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Die ressortübergreifende „Strategie für lebenswerte ländlichen Räume", die die Bundesregierung in ihrer Kabinettssitzung beschlossen hat, stand am Mittwoch, 18. Januar 2012, ab 13 Uhr im Zentrum der Regierungsbefragung im Bundestag. Abgeordnete von Union, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen stellten in der 45-minütigen Befragung rund 20 Fragen zu Zielen und Umsetzung der Strategie. Grundlage für die neue Strategie sei der Fortschrittsbericht der Bundesregierung zur Entwicklung der ländlichen Räume, den eine interministerielle Arbeitsgruppe unter ihrer Leitung erstellt habe, erläuterte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) zu Beginn der Regierungsbefragung.
Die Bundesregierung lege die Strategie zu einem Zeitpunkt vor, da sich die Politik ebenso wie die ländlichen Räume einer Vielzahl von großen Herausforderungen zu stellen hätten, so Aigner und nannte als Stichworte den demografischen Wandel ebenso wie den Klimawandel, die Energiewende und die Bewahrung der biologischen Vielfalt.
In manchen Regionen gelinge der Umgang damit besser, in anderen schlechter. „Aber die Schere zwischen prosperierenden und strukturell schwächeren Regionen darf sich nicht vergrößern", betonte Aigner.
Ziel der Bundesregierung sei es daher, das jeweilige Potenzial der ländlichen Räume zu fördern. Die Strategie der Bundesregierung stelle vor, wie die ökonomischen, sozialen und ökologischen Erfordernisse mehr als bisher auf die regionalen Verhältnisse zugeschnitten und die Eigenverantwortung der Regionen gestärkt werden können. So benennt der Bericht Herausforderungen und Chancen für die Handlungsfelder „Wirtschaft und Arbeit", „Daseinsvorsorge und ländliche Infrastrukturen" sowie „Umwelt und Natur".
Als praktische Beispiele nannte Aigner zum einen das Vorhaben der Bundesregierung, den Breitbandausbau zu fördern. Zudem kündigte die CSU-Politikerin an, 2012 werde es ein Modellvorhaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums mit dem Namen „LandZukunft" geben, das in ländlichen Räumen die wirtschaftliche Entwicklung voranbringen und Arbeitsplätze zu sichern solle. Außerdem wies Aigner auf einen neuen Mikrokreditfonds für Kleinunternehmer und Existenzgründer im ländlichen Raum hin, über den Mikrokredite von bis zu 20.000 Euro vergeben werden können.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, so Aigner, sei die die medizinische Versorgung auf dem Land: Mit dem seit Januar gültigen Versorgungsstrukturgesetz ziele die Bundesregierung darauf, dort bestehende Versorgungslücken schließen. Die geplanten Maßnahmen berücksichtigten die Belange der Patientinnen und Patienten und machten die Regionen für Mediziner attraktiver.
„Der Fortschrittsbericht ist ein weiteres starkes Zeichen unserer Verantwortung für die ländlichen Räume und leistet einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland", unterstrich die Ministerin.
Franz Müntefering (SPD) begrüßte grundsätzlich die gebündelte Initiative der Bundesregierung zur Förderung der ländlichen Räume. „Das ist ein wichtiges Thema und ein beachtlicher Bericht", so der SPD-Abgeordnete. Allerdings sei ihm unklar, „welche Rolle" die von Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer (CSU) gestarteten Modellvorhaben zu Raumordnung in diesem Gesamtkonzept spiele.
Aigner antwortete, dass der Verkehrsminister innerhalb seines Schwerpunktes eigene Projekte - zum Beispiel zur Förderung von Infrastruktur im ländlichen Raum - auf den Weg bringen könne. „Ich habe in meinem Haus mit 'LandZukunft' auch ein eigenes Projekt auf den Weg gebracht."
Marlene Mortler (CDU/CSU) wies darauf hin, dass es bei der Entwicklung der ländlichen Räume darum gehe, gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu schaffen. In diesem Zusammenhang erkundigte sie sich nach den geplanten Effekten des Versorgungsstrukturgesetzes: „Was wird konkret zur Bewahrung und Verbesserung der medizinischen Versorgung der Menschen in den ländlichen Regionen getan", wollte die Abgeordnete wissen.
