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Wer vom Paul-Löbe-Haus ins Marie-Elisabeth-Lüders-Haus will, sollte keine Höhenangst haben. Denn die beiden Häuser werden von einer Brücke verbunden, die in luftiger Höhe einen eindrucksvollen Blick über das Parlamentsviertel bietet.
"Was, Sie trauen sich da wirklich rüber", fragt eine ältere Dame, die mit einer Besuchergruppe im Bundestag unterwegs ist. "Nee, also ich bleib lieber auf dieser Seite." Sie wirft durch ein großes Glasfenster im sechsten Stock des Paul-Löbe-Hauses einen skeptischen Blick auf die Brücke, die das Abgeordnetenhaus auf dieser Höhe mit dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus verbindet, und macht zügig kehrt in Richtung Aufzug.
Nicht alle von Höhenangst geplagten Abgeordneten und Mitarbeiter können sich dem Abenteuer der Spreeüberquerung in luftiger Höhe so nonchalant entziehen. Im Paul-Löbe-Haus sind viele Abgeordneten-Büros und eine Kantine untergebracht, im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus ein großer Anhörungssaal, die Bibliothek und die Parlamentarischen Dienste des Bundestages.
Wer auf kürzestem Wege vom einen zum anderen will, muss sich auf die "höhere Beamtenlaufbahn" wagen, wie der namenlose Steg aus Spannbeton im Bundestagsjargon genannt wird. Und wird mit einem eindrucksvollen Blick über das Parlamentsviertel belohnt. Gleich rechts, vom Paul-Löbe-Haus kommend, das Reichstagspräsidentenpalais, das von Paul Wallot, dem Architekten des Reichstagsgebäudes, entworfen und zwischen 1899 und 1904 erbaut wurde.
Der ehemalige Wohn- und Arbeitssitz der Reichstagspräsidenten in wilhelminischer Zeit, in dem heute die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft untergebracht ist, wurde in das 2002 fertiggestellte Jakob-Kaiser-Haus integriert. Der Parlamentsneubau zieht sich an der Spree entlang bis zur Marschallbrücke, die die Luisen- mit der Wilhelmstraße verbindet.
Linkerhand sieht man die S-Bahn vom Bahnhof Friedrichstraße zum Hauptbahnhof rattern, dahinter erhebt sich das Bettenhaus der Charité. Und am Ende der Brücke das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus mit der markanten runden Öffnung in der Betonfassade, hinter der sich der Sitzungssaal für öffentliche Anhörungen befindet.
Es ist ein idyllisches Bild, das sich beim "Sprung über die Spree" bietet – zumindest im Sommer bei schönem Wetter. Unten schippern Touristenboote ("links sehen Sie das Reichstagsgebäude, erbaut von …"), am Spreeufer lassen junge Menschen ihre Füße ins Wasser baumeln, Hobby- und Profimodels werfen sich vor der imposanten Freitreppe des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses in Pose oder wahlweise auf dem Marie-Elisabeth-Lüders-Steg, der als öffentlich zugängliche Brücke in sanftem Bogen die Spree überspannt.
Schwer vorzustellen, dass hier einmal die Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten verlief, auf ostdeutscher Seite schwer bewacht; die Kreuze am ehemals westdeutschen Spreeufer erinnern an die Opfer der Teilung. Der namenlose Steg über die Spree hat diese Namenlosigkeit eigentlich nicht verdient, denn er ist so viel mehr als nur eine höhere Beamtenlaufbahn: ein symbolträchtiger Ort, der Ost und West verbindet, und ein wesentlicher Bestandteil des "Bandes des Bundes", das am Bundeskanzleramt seinen Anfang nimmt und einmal bis zum Bahnhof Friedrichstraße reichen soll.
Manchmal ist die Brücke übrigens auch geschlossen, bei Eis oder starkem Wind. Dann bleibt den Parlamentariern nichts anderes übrig, als dem Beispiel der älteren Dame zu folgen: zurück zum Aufzug. (nal)