Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > April 2013 > Kontroverse um SPD-Entwurf zu Aufenthalts- und Asylverfahrensrecht
In dem Gesetzentwurf verweist die Fraktion darauf, dass die Bundesregierung im Juli 2010 die Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention zurückgenommen habe. Um die deutsche Rechtslage an die Maßstäbe dieser Konvention anzupassen, bedürften mehrere Regelungen des Asylverfahrensgesetzes, des Aufenthaltsgesetzes und des Achten Sozialgesetzbuchs der Änderung.
Der Vorlage zufolge soll im Aufenthalts- und im Asylverfahrensgesetz klargestellt werden, „dass bei der Rechtsanwendung das Wohl des Kindes ein vorrangig zu berücksichtigender Gesichtspunkt ist“. Auch soll danach die „aufenthalts- und asylrechtliche Verfahrensfähigkeit“ von bisher 16 auf 18 Jahre angehoben und allen unbegleiteten Minderjährigen im Asylverfahren ein gesetzlicher Vertreter zur Seite gestellt werden.
Für 16- und 17-Jährige soll laut Entwurf die Pflicht entfallen, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. „Stattdessen werden sie regelmäßig durch das Jugendamt in Obhut genommen“, heißt es in der Vorlage weiter. Danach soll außerdem klargestellt werden, „dass unbegleitete Minderjährige nicht in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden, sondern in Obhut zu nehmen sind“.
Ferner sieht die Vorlage unter anderem vor, dass das sogenannte Flughafenverfahren keine Anwendung auf unbegleitete Minderjährige findet. Stattdessen seien sie „durch das Jugendamt in Obhut zu nehmen, um so die Durchführung eines Clearingverfahrens zu gewährleisten“. Zur Gewährleistung eines solchen Verfahrens will die Fraktion auch die Zurückweisung an der Grenze für unbegleitete Minderjährige ausschließen.
Berthold sagte, entscheidend sei, dass das Kindeswohl in allen Verfahrensschritten beachtet werde. Die Praxis zeige jedoch, dass dies „bislang einfach nicht der Fall ist“. Es müsse um ein „Primat des Kindeswohls“ gehen. Wichtig sei etwa, dass die Verfahrensfähigkeit auf 18 Jahre angehoben werde.
Hendrik Cremer von Deutschen Institut für Menschenrechte verwies darauf, dass unbegleitete Minderjährige „besonders empfänglich für die negativen Auswirkungen des Lebens in Flüchtlingszentren“ seien. Cremer hob hervor, dass Artikel 20 der Kinderrechtskonvention „an einer konkreten Notsituation“ ansetze: „Das Kind ist alleine und deshalb besonders schutzbedürftig“. Daraus resultiere ein „Anspruch auf Betreuung und Unterkunft zum Wohl des Kindes“, also „in einer geeigneten Kinderbetreuungseinrichtung“. Darunter fielen Asylbewerberunterkünfte „sicherlich nicht“.
Professor Kay Hailbronner von der Universität Konstanz unterstrich, Ausgangspunkt sei natürlich, dass das Kindeswohl vorrangig berücksichtigt werden müsse. Warum dann aber die Verfahrensfähigkeit auf 18 Jahre angehoben werden müsse, sei ihm nicht ohne weiteres ersichtlich. Hailbronner wandte sich zudem gegen einen Ausschluss des Flughafenverfahrens. Es sei nicht zu „bestreiten, dass die spezifischen Bedürfnisse für Kinder“ es erfordern, „dass man effektiv seinen Asylantrag stellen kann“. Warum dies aber von vornherein beim Flughafenverfahren ausgeschlossen sein solle, leuchte ihm nicht ein.
Sommer sagte, er sehe durch die Aufhebung der Vorbehalte zur Kinderrechtskonvention „keinen rechtlichen Änderungsbedarf“. So sei es eine Selbstverständlichkeit, dass das Kindeswohl zu beachten ist. Dies brauche man nicht extra in das Gesetz schreiben. Auch lasse sich aus der Kinderrechtskonvention nicht die Notwendigkeit ableiten, die Verfahrensfähigkeit auf 18 Jahre anzuheben. Eine „deutliche Überinterpretation“ der Konvention sei es ferner, auf die Möglichkeit zu verzichten, Kinder und Jugendliche an der Grenze zurückzuweisen.
Professor Daniel Thym von der Universität Konstanz argumentierte, das Flughafenverfahren bleibe eine Option, solange man die strengen Auflagen des EU-Gesetzgebers beachte. Aus politischen Gründen könne man das Flughafenverfahren einschränken oder abschaffen, „rechtlich zwingend“ sei dies jedoch nicht.
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