„Mit diesem Gesetz steigern wir die Attraktivität des ländlichen Raumes", so Aigner daraufhin. Ziel sei es, durch verschiedene Vergünstigungen und finanzielle Anreize, so etwa durch die Möglichkeit, eine 'Zweitpraxis' aufzumachen, mehr Mediziner aufs Land zu locken.
Max Lehmer (CDU/CSU) betonte, besonders die Entwicklung von regionalen Energiekonzepten sei zentral für den ländlichen Raum. „Wichtig ist, dass Bund, Länder und Kommunen hier zusammenarbeiten", forderte der Abgeordnete. Lehmer erkundigte sich, welche Rechts- und Organisationsformen die Bundesregierung dabei für geeignet halte: „Denken Sie beispielsweise an Formen ähnlich denen von Wohngenossenschaften?"
Aigner signalisierte, dass sie verschiedene Konzepte für möglich halte, so etwa Genossenschaften für Photovoltaikanlagen oder regionalen Netzwerke im Bereich der Bioenergie, so genannte Bioenergieregionen. „Die dezentrale Energieversorgung wird an Bedeutung gewinnen", sagte Aigner. „Bislang bringen wir den Strom von den Städten aufs Land; in Zukunft werden wir vielleicht den Strom vom Land in die Städte bringen."
Alexander Süßmair (Die Linke) fragte wiederum, wie Aigner ihren Anspruch, den ländlichen Raum wettbewerbsfähig und lebenswert zu machen, umsetzen wolle. Bislang seien Stadt und Land noch von einem starken Einkommengefälle gekennzeichnet. Süßmair plädierte deshalb für einen flächendeckenden Mindestlohn. „Er könnte dafür sorgen, dass nicht mehr der Ort, an dem man arbeitet, darüber bestimmt, wie viel man verdient." Außerdem müssten die Kommunen finanziell besser ausgestattet werden.
Der Forderung nach einem flächendeckenden Mindestlohn erteilte Aigner eine klare Absage. Doch was die Finanzausstattung der Städte und Gemeinden angehe, habe die Bundesregierung schon gehandelt, so die Ministerin: „So entlastet der Bund die Kommunen beispielsweise bei den Kosten der Grundsicherung, das gibt ihnen Luft."
Wie zuvor Max Lehmer interessierte sich auch Dr. Christel Happach-Kasans (FDP) für einen Aspekt der Umsetzung der Energiewende: Obwohl sicherlich regionale Energiegewinnung wichtiger werde, müssten doch auch die Städte versorgt werden, merkte die liberale Politikerin an. „Dazu muss der Leitungsbau drastisch beschleunigt werden." Von der Ministerin wollte Happach-Kasan vor allem wissen, wie die Regierung plane, Landwirte - über deren Land die Leitungen gebaut werden müssten – einzubinden und zu entschädigen.
Aigner bestätigte, dies sei eine „wichtige Frage". Die Frage des Umgangs mit Durchleitungsrechten und Entschädigungen sei ein „Problem", das auch sie sehe. „Wir werden bald darüber Gespräche führen müssen", kündigte sie an.
Cornelia Behm (Bündnis 90/Die Grünen) lobte grundsätzlich die Schaffung von Modellprojekten zur Entwicklung des ländlichen Raums. Doch gab sie ihrer Befürchtung Ausdruck, es würden zu viele ähnliche Projekte ins Leben gerufen und zu wenig aus bestehenden gelernt: „Ich würde gerne wissen, was an Erfahrungen bislang gesammelt wurde. Und: Was wurde an Erkenntnissen bereits in die Förderpraxis überführt", fragte die Abgeordnete.
Als Antwort wies die Ministerin insbesondere auf den Mikrokreditfonds hin. Auch mit der Einsetzung von „Regionalbudgets" trage man zuvor in Modelprojekten gesammelten Erfahrungen Rechnung, dass es in den Regionen oft unterschiedliche Strukturen und Erfordernisse gebe. Auf diese könne mit den Budgets regional entsprechend reagiert werden. (sas)