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Brigitte Pothmer hatte mitgezählt. Die siebte Debatte zum Thema Mindestlohn führe man nun in dieser Legislaturperiode des Bundestages, stellte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen fest. Und es sei ein Ergebnis dessen, dass heute nicht mehr darüber diskutiert werde, ob man einen Mindestlohn brauche, sondern wie dieser umgesetzt werden könne, sagte Pothmer in der Bundestagsdebatte am Freitag, 20. Januar 2012. Um das Wie einer solchen Umsetzung drehte sich folglich auch diese Debatte, denn es standen ein Gesetzentwurf der SPD-Fraktion (17/4665), ein Antrag der Grünen (17/7483) zur abschließenden und ein Antrag der Fraktion Die Linke (17/8026) zur ersten Beratung an. Alle drei Vorschläge fanden keine Mehrheit bei den Koalitionsfraktionen, wurden demzufolge abgewiesen beziehungsweise, wie der Linken-Antrag, zunächst zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales verwiesen.
Der Arbeitsmarktexperte der CDU/CSU, Peter Weiß begründete die Ablehnung mit dem Verweis auf die Tarifautonomie. Lohnpolitik gehöre nicht ins Parlament, sondern müsse Aufgabe der Tarifpartner bleiben. Eine Aufgabe, die grundsätzlich in der Vergangenheit auch zu guten Ergebnissen geführt habe, sagte Weiß. Denn derzeit würden in Deutschland vier Millionen Arbeitnehmer in Bereichen arbeiten, in denen Mindestlöhne gelten, ausgehandelt von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Gewerkschaften.
"So viele Mindestlöhne gab es noch nie in Deutschland", stellte der CDU-Politiker fest. Die SPD dagegen gehe mit ihrem Gesetzentwurf einen anderen Weg, der einen "Misstrauensantrag gegen die Tarifpartner" darstelle.
Die SPD-Fraktion will mit ihrem Gesetzentwurf einen flächendeckenden Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro brutto je Stunde einführen. Über die genaue Höhe der Lohnuntergrenze soll eine Mindestlohnkommission aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern entscheiden; die 8,50 Euro-Grenze darf sie jedoch nicht unterschreiten. Könne sich die Kommission nicht einigen, dann müsse das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einen Mindestlohn festsetzen, heißt es in dem Gesetzentwurf.
Eine Aushöhlung der Tarifautonomie sei keineswegs das Ziel seiner Fraktion, verteidigte sich Hubertus Heil (SPD). Natürlich solle es weiter der Regelfall bleiben, dass die Tarifpartner die Löhne aushandeln. "Dennoch brauchen wir einen Mindestlohn. Es muss Schluss sein damit, dass wir mit Steuergeldern immer mehr Armutslöhne aufstocken müssen", sagte Heil. Den jüngsten CDU-Parteitagsbeschluss, wonach Lohnuntergrenzen nur in den Bereichen festgelegt werden sollen, in denen keine Tarifverträge existieren, bezeichnete er als völlig unzureichend. Denn die "berühmte thüringische Friseurin" würde trotz Tarifbindung nur einen Armutslohn bekommen, so Heil.
Ähnlich argumentierte auch Brigitte Pothmer, von ihr wurde allerdings nicht die thüringische, sondern die sächsische Friseurin als Beispiel herangezogen: "Sie können diese Frau doch nicht dafür bestrafen, dass sie in einer Branche mit Tarifbindung arbeitet“, empörte sich die Grüne in Richtung Koalition. Die Grünen machen sich in ihrem Antrag für einen allgemeinen Mindestlohn stark, allerdings vermeiden sie, eine konkrete Höhe zu benennen.
Sie fordern, dass Mindestlöhne durch eine unabhängige Kommission festgelegt werden. Diese Kommission müsse sich aus Vertretern von Gewerkschaften, Arbeitgebern und der Wissenschaft zusammensetzen und zum Ziel haben, angemessene Arbeitsbedingungen zu schaffen, faire Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu erhalten, schreiben die Grünen.
Ungewohnte Einigkeit herrschte in einigen Punkten zwischen der FDP und der Linken. Beide Fraktionen warfen der SPD vor, für das rasante Ansteigen des Niedriglohnsektors seit Ende der neunziger Jahre verantwortlich zu sein. "Da hat Herr Kolb Recht. Denn Sie müssen sich schon die Frage stellen, wer hat denn da regiert?", fragte der Parteivorsitzende der Linken, Klaus Ernst, die SPD. Und auch in einem anderen Punkt gab er seinem Vorredner Recht. Der FDP-Arbeitsmarktexperte Dr. Heinrich L. Kolb hatte zuvor darauf hingewiesen, dass auch ein Stundenlohn von 8,50 Euro nicht für eine Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus ausreiche.
Damit endeten dann aber auch die Gemeinsamkeiten. Denn während Kolb den SPD-Entwurf als "hingeschmiert“ und den Grünen-Antrag lediglich als eine "grobe Skizze, der nicht der Rede wert sei" abkanzelte, bezeichnete er den Vorschlag der Linken gar als "abgedreht“. Diese fordert in ihrem Antrag nämlich die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von zehn Euro pro Stunde noch in dieser Wahlperiode. Abwegig ist das für die Fraktion allein schon aus rentenpolitischen Gründen nicht. So rechnete Klaus Ernst vor, dass ein solcher Stundenlohn nötig wäre, um später 684 Euro Rente zu bekommen. Eine Summe, die auch nur knapp oberhalb der Grundsicherung liegt. (che)