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Die deutsche Bauwirtschaft hat eine unterschiedliche Einstellung zu öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP). Damit wird die Mobilisierung privaten Kapitals und Fachwissens zur Erfüllung staatlicher Aufgaben bezeichnet. Während der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) ÖPP-Projekte "ausdrücklich" begrüßt, lehnt der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) ÖPP zumindest im Straßenbau in Form der bisherigen A-Modelle als mittelstandsfeindlich ab. Dies wurde am Mittwoch, 24. Oktober 2012, bei der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung unter Vorsitz von Dr. Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) zu den ÖPP deutlich, bei der es um zwei Anträge der Grünen (17/5258) und der SPD-Fraktion (17/9726) ging.
Einen neuen Infrastrukturkonsens fordert die SPD in ihrem Antrag. Die Bundesregierung solle eine Debatte über Anwendungsbereiche, Ausgestaltung, Chancen und Herausforderungen von öffentlich-privaten Partnerschaften anstoßen und dabei alle Beteiligten einbeziehen. Auch solle die Regierung ein Konzept öffentlich-privater Partnerschaften erarbeiten und klarstellen, in welchen Fällen der private Sektor bei öffentlichen Beschaffungsmaßnahmen eingebunden werden soll. Schließlich solle die Regierung das Haushalts- und Steuerrecht bei öffentlich-privaten Partnerschaften weiterentwickeln.
Die Grünen fordern die Bundesregierung auf, Vorschläge für die gesetzliche Regelung der Transparenz öffentlich-privater Partnerschaften bei Infrastrukturprojekten auf Bundesebene vorzulegen. Darin soll sichergestellt sein, dass Leistungsbeschreibungen und die zur Angebotsabgabe erforderlichen Dokumente sowie die abgeschlossenen Verträge bei Projekten in öffentlich-privater Partnerschaft vollständig zugänglich gemacht werden müssen. Auch die eingegangenen finanziellen Verpflichtungen sollen dem Antrag zufolge klar als Verschuldung der öffentlichen Hand transparent gemacht werden.
Für mehr Transparenz der Vergabeverfahren und der Ausschreibungs- und Vergabeergebnisse sprach sich bei der Anhörung auch Dr. Heiko Stiepelmann vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) aus. Deshalb habe sein Verband in diesem Bereich eine Transparenzoffensive gestartet, in der sich die Unternehmen der Bauindustrie zu einer grundsätzlichen Offenlegung von ÖPP-Verträgen bereit erklärt hätten.
Weiter zeigte er sich davon überzeugt, dass es sich für den Bund lohnen würde, über eine Ausweitung öffentlich privater Partnerschaften nachzudenken. Dies gelte besonders für den öffentlichen Hochbau, Baumaßnahmen für die Bundeswehr und den Verkehrswegebau zum Beispiel im Bereich der Schienenwege.
Während Felix Pakleppa (ZDB) ÖPP im Autobahnbau ablehnt, kann er sich dieses Modell im Hochbau als Alternative zur Fach- und Teillosvergabe vorstellen. Hierbei müssten jedoch die Projekte mittelstandsgerecht ausgestaltet werden. Er wies darauf hin, dass durch ÖPP nicht zusätzlich Investitionen in die Infrastruktur möglich werden, da der öffentliche Auftraggeber die höheren privaten Finanzierungskosten indirekt ebenfalls zu tragen hätte.
Bernward Kulle von der ÖPP Deutschland AG betonte, dass seit 2002 insgesamt 183 ÖPP-Projekte mit einem Investitionsvolumen von rund 7,2 Milliarden Euro im Hoch- und Tiefbau an private Unternehmen vergeben worden seien. Das seien zwei bis drei Prozent der gesamten Bauinvestitionen der öffentlichen Hand. Auch Kulle unterstützte ausdrücklich die Forderung nach mehr Transparenz bei öffentlich- privaten Partnerschaften.
Für Professor Torsten R. Böger von der Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungsgesellschaft (VIFG) sind ÖPP-Modelle im Bundesfernstraßenbau wirtschaftlich und erfolgreich. So seien bisher mehr als 300 Kilometer Autobahn sechsspurig ausgebaut worden. Die Verfügbarkeit dieser so ausgebauten Autobahnteilstücke sei langfristig durch entsprechende vertragliche Regelungen gesichert. Sogleich werde eine hohe Qualität der Bauausführung gewährleistet. Auch die Erfahrungen mit Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen seien positiv.
Ganz anders sieht dies Carl-Friedrich Waßmuth von "Gemeingut in Bürgerhand". ÖPP sei insgesamt ein Fehler, heißt es in seiner Stellungnahme. Die Nachteile ließen sich nicht durch etwas mehr Transparenz, etwas bessere Vertragsgestaltung, besseres Vertragsmanagement oder eine bessere Auswahl der Projekte beheben. Die zugrundeliegenden Mechanismen würden von der Privatwirtschaft "nicht ohne Grund" für sich selbst nicht angewendet. So würden Privatfirmen keinen 30-Jahres-Vertrag abschließen.
Der Bundesrechnungshof (BRH) wies auf das Risiko hin, dass ÖPP-Projekte oft stärker als alternative Finanzierungsmodelle eingesetzt werden könnten, wenn eine kreditfinanzierte konventionelle Umsetzung der Maßnahme eine gegen das Grundgesetz verstoßende Neuverschuldung zur Folge hätte. Für den BRH ist ÖPP eine Beschaffungsvariante und keine Finanzierungsvariante, sagte BRH-Vertreterin Romy Moebus.
Für Prof. Dr. Thorsten Beckers von der Technischen Universität Berlin ist ÖPP wirtschaftlich ineffizient. Dabei beklagte er methodische Defizite und Fehlanreize bei der Wirtschaftlichkeitsbeurteilung. ÖPP sei die Anwendung der "griechischen Finanzierung der Infrastruktur" in Deutschland, sagte er.
Prof. Dr. Thorsten Beckers, Technische Universität Berlin
Prof. Torsten R. Böger, Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft mbH (VIFG)
Romy Moebus, Bundesrechnungshof, Prüfungsgebiet V 3 Straßenbau I
Dietrich Klein, Landesfachkommission Straßenbauverwaltung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
Bernward Kulle, ÖPP Deutschland AG
Felix Pakleppa, Zentralverband Deutsches Baugewerbe e. V. (ZDB)
Dr. Heiko Stiepelmann, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. (HDB)
Carl-Friedrich Waßmuth, Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e. V.