Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2011 > Sicherungssysteme Entwicklungsländern
Rente, Krankenkasse und Arbeitslosenversicherung: der Sozialstaat, für den im 19. Jahrhundert vor allem Europas Sozialdemokraten gekämpft haben, bietet aus Sicht der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag auch im 21. Jahrhundert Antworten auf die Probleme der globalisierten Welt. Der Ausbau der sozialen Sicherungssysteme in Entwicklungsländern steht im Mittelpunkt eines Antrags der Fraktion (17/7358), mit dem sich der Deutsche Bundestag am Donnerstag, 27. Oktober 2011, ab etwa 14.45 Uhr in einer einstündigen Debatte befassen wird.
Soziale Sicherung sei nicht nur ein Gebot der Menschenrechte, sie sei vielmehr „Motor solidarischer und nachhaltiger Entwicklungspolitik" und setze ökonomische Potenziale frei, schreibt die SPD-Fraktion zur Begründung. „Nur wer das Nötigste zum Leben hat und weiß, dass Krankheit oder ein anderes Lebensrisiko nicht alles Erreichte wieder zunichte macht, wird produktiv tätig und trägt zu wirtschaftlichem Wachstum bei", heißt es weiter.
Noch immer lebten 80 Prozent der Weltbevölkerung „ohne auch nur annähernd umfassend" gegen Krankheit, Arbeitslosigkeit, Verlust von Eigentum und Alter oder Tod eines Familienernährers abgesichert zu sein. Insbesondere eine intakte Gesundheitsversorgung verdeutliche zudem die Potenziale für die Volkswirtschaft: Bislang würde der Gesundheitssektor in Entwicklungsländern häufig als Kostenfaktor gesehen, schreiben die Abgeordneten. Dabei werde in diesen Sektor investiert, er schaffe Arbeitsplätze und sorge grundsätzlich „dafür, dass Menschen gesünder und somit produktiver werden".
Die Fraktion fordert die Bundesregierung auf, den Aufbau sozialer Sicherungssysteme in Entwicklungs- und Schwellenländern zum Schwerpunkt der Entwicklungspolitik zu machen – „vorwiegend in Kooperation multinationaler Institutionen wie Internationaler Arbeitsorganisation (ILO), Weltgesundheitsorganisation (WHO), Internationalem Währungsfonds (IWF), Weltbank und anderen".
Konkret soll sich die Bundesregierung auf dem Gipfeltreffen der G20-Staaten Anfang November in Cannes für das von den Vereinten Nationen getragene Konzept des sogenannten „Social Protection Floors" (SPF) einsetzen. Dieses von ILO und WHO entworfene Konzept sieht laut Antrag vier „essenzielle Bereiche" sozialer Garantien vor: Dazu gehörten eine „Mindestgesundheitsversorgung für alle", „Mindesteinkommensgarantien für Kinder, um Kinderarbeit zu verhindern", die „Unterstützung für Arme und Arbeitslose" und schließlich „Mindesteinkommensgarantien im Alter und für Menschen mit Behinderung".
Die Sozialdemokraten schlagen in ihrem Antrag eine Reihe begleitender Maßnahmen vor: Deutschland solle den Partnerländern beim Aufbau „transparenter, effizienter und nachhaltiger Verwaltungs- und Steuersysteme" und von Systemen zur Geburtenerfassung unterstützen, beim Aufbau von „Good-Governance-Strukturen" und bei der Bekämpfung der Korruption helfen und stärker auf das Instrument der Budgethilfen in der Entwicklungszusammenarbeit setzen.
Der Bundesregierung werfen die Abgeordneten vor, die Zielgröße „Soziale Sicherheit" nach der Bundestagswahl 2009 im Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung abgeschafft zu haben. Die Fraktion fordert mit ihrem Antrag, diesen Bereich ab 2012 wieder als Einzelplan mit jährlich mindestens 100 Millionen Euro einzuführen. (ahe)