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Der Bundestag hat vom Montag, 27. Februar, bis Freitag, 1. März 2012, folgende Beschlüsse gefasst, zum Teil ohne vorherige abschließende Aussprache:
Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr: Bei Enthaltung der Linksfraktion und Zustimmung aller übrigen Fraktionen hat der Bundestag am 2. März den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zum besseren Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr (17/7745) in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (17/8805) angenommen. Ziel ist ein besserer Verbraucherschutz vor Abo- und Kostenfallen im Internet. Unternehmen werden verpflichtet, die wesentlichen Informationen zu einem Vertrag, vor allem den Gesamtpreis einer Ware oder Dienstleistung, klar und verständlich "in hervorgehobener Weise" zur Verfügung zu stellen. Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr über eine entgeltliche Leistung eines Unternehmens kommen künftig nur dann zustande, wenn die Verbraucher ausdrücklich bestätigen, dass sie sich zu einer Zahlung verpflichten und wenn das Unternehmen sich an die gesetzlichen Vorgaben gehalten hat. Einschlägige Vorschrift ist der Paragraf 312g des BGB. Darüber hinaus wurde die Übergangsfrist zum Ausschluss der Nichtzulassungsbeschwerde in Wohnungseigentumssachen im Wohnungseigentumsgesetz, die am 1. Juli 2012 endete, auf den 31. Dezember 2014 verlängert. Keine Mehrheit fand ein Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen (17/8806), in einem eigenen Absatz klarzustellen, dass die Beweislast für die Erfüllung der Pflichten des Unternehmers aus Paragraf 312g Absatz 2 bis 4 des BGB beim Unternehmer liegt.
Keine gesetzliche Benzinpreiskontrolle: Der Bundestag hat am 2. März mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen einen Antrag der Linksfraktion (17/8786) abgelehnt, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, gesetzlich zu regeln, dass die Bundesnetzagentur Erhöhungen der Spritpreise genehmigen muss. Zugleich sollte eine Entflechtung der Mineralölkonzerne und der Öl-Oligopole inklusive Raffinerien ermöglicht werden. Die Linke hatte ihren Antrag damit begründet, dass die Spritpreise aufgrund des Spekulationshandels an den Warenterminbörsen und des "marktbeherrschenden Oligopols der Mineralölkonzerne" stiegen.
EU-Beitrittskandidatenstatus Serbiens: Der Bundestag hat am 1. März einen Antrag der SPD (17/8763) abgelehnt, wonach die Bundesregierung aufgefordert werden sollte, sich beim EU-Gipfel am 1. und 2. März in Brüssel für die Verleihung des Status als EU-Beitrittskandidat an Serbien auszusprechen. Die SPD hatte argumentiert, es liege im Interesse der EU, dass Serbien mit der Verleihung des Kandidatenstatus einen starken Impuls zur Fortsetzung des bereits beschrittenen Reformwegs erhält.
Menschenrechte in der Tourismuswirtschaft: Die Bundesregierung soll den Dialog mit den Tourismusunternehmen und ihren Branchenverbänden zum Thema Menschenrechte intensivieren und über die aktuellen internationalen Vereinbarungen zur menschenrechtlichen Unternehmensverantwortung informieren. Dies beschloss der Bundestag am 1. März, als er einen Antrag von CDU/CSU und FDP (17/8347) bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von SPD und Linksfraktion annahm. Er folgte damit einer Empfehlung des Menschenrechtsausschusses (17/8736). Abgelehnt wurde hingegen ein Antrag der SPD (17/6458), die Menschenrechte in der Tourismuswirtschaft zu achten, zu schützen und zu gewährleisten. Union und FDP lehnten ihn ab, Die Linke enthielt sich, die Grünen stimmten mit der SPD dafür. Danach sollten Tourismusunternehmen über die völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands informiert und bei der Einhaltung der Menschenrechte und der Sensibilisierung der Reisenden für die Lage vor Ort unterstützt werden. Keine Mehrheit fand ein Antrag der Linksfraktion (17/8762), Menschenrechte in der Tourismuspolitik konsequent durchzusetzen. Der Antrag wurde mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP und SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Menschenrechte in Deutschland: Der Bundestag hat am 1. März einen Antrag der Linksfraktion, Menschenrechte in Deutschland zu schützen, zu respektieren und zu gewährleisten (17/5390), mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt. Die Fraktion hatte die Bundesregierung darin unter anderem aufgefordert, die universellen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte sowie die politischen und bürgerlichen Menschenrechte in ihrer Sozial-, Gesundheits-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik zu achten und zu schützen. Außerdem sollten soziale Grundrechte in das Grundgesetz aufgenommen werden. Dem Beschluss lag eine Empfehlung des Menschenrechtsausschusses zugrunde (17/6929).
