Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv > Befragung der Bundesregierung
Ein Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechte von Patienten, den die Bundesregierung zuvor in ihrer Kabinettsitzung beschlossen hat, stand im Mittelpunkt der 45-minütigen Regierungsbefragung am Mittwoch, 23. Mai 2012. Ziel des Gesetzesvorhabens ist es, die Rechte von Patienten gegenüber Ärzten und Krankenkassen zu stärken. Er sieht so unter anderem vor, dass Ärzte künftig verständlich und umfassend auch über die Risiken einer Behandlung informieren müssen. Außerdem sollen Krankenkassen ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen unterstützen.
"Mehr als 70 Prozent der Patienten in Deutschland kennen ihre Rechte nicht", sagte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die gemeinsam mit Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) die Vorlage im Plenum vorstellte. Die jetzt geplanten gesetzlichen Regelungen würden dieses Informationsgefälle ausgleichen.
So ist unter anderem vorgesehen, dass Patienten Einsicht in ihre Patientenakten nehmen können. "Dies ermöglicht Arzt-Patienten-Gespräche auf Augenhöhe. Mit dem Gesetz sorgen wir insgesamt für mehr Transparenz im Gesundheitswesen", ergänzte Bahr, bevor er sich, ebenso wie Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger, den Fragen der Abgeordneten stellte.
Mehr Transparenz soll das neue Patientenrechtegesetz Leutheusser-Schnarrenberger zufolge auch in Haftungsfällen bringen. "Wichtige Beweiserleichterungen für Patienten werden nun klar geregelt und für jeden nachvollziehbar gemacht", erklärte die Ministerin.
Bei "groben" Behandlungsfehlern müsse nun der Arzt beweisen, dass die Behandlung auch ohne den Fehler nicht erfolgreich gewesen wäre. Diese Umkehr der Beweislast gelte aber nicht bei sogenannten "einfachen" Behandlungsfehlern. Hier müsse wie bisher der Patient den Behandlungsfehler sowie die Ursächlichkeit dieses Fehlers für die eingetretene Gesundheitsschädigung nachweisen.
Neu ist jedoch eine Regelung, die Gesundheitsminister Bahr erläuterte: So sollen künftig Kranken- und Pflegekassen verpflichtet werden, ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern zu unterstützen. Dies könne etwa durch medizinische Gutachten geschehen, so Bahr.
Die Bundesregierung ziele mit dem Gesetzentwurf darauf, Patienten gegenüber den Versicherungen zu stärken: "Sie sind keine Bittsteller, sie haben Rechte", unterstrich Bahr. So würden künftig nicht fristgemäße Entscheidungen der Krankenkassen sanktioniert. Darüber hinaus stärke das geplante Gesetz die Fehlervermeidungskultur, so der Gesundheitsminister. Dafür sei es vorgesehen, Meldesysteme für Fehler sowie ein Risikomanagement einzuführen und ein Beschwerdemanagement in Krankenhäusern verbindlich zu verankern.
Weniger positiv sah die SPD-Abgeordnete Dr. Marlies Volkmer das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung: Das geplante Gesetz habe viele Erwartungen geweckt, die es nicht halte, so ihre Kritik. Insbesondere bemängelte sie, dass die Beweislastumkehr nur bei "groben" Behandlungsfehlern gelten solle. Diese Beweislastumkehr bei groben Fehlern gebe es in der Rechtsrechungspraxis bereits. Zudem monierte Volkmer, dass das Gesetz keinen Härtfallfonds für Opfer von Behandlungsfehlern vorsehe. "Der Patientenbeauftragte Zöller hat das zuvor in die Diskussion eingebracht. Warum lese ich hier nichts davon?", wollte sie von Gesundheitsminister Bahr wissen.
Dieser entgegnete, die Beschränkung auf "grobe" Behandlungsfehler sei notwendig, da sonst zu befürchten wäre, dass Ärzte nicht mehr das Risiko schwieriger Behandlungen eingingen. "Wir wollen doch keine amerikanischen Verhältnisse, wo ein Arzt vor einer Operation seine Versicherung anruft, um nachzufragen, ob die die Haftung im Fall des Falls übernimmt." Einen Härtefallfonds lehnte der FDP-Politiker ebenso ab: "Das Verursacherprinzip muss weiter Geltung haben, wo der Verursacher eines Schadens haftet — und nicht die Solidargemeinschaft." Zudem bedeute die Schaffung eines Fonds viel zusätzliche Bürokratie, so Bahr.
Auch Kathrin Vogler (Die Linke) fand wenig anerkennende Worte für den Entwurf des Patientenrechtegesetzes. Sie bezeichnete es als unausgewogen: "Es ist auffallend, wer hier applaudiert — die Ärztevertreter freuen sich, von den Patientenorganisationen hingegen kommt kein Lob."
Vogler äußerte zudem Unverständnis, warum sich die beteiligten Minister weiteren Beweiserleichterungen für die Patienten verschlössen. Darüber hinaus bemängelte sie unter anderem das Fehlen einer Reform der Schlichtungsstellen. "Das wäre aber wichtig gewesen", monierte die Abgeordnete. Die Justizministerin hingegen verwahrte sich gegen den Vorwurf der Einseitigkeit: "Das Gesetz versucht, die verschiedenen Interessen in Ausgleich zu bringen", sagte Leutheusser-Schnarrenberger.
Erwin Rüddel (CDU/CSU) zeigte sich erfreut, dass das "Projekt endlich abschließend auf den Weg" gebracht werden konnte. Er bat Bahr und Leutheusser-Schnarrenberger, die neuen Rechte der Versicherten gegenüber den Krankenkassen zu konkretisieren.
Bahr erklärte daraufhin, dass das Gesetz vorsehe, Krankenkassen erstmals eine dreiwöchige Frist zu setzen, in der diese eine Entscheidung über eine Behandlung zu treffen hätten. Nach Ablauf der Frist sei es den Patienten möglich, eine Leistung in Anspruch zu nehmen und die Kosten der Krankenkasse nachträglich in Rechnung zu stellen. "Das stärkt ganz konkret die Rechte der Versicherten", so Bahr.
Auch die FDP-Abgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus begrüßte den Gesetzentwurf. Sie erkundigte sich, welche Möglichkeiten die Patienten künftig hätten, sich über Behandlungsfehlern zu beschweren.
Minister Bahr betonte in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzentwurf erstmals auch das Beschwerdemanagement in Praxen und Krankenhäusern verbindlich vorschreibe.
Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen) wollte wissen, wie das Gesetz den "barrierefreien Zugang" zu Informationen sicherstelle — also wie gewährleistet werden könne, dass die Aufklärungspflicht von Medizinern auch gegenüber Menschen mit Behinderungen eingehalten werde. So erkundigte sie sich insbesondere, ob die Dolmetscherleistungen in der Gebärdensprache kostenfrei blieben.
Die Justizministerin bestätigte dies und erklärte, dass die Aufklärungspflicht impliziere, dass derjenige, der Informationen bekomme, diese auch verstehen müsse. Das gelte natürlich auch für Menschen, die unter Beeinträchtigungen des Gehörs litten, bekräftigte Leutheusser-Schnarrenberger. "Der Patient muss wissen, was ihn erwartet." Der Gesundheitsminister ergänzte: "Deswegen haben wir auch den Gesetzestext ausdrücklich so formuliert, dass der Patient ‚verständlich’ informiert werden muss." (sas)