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Der Gesetzentwurf zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung, auf den sich die Bundesregierung zuvor im Kabinett geeinigt hatte, stand am Mittwoch, 28. März 2012, im Zentrum der Regierungsbefragung im Bundestag. Ziel dieser Reform der Pflegeversicherung ist es insbesondere, die Leistungen für demenzkranke Menschen zu verbessern. Auch Pflege-Wohngemeinschaften sollen künftig stärker gefördert werden. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) bezeichnete dies als „richtigen und wichtigen Schritt“ zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung.
In der Pflegeversicherung hätten bislang die körperlichen Einschränkungen im Vordergrund gestanden, nicht die demenziellen Erkrankungen, erklärte Bahr. Dies sei aber angesichts des demografischen Wandels und der wachsenden Zahl von Demenzkranken nicht mehr angemessen. „1,2 Millionen Menschen sind derzeit von demenziellen Erkrankungen betroffen“, so Bahr. Schätzungen zufolge könnte schon in einigen Jahrzehnten die Anzahl der Betroffenen auf vier Millionen angestiegen sein.
„Deshalb wollen wir die ambulante Versorgung für diese Personengruppe ausbauen“, sagt der Gesundheitsminister. Pflegedienste sollten künftig neben der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung auch Demenzkranke betreuen dürfen.
Mit der zum 1. Januar 2013 geplanten Reform wolle die Bundesregierung aber auch die Leistungen für Demenzkranke in der ambulanten Versorgung erhöhen, betonte Bahr. So sollen etwa Menschen ohne Pflegestufe aber mit eingeschränkter Alltagskompetenz monatlich ein Pflegegeld von 120 Euro oder Pflegesachleistungen von bis zu 225 Euro erhalten. „Das ist eine deutliche Verbesserung“, unterstrich der Gesundheitsminister.
Zusätzlich werde die Reform die Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten für die Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen ausweiten. Insbesondere die Angehörigen, so Bahr, die die Hauptlast in der ambulanten Pflege trügen, gelte es zu entlasten. So solle es künftig leichter für sie werden, eine Auszeit zu nehmen. Während einer Kurzzeit- oder Verhinderungspflege für den Pflegebedürftigen solle künftig das Pflegegeld zur Hälfte weitergezahlt werden.
Weitere Kernpunkte des Gesetzentwurfs betreffen unter anderen eine stärkere Förderung von ambulanten Wohngemeinschaften und Selbsthilfegruppen. Auch die Förderung der privaten Vorsorge im Bereich der Pflege sieht der Gesetzentwurf vor. Darüber hinaus soll er die medizinische Versorgung durch Ärzte und Zahnärzte in Heimen verbessern.
Diese sei, so Bahr, „verbesserungswürdig“. „Wir wollen mit finanziellen Anreizen Ärzte dazu bewegen, mehr Hausbesuche in Heimen zu machen“, erklärte der Minister. Alle Leistungsverbesserungen durch das geplante Gesetz würden über die Erhöhung des Beitragssatzes um 0,1 Prozent ermöglicht.
Hilde Mattheis (SPD) kritisierte die Reform als nicht ausreichend und wollte insbesondere wissen, weshalb darin der dringend benötigte neue Pflegebegriff noch nicht umgesetzt wurde. Der Gesundheitsminister entgegnete, dass die Umsetzung nicht so schnell möglich gewesen sei. Zu viele Abgrenzungsfragen seien noch offen „Wenn es so einfach wäre, dann hätte auch die Vorgängerregierung ihn schon einführen können. Die Ergebnisse liegen ja bereits seit 2009 auf dem Tisch“, sagte Bahr.
Er bezeichnete den vorliegenden Gesetzentwurf als „Vorgriff“ auf den neuen Pflegebegriff. Mit der Umsetzung werde sich nun ein Beirat beschäftigen.
Jens Spahn (CDU/CSU) interessierte sich zum einen dafür, wie viel Geld der Pflegeversicherung durch die Reform nun zur Verfügung stehe werde. Zum anderen fragte er den Minister nach dessen Meinung zur Forderung der SPD, sechs Milliarden für die Pflegeversicherung zur bereitzustellen.
Der Minister stellte daraufhin klar, dass bereits die eine Milliarde, die durch die Beitragserhöhung der Pflegeversicherung nun zusätzlich zur Verfügung stehen werde, eine deutliche Verbesserung darstelle. Der Forderung nach sechs weiteren Milliarden erteilte er eine Absage: „Dies würde zu enormen Ausgabensteigerungen führen. Ohne Gegenfinanzierung sehe ich das nicht.“
Diana Golze (Die Linke) erkundigte sich nach Löhnen und Arbeitsbedingungen im Pflegesektor: „Setzen Sie nicht angesichts des Pflegenotstands ein falsches Zeichen, wenn Sie sich beim einheitlichen Pflegemindestlohn an der untersten Grenze orientieren“, fragte sie Bahr.
Dieser wollte den Vorwurf nicht gelten lassen und entgegnete, dass der Pflegenotstand nicht allein eine Frage des Geldes sei: „Es geht auch um die Arbeitsbedingungen, und diese verbessern wir mit dem Gesetz, indem wir etwa die Pflege entbürokratisieren und eine Ombudsperson einführen.“ Außerdem sei es Ziel der Bundesregierung zusammen mit den Ländern, die Pflegeausbildung zu reformieren.
Elisabeth Scharfenberg (Bündnis 90/Die Grünen) erkundigte sich nach den Plänen der Bundesregierung, die private Vorsorge im Bereich der Pflege zu steuerlich zu fördern. „Eine private Zusatzversicherung kostet – dazu muss man das nötige Kleingeld haben“, monierte die Abgeordnete und hakte nach: „Wie wollen Sie den Eindruck widerlegen, dass diese Reform vor allem den Besserverdienenden und der Versicherungswirtschaft zugute kommt?“
Bahr erinnerte daran, dass es eine rot-grüne Bundesregierung gewesen sei, die begonnen habe, die private Altersvorsorge steuerlich zu begünstigen. „Die Riester-Rente ist ein Erfolg — und es sind nicht nur die Spitzenverdiener, die sie abgeschlossen haben.“ (sas)