Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > Juni 2013 > Mehrere Experten halten Drei-Prozent-Hürde für verfassungsrechtlich zulässig
Mit der Vorlage, die am Donnerstag zur abschließenden Beratung auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht, soll die Fünf-Prozent-Klausel im Europawahlgesetz gestrichen und eine Drei-Prozent-Klausel eingeführt werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte im November 2011 festgestellt, dass die Fünf-Prozent-Klausel bei der Europawahl nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Der Entwurf sieht ferner sieht eine Anpassung der Zahl der in Deutschland zu wählenden Europaabgeordneten auf 96 vor. Zur Begründung verweisen die vier Fraktionen darauf, dass nach dem EU-Vertrag von Lissabon kein Mitgliedstaat im Europäischen Parlament (EP) mehr als 96 Sitze erhält. Damit seien in Deutschland nicht mehr wie bisher 99 Abgeordnete zu wählen. Zudem zielt die Vorlage unter anderem auf eine Angleichung des Rechtsschutzes bei der Europawahl an die im „Gesetz zur Verbesserung des Rechtsschutzes in Wahlsachen“ von 2012 getroffenen Regelungen ab.
Nach einem Änderungsantrag der Grünen-Fraktion soll die Drei-Prozent-Sperrklausel nicht greifen, wenn „gleichzeitig – in zur Fraktionsbildung im Parlament ausreichender Anzahl – Abgeordnete aus anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in das EP einziehen, die der gleichen politischen Richtung angehören“.
In der Anhörung wertete Professor Bernd Grzeszick von der Universität Heidelberg die Anpassung der Abgeordnetenzahl als unproblematisch. Gleiches gelte im Ergebnis für die Anpassung des Rechtsschutzes. Mit Blick auf das Karlsruher Urteil zur Fünf-Prozent-Hürde von 2011 verwies Grzeszick darauf, dass es dort Anhaltspunkte gebe, „die für eine verallgemeinere Lesart Grund geben könnten“. Darauf könne man die Ansicht stützen, dass auch eine Drei-Prozent-Klausel nicht den Karlsruher Anforderungen entsprechen würde. Andererseits habe sich seit dem Urteil „einiges geändert“. Dazu gehöre eine Entschließung des Europäischen Parlaments vom November 2012, in dem die Mitgliedsstaaten aufgefordert würden, in ihrem nationalen Europawahlrecht Mindestschwellen für die Sitzzuteilung festzulegen. Solche Aspekte könnten dazu beitragen, dass das Gericht im Fall einer neuerlichen Entscheidung eine Drei-Prozent-Klausel für verfassungsgemäß erklärt.
Professor Franz C. Mayer von der Universität Bielefeld sagte, aus seiner Sicht sprächen „die besseren Gründe für die Rechtmäßigkeit einer Drei-Prozent-Sperrklausel“. So gebe es „kein absolutes Normwiederholungsverbot“, und drei Prozent seien „nun mal nicht fünf Prozent“. Auf die „sichere Seite“ käme der Gesetzgeber durch eine Verfassungsänderung. Dies halte er für eine „mögliche Überlegung“. Daher würde er raten, das vorgesehene Gesetz „gleich zu machen“, eine Verfassungsänderung vorzubereiten und über den Änderungsantrag „ernsthaft nachzudenken“.
Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Professor Hans-Jürgen Papier, argumentierte, wenn sich der Gesetzgeber „unter Berücksichtigung der sich ändernden Verhältnisse für die Wiedereinführung einer etwa auf drei Prozent reduzierten Mindestschwelle für die Zuteilung der Sitze im Europäischen Parlament entscheidet“, komme er einer „verfassungsrechtlich aufgetragenen Beobachtungs- und Anpassungspflicht nach“. In Anbetracht des „prozessualen Umfelds“ gehe der Gesetzgeber allerdings ein „erhebliches Risiko“ ein, wenn er eine Drei-Prozent-Sperrklausel einführt. Man könne auch über eine Grundgesetzänderung mit einer ausdrücklichen Zulassung von Sperrklausel-Regelungen bei Bundestags- und Europawahlen nachdenken.
Professor Christoph Schönberger von der Universität Konstanz betonte ebenfalls, dass der Karlsruher Entscheidung „eine Bindungswirkung im Sinne eines Normwiederholungsverbots“ nicht zu entnehmen sei. Der Gesetzgeber müsse die Rechtsordnung anpassen können, ohne auf das Bundesverfassungsgericht zu warten. „Der Gesetzgeber hat die Freiheit zur Normwiederholung“, unterstrich Schönberger. Er halte „die Drei-Prozent-Hürde in der vorgelegten Form für verfassungsrechtlich zulässig“. Es gebe aber „erhebliche Risiken für den Gesetzgeber in Karlsruhe“. Zum Änderungsantrag sagte Schönberger, es wäre sicherlich „wünschenswert, die Sperrklausel zu europäisieren“. Auf europäischer Ebene bekomme man diese Europäisierung „aus vielerlei kompetenzrechtlichen Gründen“ aber nicht hin. Wenn man das indes „rein national versuchen wollte zu europäisieren“, hänge die Zuteilung von Mandaten in Deutschland von Wahlentscheidungen außerhalb Deutschlands ab.
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