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Der Bundestag stimmt am Donnerstag, 28. Juni 2012, über die geplante Arzneimittelrecht-Novelle ab. Mit ihrem umfangreichen Gesetzentwurf (17/9341), den die Koalition in einigen Punkten ändern will, strebt die Bundesregierung unter anderem das Eindringen von gefälschten Arzneimitteln in die legale Lieferkette wirksamer verhindern, etwa indem die Handelswege transparenter gemacht werden. Grundlage hierfür ist eine EU-Richtlinie. Thema der voraussichtlich um 16.50 Uhr beginnenden 45-minütigen Debatte ist zudem ein Antrag der Fraktion Die Linke (17/9556), den Medikamenten-Versandhandel auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu beschränken.
Weiteres Ziel des Entwurfs eines "Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften" ist die Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel hinsichtlich der Pharmakovigilanz. Damit ist die Überwachung von auf dem Markt befindlichen Arzneimitteln auf Nebenwirkungen gemeint, die beispielsweise in den Zulassungsstudien noch nicht entdeckt wurden. Auch hierzu liegen EU-Richtlinien vor.
Umstritten ist die mit dem Entwurf geplante Liberalisierung des Heilmittelwerbegesetzes. In einer Anhörung des Gesundheitsausschusses am 13. Juni 2012 äußerten Experten Kritik an der vorgesehenen Lockerung des Werbeverbots für nicht verschreibungspflichtige Medikamente. Die Möglichkeit für Hersteller, künftig für nicht verschreibungspflichtige Schlaf- und Beruhigungsmittel zu werben, schaffe "eine neue Sorglosigkeit" bei Verbrauchern, kritisierten etwa Verbraucherschützer.
Auf Kritik stieß in der Anhörung auch die geplante Ausweitung der Arzneimittelpreisverordnung auf solche EU-Länder, die befugt sind, Arzneimittel nach Deutschland zu versenden. Die Neuregelung führe dazu, dass ausländische Versandapotheken ihren deutschen Kunden keine Boni oder Rabatte mehr gewähren dürfen, bemängelten mehrere Verbände. Vor allem chronisch kranke Menschen müssten in der Folge erhebliche Zuzahlungen für Medikamente leisten. Die European Association of Mail Service Pharmacies machte zudem europarechtliche Bedenken geltend.
Die Koalitionsfraktionen wollen mit der Novelle ferner die Möglichkeit schaffen, dass Ärzte in speziellen Notfallsituationen sterbenskranken Patienten in der ambulanten Behandlung Betäubungsmittel zur Verfügung stellen dürfen. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Friedemann Nauck, begrüßte dies in der Anhörung ausdrücklich.
Der Gesundheitsausschuss hat dem Gesetzesvorhaben am Mittwoch, 27. Juni, gegen das Votum der Opposition zugestimmt (17/10156). Die Opposition kritisierte es im Ausschuss scharf. Insbesondere das Fehlen eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und der "Pflege-Bahr" stießen auf deutliche Ablehnung. Aus Sicht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Reform nicht mit einer dringend notwendigen nachhaltigen Finanzierung der Pflege zu tun.
Die Linke sprach von einer "Pflege nach Kassenlage". Die SPD monierte, die Koalition habe mit dem vorliegenden Gesetzentwurf "eine große Chance" verpasst, die Situation der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen wirklich zu verbessern. Beim "Pflege-Bahr" gehe es vor allem darum, der privaten Versicherungswirtschaft "eine Tür zu öffnen". Vertreter der Koalitionsfraktionen sowie der Bundesregierung wiesen die Kritik zurück. Mit dem Gesetz würden deutliche Verbesserungen insbesondere für Demenzkranke und pflegende Angehörige erreicht. Die Förderung der Pflegezusatzvorsorge erleichtere den Menschen, die Lücke zwischen den Leistungen der Pflegeversicherung und den für die Pflege notwendigen Aufwendungen zu schließen. (mpi)
(mpi)