Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv > Patientenrechte
Eine Erweiterung der Patientenrechte und deren Zusammenfassung in einem Gesetz wird grundsätzlich von vielen Experten befürwortet. In einer gemeinsamen öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit unter Vorsitz von Dr. Carola Reimann (SPD) und des Rechtsausschusses unter Vorsitz von Siegfried Kauder (CDU/CSU) am Montag, 22. Oktober 2012, gab eine große Zahl von Sachverständigen Einschätzungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (17/10488) sowie zu den Anträgen der Fraktionen der SPD (17/9061), Die Linke (17/6489) und Bündnis 90/Die Grünen (17/6348) ab.
In ihrer Mehrzahl lobten die Sachverständigen das Vorhaben der Koalition, die bislang in verschiedenen Gesetzesmaterien und im Richterrecht verstreuten Patientenrechte zusammenzufassen und nunmehr überwiegend im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), aber auch im Sozialgesetzbuch V (Gesetzliche Krankenversicherung) zu regeln.
So hält der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, das Gesetz für einen gelungenen Wurf. "Wir sehen diesen Gesetzentwurf ausgesprochen positiv", sagte Montgomery. Die Neuregelungen versetzten die Patienten in die Lage, ihre Rechte nicht nur leichter als bisher zu erkennen, sondern auch gegenüber Dritten durchzusetzen. Ähnlich argumentierte Elisabeth Fix vom Deutschen Caritasverband. Mit der Neuregelung könne sich der Patient künftig leichter kundig machen, welche Rechte er habe, erklärte sie.
Im Detail lagen die Auffassungen jedoch zum Teil weit auseinander. Umstritten war vor allem das Thema IGeL (Individuelle Gesundheitsleistungen). Gernot Kiefer vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-Spitzenverband) wies darauf hin, dass es sich bei den IGeL-Leistungen um einen dynamischen Markt handele, auf dem nur bedingt qualitätsgesicherte Leistungen angeboten würden. Für den Patienten stehe aber die vertragsärztliche Versorgung mit Kassenleistungen im Vordergrund, betonte Kiefer. Die beiden Leistungsarten dürften daher bei der Behandlung nicht vermischt werden.
Nach Kiefers Auffassung sollten zwischen dem Angebot und der Inanspruchnahme einer IGeL-Leistung mindestens 24 Stunden vergehen. BÄK-Präsident Montgomery tritt zwar ebenfalls dafür ein, IGel-Leistungen und GKV-Leistungen sachlich zu trennen. "Beide zusammen dürfen nicht in einem einheitlichen Behandlungsakt erfolgen", meinte Montgomery. Eine zeitliche Trennung, etwa durch eine 24-Stunden-Frist, hält Montgomery aber für unangemessen.
Susanne Mauersberg vom Verbraucherzentrale Bundesverband wies darauf hin, dass es zurzeit für die Patienten noch ausgesprochen schwierig sei, sich unabhängige Informationen über den therapeutischen Nutzen von IGeL-Leistungen zu verschaffen. Der sogenannte IGeL-Monitor, der vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) in Auftrag gegeben worden sei, sei gerade erst angelaufen. Oft sei der Patient in der Arztpraxis genötigt, sich "sofort zu entscheiden", ob er eine solche Leistung in Anspruch nehmen wolle, sagte Mauersberg.
Klaus Koch vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) stieß ins gleiche Horn: "Der Nutzen mancher Art von Krebsfrüherkennungsuntersuchung ist sehr umstritten oder sogar negativ." IGeL-Leistungen wie die Früherkennungsuntersuchung zum Prostatakrebs hätten zur Folge gehabt, dass sich seit den achtziger Jahren die Zahl der Prostatakrebsdiagnosen verdreifacht habe.
Thomas Rompf von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hält es für abwegig, dem Vorschlag der Linken zu folgen, dass der Patient darüber informiert werden muss, weshalb eine angebotene IGeL-Leistung nicht Bestandteil des Leistungskataloges der GKV ist. Darüber müssten "die Krankenkassen den Patienten informieren, aber nicht der Arzt", betonte Rompf. Denn im Rahmen der GKV bestehe zwischen Arzt und Patient keine direkte Vertragsbeziehung.
Volker Pickerodt vom Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte (VDÄÄ) hält einen Teil der IGeL-Leistungen, wie etwa Reiseschutzimpfungen, für sinnvoll. "Solche Maßnahmen sollten daher in den Leistungskatalog der GKV übernommen werden", meint Pickerodt. Bei anderen Leistungen sei eine Finanzierung durch die GKV hingegen nicht angemessen. Das Problem sei, dass zwischen beiden eine große Grauzone existiere. Nach Ansicht von Pickerodt könnte eine Abgrenzung durch die Festlegung von Mindeststandards für IGeL-Leistungen, wie etwa der ausdrückliche Wunsch des Patienten, bilden. (tvw/22.10.2012)