäußerte Einschätzung, das habe nichts mit Rechtsextremismus zu tun, offenbar die Ermittlungen beeinflusst habe. Dieser These widersprach Möller energisch. Mehrfach hinterfragten Parlamentarier den Nutzen von V-Leuten, die etwa zur Aufklärung des Kölner Falles von 2004 nichts beigetragen hätten. Linken-Obfrau Petra Pau forderte, auch die V-Mann-Führer besser zu kontrollieren. Möller sagte, bei V-Leuten handele sich oft um „schillernde Figuren“, über diese „Quellen“ erhalte man jedoch „viele wichtige Informationen“.
Unions-Sprecher Clemens Binninger betonte, geheimdienstliche und polizeiliche Fallanalysen hätten nach dem Anschlag von 2004 eigentlich Ermittlungen Richtung Rechtsterrorismus nahegelegt, doch seien diese Expertisen bei der Polizei entweder nicht angekommen oder dort falsch bewertet worden. SPD-Obfrau Eva Högl erklärte, zur Verbesserung der Kooperation zwischen den Sicherheitsinstanzen bedürfe es nicht nur neuer Vorschriften, sondern eines „Mentalitätswechsels“ in den Behörden. Aus Sicht des Grünen-Abgeordneten Wolfgang Wieland leistete man sich eine „strukturelle Blindheit“, Polizei und Verfassungsschutz hätten „vor lauter Bäumen den Wald nicht gesehen“.
Nach der Vernehmung Möllers setzte sich der Ausschuss mit der „Waffenspur“ auseinander, bei der die Polizei bis auf wenige Exemplare den Weg aller Ceska-83-Spezialpistolen, unter denen sich die bei neun der zehn Morde eingesetzte Tatwaffe befand, recherchiert hat. Binninger monierte, es habe schon 2004 eine „heiße Spur“ zu einem Schweizer Waffenhändler gegeben, der letztlich auch die Tatwaffe an einen Schweizer verkauft hat, von dem sie dann zum NSU gelangt ist. Aber erst nach der Entdeckung des NSU sei alles ermittelt worden. Der CDU-Politiker bemängelte, dass man sich lange Zeit mit der unglaubwürdigen Auskunft des betreffenden Schweizer Käufers zufrieden gegeben habe, die später als Tatwaffe identifizierte Pistole nicht erworben zu haben. Wie Binninger kritisierte Högl, dass das Bundeskriminalamt (BKA) in der Schweiz vorrangig nach türkischen Käufern einer bestimmten Munition und einer Ceska 83 gefahndet hat. Dazu entgegnete Werner Jung von der BKA-Ermittlungsgruppe „Ceska“ als erster von drei zur „Waffenspur“ geladenen Zeugen, dies habe dem damaligen Erkenntnisstand entsprochen.
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