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Najwan Halimi hätte gerne noch den Schnee erlebt. Aber das Berliner Wetter tat dem 26-Jährigen diesen Gefallen nicht. Immerhin: Einen Temperaturunterschied von 30 Grad zu seinem Heimatland Malaysia konnte der Praktikant der Bundestagsabgeordneten Angelika Graf (SPD) und Dr. Thomas Gambke (Bündnis 90/Die Grünen) während seines sechswöchigen Arbeitsaufenthaltes in der Hauptstadt erfahren. In seiner Freizeit hat er die Museen genossen. „Im Museum Checkpoint Charlie war ich fünf Stunden, acht in denen auf der Museumsinsel", sagt Najwan Halimi.
Eine geradezu entspannende Abwechslung zu den Geschehnissen in Kuala Lumpur, seiner Heimatstadt. Dort steht seit drei Jahren Najwan Halimis Chef vor Gericht, Anwar Ibrahim, ehemaliger zweiter Mann im Staat und Führer des Oppositionsbündnisses. Ende dieses Jahres soll das Urteil wegen einer angeblichen sexuellen Beziehung zu einem ehemaligen Mitarbeiter fallen.
In Malaysia ist gleichgeschlechtlicher Sex verboten. Schlimmstenfalls droht Anwar Ibrahim – der verheiratet ist und sechs Kinder hat – eine mehrjährige Gefängnisstrafe und damit vermutlich das Ende seiner politischen Karriere.
Najwan Halimi ist überzeugt, dass sein Chef zu Unrecht verklagt ist. „Die Regierung will ihn politisch ruinieren", sagt er. Anwar Ibrahim halte das Bündnis der verschiedenen Oppositionsparteien zusammen, das im kommenden Jahr wieder bei den nationalen Wahlen antreten werde. „Ich kenne den Mann, der ihn angezeigt hat. Er hasst Anwar Ibrahim."
Auch Thomas Gambke hat starke Zweifel an dem Gerichtsverfahren. „Es sieht sehr danach aus, dass es aus politischen Gründen angestrengt wurde", sagt Gambke. Deswegen hat der Grünen-Abgeordnete eine Patenschaft für Anwar Ibrahim übernommen, über das Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier".
„Ich will dazu beitragen, dass Anwar Ibrahim einen fairen Prozess erhält", erzählt Gambke. Viel tun könne er nicht, gesteht er. Aber zumindest könne er für ein wenig Öffentlichkeit sorgen. „Das wird bis zu einem gewissen Grad helfen."
Der gelernte Diplom-Physiker Gambke kennt Malaysia von seiner langjährigen Arbeit für einen Hersteller von Spezialgehäusen für Elektronik. Er hat in Singapur und Japan gelebt. Als Vorsitzender der ASEAN-Parlamentariergruppe habe er weiterhin auch mit Malaysia zu tun. „Ein interessantes Land, sie geben erneuerbaren Energien viel Raum für Entwicklung", erzählt der Grünen-Politiker. Vor etwas mehr als einem Jahr traf er Anwar Ibrahim zum ersten Mal und hörte von seinem Fall.
„Das Verfahren ist von außen sehr schwer zu beurteilen. Wir haben Beobachter vor Ort, die uns berichten", erzählt Gambke. Auf politischer Ebene könne er wenig ausrichten. Er werde wahrscheinlich den Generalsekretär der ASEAN-Staaten (Verband Südostasiatischer Nationen) kontaktieren, ebenso auf inoffiziellem Wege die malaysische Botschaft.
Darüber hinaus berichte er seinen ehemaligen Geschäftspartnern von dem Fall. „Die hören sich das an und ändern eventuell ihr Bild von diesem Land. Wenn ein Manager nach Malaysia geht, will er schließlich sicher sein, dass er fair behandelt wird."
Der Oppositionsführer würde, sofern das Gericht ihn verurteilt, bereits zum zweiten Mal wegen einer angeblichen homosexuellen Beziehung inhaftiert. 1998 wurde der damalige stellvertretende Premierminister das erste Mal angeklagt. Sechs Jahre saß er im Gefängnis, bevor das Urteil 2004 überraschend aufgehoben und er freigesprochen wurde.
Während seiner Haft war seine Frau an seiner Stelle in die Politik gegangen. Danach kam er zurück auf die politische Bühne. Erfolgreich, wie sich 2008 bei den nationalen Wahlen zeigte. Das von ihm angeführte Bündnis holte 82 Sitze im Parlament, viermal so viel wie 2004. Die regierende „Nationale Front", ein Bündnis aus 13 Parteien, verlor ihre Zweidrittelmehrheit.
Dass in seinem Land viel von der Regierung abhängt, hat Praktikant Najwan Halimi früh in seiner Karriere erfahren. Nach seinem Studium trat er eine Stelle im Verkehrsministerium an. „Dort wurde mir aber aufgrund meiner politischen Ansichten gekündigt", erzählt er. Danach habe er einen Job bei Anwar Ibrahim angenommen.
Dass Thomas Gambke einen Mitarbeiter von Anwar Ibrahim als Praktikanten aufnahm, ist übrigens ein Zufall. Najwan Halimi hat sich über ein externes Programm beworben. Auch er wusste nicht, bei wem er in Deutschland arbeiten würde, als er sich bewarb.
Gambke hat dadurch kurzfristig eine weitere Quelle für die Vorgänge in Malaysia. Dort hat die Regierung Ende November beschlossen, die Demonstrationsfreiheit einzuschränken. Gambke hat mit einer Pressemitteilung reagiert. Die hat Anwar Ibrahim auf Englisch sofort verbreitet. (ske)