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Unter dem Eindruck der Pannen und Fehlgriffe bei den Ermittlungen zu der dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelasteten Mordserie dringen Regierungskoalition und Opposition im Bundestag auf weitere Strukturverbesserungen der Sicherheitsarchitektur in Deutschland. Auch Minister Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU) betonte am Donnerstag, 13. September 2012, in der ersten Lesung des Haushaltsentwurfs 2013 für das Bundesinnenministerium, die Sicherheitsarchitektur insgesamt müsse "in der Zukunft gestärkt sein". Man sei dabei, in einer Reform des Verfassungsschutzes "wesentliche Modernisierungsmaßnahmen umzusetzen", fügte der Ressortchef hinzu. Im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) werde man sich "auf den Bereich der gewaltgeneigten Organisationen und auf besonders gefährliche verfassungsfeindliche Tendenzen" konzentrieren. Auch müsse die Analysefähigkeit des BfV und des Verfassungsschutzverbundes insgesamt verbessert werden.
Die Erkenntnisse, die verschiedene Behörden haben, müssten allen zur Verfügung gestellt werden. "Die Konzeption für die Sicherheitsarchitektur in Deutschland muss heißen: arbeitsteiliges Herangehen der einzelnen Behörden, Kooperation dieser Behörden und Vernetzung der Behörden", unterstrich Friedrich.
Erfolgreiches Beispiel dafür sei die gemeinsame Terrorabwehr gegen den Islamismus, sagte Friedrich weiter. Auch das Ende vergangenen Jahres gegründete Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus, in dem Vertreter von Verfassungsschutz, Kriminalpolizei und Militärischem Abschirmdienst zusammenarbeiteten, lasse sich erfolgreich an. Er habe entschieden, dass es "in allen Phänomenbereichen, denen sich der Verfassungsschutz widmet, jetzt ein solches Abwehrzentrum als gemeinsames Sicherheitszentrum" geben solle. Man werde daher in all diesen Bereichen "diese Plattform der Kooperation" auf den Weg bringen. Dabei fänden die Vorbereitungen bereits statt.
Der Minister verwies zugleich darauf, dass seine Länderkollegen für eine Stärkung der "Zentralstellenfunktion" des BfV plädiert hätten. Für ihn sei klar, dass eine solche Stärkung auch eine Koordinierungsfunktion des BfV umfassen müsse.
SPD-Fraktionsvize Christine Lambrecht kritisierte, die Sicherheitsbehörden und insbesondere der Verfassungsschutz hätten bei der Beobachtung des NSU "derart krass versagt, dass das Vertrauen der Bürger verloren ist". Deshalb brauche man Verbesserungen der Sicherheitsstruktur.
Nicht geben dürfe es aber die Auflösung der Landesverfassungsschutzämter zugunsten einer Superbehörde des Bundes. Auch brauche man keine Aufteilung der Aufgaben, wonach der Bund für gewaltbereite Extremisten zuständig wäre und die Länder "für den Rest".
Der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland mahnte eine "Veränderung der Mentalität" bei den Sicherheitsbehörden an. Dies sei entscheidender als organisatorische Veränderungen.
"Das gegenseitige Abschotten muss aufhören, die Blockade untereinander, die Blockade zu Parlamentariern, die Blockade zwischen Verfassungsschutz und Polizei – das alles ist ein Problem der Abkapselung, ein Problem des Schmorens im eigenen Saft", sagte Wieland. Diese Behörden müssten neu aufgestellt werden und völlig andere Arbeitsstrukturen bekommen.
Für Die Linke sagte die Parlamentarierin Petra Pau, im "Zentrum des Sicherheitsversagen agierten das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz", die "im besten Fall die polizeilichen Ermittlungen nicht befördert" hätten. Deshalb bleibe Die Linke dabei, dass die Verfassungsschutzämter aufgelöst werden sollten. So könne die "unsägliche V-Leute-Praxis" sofort eingestellt werden. Ein zweiter Schritt wäre die "Entziehung der Geheimdienst-Befugnisse". Als dritten Schritt nannte Pau "die Umwandlung zu einer kompetenten Politikberatung".
Der FDP-Abgeordnete Hartfrid Wolff forderte, das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages zur Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes erheblich zu stärken. Es brauche "jederzeitigen Zugang zu allen Vorgängen, volle Akteneinsicht und auch einen ständigen Sonderermittler des Kontrollgremiums", der den Abgeordneten zuarbeitet.
Dem Vertrauensverlust insbesondere des Verfassungsschutzes in Bund und Ländern müsse durch eine gründliche Revision dieser Behörden selbst, aber auch der Strukturen und Zusammenarbeit entgegengetreten werden.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU), verwies auf das "Strukturproblem", dass es mit Landeskriminalämtern und Landesverfassungsschutzämtern sowie den entsprechenden Bundeseinrichtungen fast 40 Sicherheitsbehörden gebe, von denen jede vor sich hin arbeite. Dies sei nicht gut für die Sicherheit im Lande. Man solle gemeinsam die Strukturen verbessern.
Dabei halte er die Idee, "in den Ländern einen Vertreter des Bundes zu haben in den Behörden", für nicht schlecht. Dieser Vertreter wäre "das Bindeglied zwischen einer Landessicherheitsbehörde und einer Bundessicherheitsbehörde".
Nach dem Regierungsentwurf (17/10200, Einzelplan 06) umfasst der Haushalt des Bundesinnenministeriums im kommenden Jahr ein Ausgabevolumen von gut 5,84 Milliarden Euro und damit fast 355 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr, in dem Ausgaben in Höhe von 5,49 Milliarden Euro vorgesehen sind. Demgegenüber stehen im Entwurf 2013 Einnahmen in Höhe von knapp 406 Millionen Euro nach fast 416 Millionen Euro im Etat 2012.
Die Personalausgaben sollen laut Regierungsvorlage von für dieses Jahr veranschlagten gut 2,85 Milliarden Euro um rund 249 Millionen Euro auf mehr als 3,1 Milliarden Jahr in 2013 steigen. Die sächlichen Verwaltungsausgaben werden für das kommende Jahr mit rund 1,13 Milliarden Euro nach fast 1,08 Milliarden Euro in 2012 veranschlagt. Zuweisungen und Zuschüsse sollen den Angaben zufolge 2013 im Vergleich zum laufenden Jahr um gut 55 Millionen Euro auf mehr als 1,2 Milliarden Euro anwachsen, während die Ausgaben für Investitionen um mehr als vier Millionen Euro auf gut 534 Millionen Euro zurückgehen sollen.
Allein für die Bundespolizei sieht der Etatentwurf 2013 Gesamtausgaben in Höhe von fast 2,53 Milliarden Euro nach gut 2,4 Milliarden Euro im laufenden Jahr vor. Die Gesamtausgaben des Bundeskriminalamtes sollen laut Vorlage von gut 397 Millionen Euro in 2012 auf knapp 426,5 Millionen Euro im kommenden Jahr steigen und die des Bundesamtes für Verfassungsschutz von rund 189 Millionen Euro auf fast 207 Millionen Euro. (sto/13.09.2012)