Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv > Tempo 30
Die einen sehen darin ein Instrument für mehr Sicherheit im Verkehr, die anderen halten es für eine überflüssige Gängelung der Autofahrer: Die Diskussion um ein Tempo-30-Limit in deutschen Innenstädten hat auch den Deutschen Bundestag erreicht. In einer von Union und FDP beantragten Aktuellen Stunde am Mittwoch, 27. Juni 2012, diskutierten die Parlamentarier die Vorschläge verschiedener SPD- und Grünen-Politiker, über die in den vergangenen Wochen vor allem medial heftig gestritten worden war.
Für die Koalition machte der CDU-Verkehrspolitiker Gero Storjohann deutlich: Mit Schwarz-Gelb ist dies nicht zu machen. Er führte mehrere Zitate der SPD-Spitze an, die sich ebenfalls dagegen ausgesprochen habe, und forderte die Sozialdemokraten auf, ihre Haltung zu erklären. Die Bürger müssten wissen, ob eine Stimme für die SPD bei der nächsten Bundestagswahl eine Stimme "für Schneckentempo und Staugefahr" bedeute.
Mit seiner Aussage, dies sei mit ihm nicht zu machen, genieße Verkehrsminister Dr. Peter Raumsauer (CSU) die volle Unterstützung der Koalition. Sie wolle anders als die Opposition Mobilität nicht verhindern und den Bürgern das Autofahren nicht verleiden. Arbeitnehmer hätten ein Recht darauf, ihren Arbeitsplatz "in schneller Zeit" zu erreichen. In der Bevölkerung gebe es ein "eindeutiges Votum" gegen Tempo 30 in den Städten.
Sein Fraktionskollege Peter Götz betonte, es gehe nicht darum, ob Tempo 30 sinnvoll sei oder nicht, sondern darum, dass entsprechende Regelungen Bestandteil der "kommunalen Planungshoheit der Städte und Gemeinden" seien. Sie sollten darüber vor Ort selbst entscheiden.
Für die FDP unterstrich Petra Müller, Sprecherin der Fraktion für Stadtentwicklung, ein Tempolimit "generell und dogmatisch" per Bundesgesetz überzustülpen, sei der falsche Weg. Wo ein Tempolimit nötig sei, werde in den Kommunen entschieden. Der angesprochene Flickenteppich aus Tempo-30-Zonen führe zu "Aufmerksamkeit im Verkehr". Wichtig sei zudem eine Akzeptanz der Regelung: Ein Autofahrer sei "nur dann ein guter Autofahrer, wenn er die Regel akzeptiert und versteht". Rot-Grün stelle die Bürger "unter Generalverdacht", die Koalition habe dagegen Vertrauen in sie.
Der CSU-Politiker Dr. Andreas Scheuer, Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium, warf der SPD vor, den Vorschlag, der bereits vor Jahren von der SPD-Spitze "torpediert" worden sei, als "alte Kamelle" erneut einzubringen, die "nicht zeitgemäß" sei. SPD, Grüne und Linke setzten auf Gängelung und Verbote, die Koalition dagegen auf "Freiheit und Eigenverantwortung". In München lebe ein SPD-Oberbürgermeister vor, wie Menschen gegängelt würden — dies schaffe jedoch keine besseren Verkehrsbedingungen.
Minister Ramsauer habe dagegen zu Recht erkannt, dass insbesondere die Landstraßen unfallträchtig seien und kämpfe deshalb mit der "Aktion Landstraße" für mehr Verkehrssicherheit. In den Städten setze man dagegen auf "Entschilderung" — mehr Tempo-30-Zonen würden dagegen die Kosten steigern.
ür die Opposition sind diese Argumente populistisch. Es gehe um eine "sachliche Diskussion" zur Erhöhung der Verkehrssicherheit für Fußgänger, Radfahrer, Ältere und Menschen mit Behinderungen, sagte der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Sören Bartol. Es gehe bei dem Vorschlag zudem nur um das "nachgeordnete Verkehrsnetz", nicht um Hauptverkehrsstraßen. Die Koalition jedoch schüre Emotionen der Menschen, die das Auto für den täglichen Bedarf bräuchten.
Tempo 30 sei längst Realität in den Städten; in München gelte es auf mindestens 80 Prozent der Straßen, in Bremen auf 70 Prozent. Bei Tempo 30 halbiere sich der Bremsweg eines Autos, dies könne die Zahl der Verkehrstoten verringern. Bartol unterstrich, dass das Tempolimit nur da eingeführt werden solle, "wo die Bürger es vor Ort für richtig halten".
Auch der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Stephan Kühn, unterstrich, es gehe darum, Tempo 30 zur Regelgeschwindigkeit zu machen und nicht die Höchstgeschwindigkeit zu reduzieren. Ohnehin liege die Durchschnittsgeschwindigkeit in den Städten bei etwa 20 Kilometer pro Stunde.
Die Linke unterstützt die Forderung von SPD und Grünen. Herbert Behrens sagte, Tempo 30 sei "sicherer, leiser, sauberer" und schaffe "ein anderes Miteinander in den Städten und Dörfern". Experten hätten bestätigt, dass sich dadurch die Geräuschemissionen verringern würden. Dies steigere die "Wohnqualität". (suk)