Bundesgeoreferenzdatengesetz beschlossen: Mit den Stimmen von Union, SPD und FDP gegen das Votum von Bündnis 90/Die Grünen und bei Enthaltung der Linksfraktion hat der Bundestag am 1. März dem Gesetzentwurf der Bundesregierung über die geodätischen Referenzsysteme, -netze und geotopografischen Referenzdaten des Bundes (17/7375) in der vom Innenausschuss geänderten Fassung (17/8634) angenommen. Mit dem Gesetz wird die Grundlage für eine bessere Standardisierung und Koordinierung dieser Daten geschaffen. Nur so seien optimale Qualitätsstandards für die Erfüllung nationaler, europäischer und internationaler Verpflichtungen zu erreichen, heißt es zur Begründung. Die Änderungen am Regierungsentwurf beziehen sich auf die Kooperation von Bund und Ländern. Der Bund darf die von den Ländern erworbenen Daten des amtlichen Vermessungswesens nur im Rahmen der von den Ländern eingeräumten Nutzungsrechte verwenden.
Kommunale Dienstleistungskonzessionen: Der Bundestag hat am 1. März Anträge der SPD (17/8761) und von Bündnis 90/Die Grünen (17/8768) abgelehnt, die die kommunale Daseinsvorsorge zum Gegenstand hatten. Die SPD und die Grünen hatten die Bundesregierung aufgefordert, in der EU darauf hinzuwirken, dass ein Richtlinienvorschlag der EU-Kommission über die Konzessionsvergabe (Ratsdokument 18960/11) abgelehnt wird. Die SPD forderte, eine Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessionen abzulehnen und die kommunale Daseinsvorsorge zu sichern. Die Grünen argumentierten, der Brüsseler Vorschlag zur Vergabe von Konzessionen greife in das Selbstverwaltungsrecht und die Gestaltungsfreiheit der Kommunen ein und sei nicht verhältnismäßig. Dienstleistungskonzessionen hätten in der Regel lange Laufzeiten und benötigten eine gewisse Flexibilität, so die Grünen. Die Gestaltungsspielräume der Kommunen bei der Vergabe solcher Konzessionen müssten deshalb erhalten bleiben.
Treibhausgasbilanz von Kraftstoffen: Gegen das Votum der Opposition hat der Bundestag am 1. März einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (17/7956) abgelehnt, die "schlechte Treibhausgasbilanz von Kraftstoffen aus Teersanden bei der Umsetzung der Kraftstoffqualitätsrichtlinie zu berücksichtigen". Die Grünen hatten die Bundesregierung aufgefordert, den von der EU-Kommission vorgelegten Entwurf zur Konkretisierung der EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie zu unterstützen und dabei für eine differenzierte Betrachtung der Lebenszyklustreibhausgasemissionen von Kraftstoffen einzutreten. Vor allem sollte die Regierung die Unterscheidung zwischen Benzin und Diesel aus konventionellen Quellen (Rohöl) und unkonventionellen Quellen (Gas, Kohle, Teersand und Ölschiefer) unterstützen. Der Bundestag folgte einer Empfehlung des Umweltausschusses (17/8759).
