Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > April 2013 > Lebensqualität soll Ziel des Wirtschaftens werden
Vor dem Hintergrund von Umweltzerstörungen, Finanzkrisen und Verteilungsungerechtigkeiten hatten die 17 Abgeordneten und 17 Wissenschaftler die Aufgabe, das am quantitativen Wachstum ausgerichtete Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Messgröße für Wohlfahrt weiterzuentwickeln und um ökologische und soziale Aspekte zu ergänzen. Auf diesem Wege sollte die Kommission Wege hin zu einem nachhaltigen Wirtschaften aufzeigen. Einigkeit herrscht, dass die Steigerung der Wirtschaftsleistung kein Selbstzweck mehr sein soll.
Für die Fraktionen von Union, SPD und FDP würdigten deren Obleute Georg Nüßlein, Edelgard Bulmahn und Florian Bernschneider das neue Wohlstands- und Fortschrittsmaß „W3 Indikatoren“: Im Rahmen dieses Modells sollen neben dem „materiellen Wohlstand“ auch die Dimensionen „Soziales und Teilhabe“ sowie „Ökologie“ künftig Auskunft geben, wie es um die Lebensqualität steht. Diese drei Kriterien werden wiederum über zehn „Leitindikatoren“ wie beispielsweise BIP, Einkommensverteilung, Beschäftigungsniveau, Emissionen von Treibhausgasen oder Artenvielfalt sowie über neun „Warnlampen“ und eine „Hinweislampe“ gemessen. Bei Letzteren geht es etwa um den Standard bei der Weiterbildung oder der Arbeitsqualität. Die Kommission will im Bundestag durchsetzen, dass sich Parlament und Regierung künftig regelmäßig mit der Entwicklung der Wohlfahrt auseinandersetzen.
Nüßlein betonte, mit Hilfe des neuen Modells würden Ökologie und Nachhaltigkeit in die Messung von Lebensqualität integriert. Bulmahn meinte, dieses Modell verschaffe den Bürgern einen besseren Einblick in den Zustand des Landes. Bernschneider sieht im „W3 Indikatoren“-Ansatz den „maßgeblichen Erfolg“ der Kommission. Linken-Sprecherin Ulla Lötzer und Grünen-Obmann Hermann Ott kritisierten dieses Konzept als zu kompliziert. Mit den vielen Indikatoren gehe das Ziel verloren, eine Alternative zum BIP zu entwerfen, sagte Lötzer.
Nüßlein wertete es als Erfolg, dass die Koalition Bestrebungen aus den Reihen der Opposition hin zu einer „sozialökologischen Transformation“ der Gesellschaft abgewehrt habe. Der CSU-Politiker gab sich überzeugt, dass die soziale Marktwirtschaft auch die Herausforderung der Nachhaltigkeit bewältigen werde. Bei einer Debatte der Kommission über Ordnungspolitik betonte am Nachmittag auch der von der FDP benannte Sachverständige Karl-Heinz Paqué, es gehe um eine evolutionäre „pragmatische Anpassung“ des „gezähmten Kapitalismus“, um Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Ökologie zu erreichen, Verteilungsprobleme zu lösen oder die Staatsfinanzen in den Griff zu bekommen. Bulmahn indes unterstrich, der Klimawandel, die Finanzkrisen und die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich erforderten eine „Neujustierung der sozialen Marktwirtschaft hin zu einer nachhaltigen Entwicklung“, wobei der Staat eine „aktive Rolle“ zu spielen habe. Es müsse gelingen, das Wachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln und den Rohstoffkonsum zu senken.
Lötzer warf der Koalition vor, Wachstum weiterhin als Voraussetzung für die Lösung der Probleme einzustufen. Da in Zukunft geringere Wachstumsraten absehbar seien, müsse man verstärkt über „Umverteilung“ reden, ansonsten drohe eine fortschreitende „Demontage des Sozialstaats“. Bernschneider lehnte eine „Nullwachstumspolitik“ ab, Nüßlein wandte sich ebenfalls dagegen, Wachstum zu begrenzen. Bulmahn meinte, es sei zu klären, wo es Wachstum geben solle und wo nicht, geboten sei dies bei Bildung und Gesundheit. Ott mahnte, das Sozialsystem unabhängig vom Wachstum zu machen.
Der Grünen-Obmann lobte den Konsens in der Kommission, die ökologischen Grenzen des Planeten auch für die Politik zu akzeptieren. Übereinstimmung herrsche zudem darüber, dass die weltweite Reduzierung des Rohstoffkonsums nicht allein mit mehr technischer Effizienz zu bewerkstelligen sei. Als es jedoch „zum Schwur kam“ und aus diesen Einsichten konkrete Forderungen abgeleitet werden sollten, habe sich die Koalition verweigert, kritisierte Ott. Nüßlein erklärte, es habe sich gezeigt, dass der Ressourcenverbrauch vom Wachstum „relativ entkoppelbar“ sei.
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