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Menschen, Ecken, Kanten, Räume in Umrissen zu zeichnen — das ist gar nicht so einfach. Das mussten die Zehntklässler eines Berliner Gymnasiums am Mittwoch, 13. Juni 2012, im Bundestag feststellen. Sie waren zum Kunst-Workshop mit Matthias Beckmann gekommen, einem der zwölf Künstler, deren Werke in der aktuellen Ausstellung "Neue Linien" im Kunst-Raum des Bundestages hängen. Der Bundestag zeigt in der Ausstellung Neuankäufe grafischer Kunst, die er zwischen 2007 und 2012 für seine Kunstsammlung erworben hat. "Zuerst haben sie vor seiner Arbeit gestanden und versucht, sich da heranzutasten", erklärte die stellvertretende Kuratorin der Kunstsammlung, Kristina Volke. Von Beckmann hängen mehrere Zeichnungen mit Szenen aus dem Bundestag im Kunst-Raum. Er zeichnet immer schwarz-weiß und nur in Umrissen. "Er versucht ihnen beizubringen, wie man entschieden zeichnen kann." Radieren sei tabu, die Schüler sollten "der Linie folgen", sagte Volke.
Sechs Stunden dauerte der Kurs. Erst übten die Schüler unter Aufsicht von Beckmann im Kunst-Raum die Technik, dann zogen sie in Gruppen ins Reichstagsgebäude und suchten sich Gegenstände oder Szenen, die sie mal von Nahem, mal von Weitem zeichneten. "Den politischen Raum ein Stück weit verstehen" nannte Volke eines der Ziele des Workshops, den der Bundestag in Zusammenarbeit mit dem Institut für Auslandsbeziehungen aussrichtete.
Es sei schon der dritte Kunstausflug für ihre Klasse, sagte Lehrerin Claudia Böhm. Die Schüler hätten sich mit ihr im Deutschunterricht mit der "Graphic Novel", also anspruchsvollen Comicbüchern, auseinandergesetzt beziehungsweise mit der Verbindung von Text und Bild. Sie wolle ihre Schüler an moderne Kunst heranführen. Auf die Workshops reagierten die Schüler überwiegend positiv. "Es spricht nicht alle an, aber viele." Sie sei sich sicher, dass solche Erlebnisse nachwirkten.
"Dieser Workshop ist ein kurzer, schneller", sagte Künstler Matthias Beckmann. Groß ins Detail gehen könne er innerhalb von sechs Stunden natürlich nicht. "Ich sehe es eher so, dass ich ein paar Tipps gebe." Für die Schüler sei es nicht nur Kunstunterricht, sondern auch "eine Annäherung an den Ort auf eine persönliche Art". Sie achteten aufgrund ihrer Aufgabe nicht auf die Politiker, die sie in diesen Gebäuden erwarteten, sondern auf Alltägliches. Das Zeichnen schärfe den Blick auf die Details.
Beckmann selbst konnte nur auf Umwegen im Bundestag zeichnen, erzählte er mit einem Lächeln. Er habe eine offizielle Anfrage gestellt, sei aber letztlich durch den Kurator des Bundestages, Dr. Andreas Kaernbach, abgewiesen worden. Dann habe er einen Abgeordneten angesprochen, der ihn als Praktikanten beschäftigt habe. Schließlich fand auch Kaernbach seine Zeichnungen so überzeugend, dass er den Ankauf für die Kunstsammlung des Bundestages befürwortete. Eine Geschichte, die Kaernbach selbst während der Ausstellungseröffnung am 12. Juni erzählte.
Er zeichnete Putzkräfte bei der Arbeit, Füße, die auf den großen, im Boden eingelassenen Schriftzügen im Paul-Löbe-Haus stehen, Kunstwerke im Reichstagsgebäude und vieles mehr. "Seit der Bundestag in Berlin ist, ist er sehr repräsentativ", beschrieb Beckmann sein Interesse. Außerdem habe er wissen wollen, "ob man da reinkommt". Seine Art zu zeichnen, immer nur in Umrissen, dabei aber sehr präzise, sei "eine relativ zügige Art zu zeichnen, eine Art, die sich gut eignet, wenn ich unterwegs zeichne".
"Ich finde es krass, dass er nie radiert und nie färbt", sagte der 15-jährige Jan. Er selbst versuchte, Ausschnitte aus dem Kunst-Raum nachzuzeichnen. Später nahm er einen Spaten als Modell, der in einem Schaukasten im Übergang vom Reichstagsgebäude zum Jakob-Kaiser-Haus stand. (ske)