Sicherheitsanforderungen an Eisenbahnfahrzeuge: Einstimmig hat der Bundestag am 1. März den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (17/8364) in der vom Verkehrsausschuss geänderten Fassung (17/8787) angenommen. Damit wird die Verantwortung dafür, dass die Fahrzeuge zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme den Anforderungen der öffentlichen Sicherheit an den Bau entsprechen, auch demjenigen zugewiesen, der den Antrag auf Genehmigung zur Inbetriebnahme gestellt hat. Bislang waren Sicherheitspflichten nur den Eisenbahnen und den Haltern von Eisenbahnfahrzeugen zugewiesen. Das Eisenbahn-Bundesamt wurde ermächtigt, technische Einzelheiten für Planung, Bemessung und Konstruktion von Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes festzulegen.
Asbest-Verbot: Bei Enthaltung der Linksfraktion hat der Bundestag am 1. März mit der Mehrheit von Union und FDP einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (17/7478) abgelehnt, in dem verlangt worden war, die Einfuhr und Verwendung von Asbest und asbesthaltigen Produkten in Deutschland umfassend zu verbieten. Die Bundesregierung sollte nach dem Willen der Grünen sämtliche Ausnahmeregelungen zur Einfuhr und Nutzung von asbesthaltigen Rohstoffen streichen, befristete Genehmigungen nicht übergangsweise bis Ende 2012 weitergelten lassen und Vollzugsdefizite im Chemikalienrecht zusammen mit den Ländern abbauen. Der Bundestag schloss sich mit der Ablehnung einer Empfehlung des Umweltausschusses (17/8758) an.
Keine Steuerermäßigung für Schiffspassagiere: Bei Enthaltung der SPD hat der Bundestag am 1. März einen Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (17/8320) abgelehnt. Auf Empfehlung des Finanzausschusses (17/8798) stimmten alle anderen Fraktionen gegen die Initiative. Der Bundesrat wollte erreichen, dass der Personenbeförderung mit Schiffen der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent zugrunde gelegt wird. Der ermäßigte Steuersatz galt bis zum Jahresende 2011. Die Länderkammer wollte die ermäßigte Besteuerung bis Ende 2013 verlängern, bis die vom Bund eingesetzte Regierungskommission eine grundlegende Neuregelung des Anwendungsbereichs der ermäßigten Mehrwertsteuersätze vorgelegt hat.
Beschlüsse zu Petitionen: Ohne Aussprache hat der Bundestag am 1. März Beschlüsse zu einer Reihe von Petitionen gefasst. Im Einzelnen wurden die Empfehlungen des Petitionsausschusses zu den Sammelübersichten 390 bis 396 übernommen (17/8590, 17/8591, 17/8592, 17/8593, 17/8594, 17/8595, 17/8596).
Weiteren Finanzhilfen für Griechenland zugestimmt: In namentlicher Abstimmung hat der Bundestag am 27. Februar einen Antrag des Bundesfinanzministeriums (17/8730) mit Anlagen (17/8731) und einer Unterrichtung "Vorläufiges Troika-Update zur griechischen Schuldentragfähigkeit und zur öffentlichen Finanzierung" (17/8735) angenommen, weitere Finanzhilfen für Griechenland zur Verfügung zu stellen. 496 Abgeordnete stimmten für den Antrag, 90 dagegen, fünf enthielten sich. Das Ministerium hatte die Zustimmung des Bundestages zum Abschluss einer Vereinbarung über die Gewährung einer Notmaßnahme der Europäischen Finanzstabilisierungfazilität (EFSF) zugunsten der Hellenischen Republik in Form von Darlehen beantragt. Diese Darlehen haben eine Gesamthöhe von bis zu 130 Milliarden Euro. Hinzu kommen 24,4 Milliarden Euro, die unter dem ersten Programm für Griechenland nicht ausgeschöpft wurden und künftig ebenfalls durch die EFSF, auch "Euro-Rettungsschirm" genannt, ausgereicht werden sollen, heißt es in dem Antrag. Griechenland hatte den Präsidenten die Gruppe der Euroländer (Eurogruppe) am 8. Februar um Nothilfedarlehen aus der EFSF gebeten. Die Eurogruppe hatte am 21. Februar festgestellt, dass die notwendigen Elemente bereitstünden, damit die Mitgliedstaaten die nationalen Zustimmungsprozesse einleiten, um Griechenland die Mittel für ein zweites Programm bereitstellen zu können.Die Darlehen sollen Griechenland in die Lage versetzen, eine freiwillige Umschuldung seiner privaten Anleiheschulden herbeizuführen und so die Grundlage für eine tragfähgie Schuldenentwicklung zu schaffen. Dafür sind bis zu 35,5 Milliarden Euro vorgesehen. Bis zu 94,5 Milliarden Euro sollen die Zahlungsfähigkeit Griechenlands im Rahmen eines mehrjährigen Hilfsprogramms dauerhaft sichern. Schließlich sollen die ausstehenden 24,4 Milliarden Euro des ersten Hilfsprogramms für Griechenland auf die EFSF übertragen und im Rahmen des zweiten Programms als Darlehen an Athen vergeben werden. Diese "Notmaßnahmen" dienen nach Angaben des Ministeriums dazu, die Stabilität in der Eurozone zu sichern. Die Höhe der Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) stehe noch nicht fest und werde - nach einem IWF-Beschluss - den Betrag von 94,5 Milliarden Euro entsprechend verringern. Der Bundestag nahm bei Enthaltung der SPD und Ablehnung von Linksfraktion und Grünen einen Entschließungsantrag von CDU/CSU und FDP (17/8742) an, in dem die Erwartung geäußert wird, dass Griechenland die Bedingungen für die Auszahlung der Hilfen erfüllt. Einen Entschließungsantrag der SPD (17/8738) lehnten Union, FDP und Linke ab, die Grünen unterstützen ihn. Darin hatte die SPD unter anderem verlangt, das wirtschaftliche Anpassungsprogramm für Griechenland neu auszurichten. Ebenfalls keine Mehrheit fand ein Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen (17/8737). Die Fraktion hatte ein klares Bekenntnis gefordert, dass Griechenland Mitglied der Währungsunion bleibt. Union, FDP und Linke lehnten ihn ab, die SPD unterstützte den Entschließungsantrag.
Entschließungsanträge zur Regierungserklärung zum EU-Gipfel: Der Bundestag hat die Bundesregierung am 27. Februar aufgefordert, bei Verhandlungen über weitere Euro-Rettungsmaßnahmen auch in Zukunft sicherzustellen, dass die "gebotene Solidarität" mit den europäischen Partnern sowie die Sicherung der Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen in Deutschland weiterhin in einem "vernünftigen Ausgleich" zueinander stehen. Einen entsprechenden Entschließungsantrag zur Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) zum Europäischen Rat am 1. und 2. März in Brüssel (17/8739) nahm er gegen das Votum der Opposition an. Mehrheitlich abgelehnt wurde hingegen ein Entschließungsantrag der SPD (17/8740), wonach sich die Regierung dafür einsetzen sollte, dass die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion zu einer stabilitäts- und wachstumsorientierten Wirtschafts- und Fiskalunion ausgebaut wird. Keine Mehrheit fanden auch Entschließungsanträge der Linksfraktion, den Fiskalvertrag nicht zu unterzeichnen (17/8741) und weiteren Finanzhilfen an Griechenland in Form von Darlehen von bis zu 189,4 Milliarden Euro (einschließlich nicht ausgeschöpfter Mittel aus dem ersten Hilfsprogramm und einer Absicherung der Europäischen Zentralbank in Höhe von 35 Milliarden Euro) nicht zuzustimmen (17/8743). (vom)