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Vom 14. Bis 16 Oktober 2012 findet in Nikosia (Zypern) die 48. COSAC-Tagung statt. Zur deutschen Delegation gehört die FDP-Obfrau im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union, Gabriele Molitor. Im Interview plädiert sie für die Direktwahl des Europäischen Kommissionpräsidenten, um die EU den Menschen näherzubringen. Was die Zukunft Griechenlands angeht, so sieht sie die dortige Regierung in der Pflicht: "Die griechische Regierung weiß, dass das Land nur dann eine Zukunft im Euro hat, wenn die angekündigten Reformen auch umgesetzt werden." Das Interview im Wortlaut:
Frau Molitor, was ist eigentlich die Aufgabe der COSAC?
In der COSAC treffen sich die Mitglieder der jeweiligen EU-Ausschüsse der nationalen Parlamente sowie Mitglieder des Europäischen Parlaments. Man könnte also sagen, es ist ein EU-Ausschuss auf EU-Ebene, in dem die für die EU und für die einzelnen Mitgliedsländer wichtigen Themen besprochen werden. Ziel ist es, die Kommunikation und die Koordination zwischen den Parlamentariern der Mitgliedsländer zu verbessern. Bei vielen komplexen Themen ist es unbedingt notwendig, nicht nur auf Ebene der Regierungschefs und Minister die Meinungen der anderen EU-Mitglieder zu kennen. Es geht darum, auch auf Seiten der Parlamente, Konzepte und Positionen zu erarbeiten, die dann auf EU-Ebene oder in den einzelnen Mitgliedstaaten umgesetzt werden.
Bei der Tagung vom 14. bis 16. Oktober in Zypern steht unter anderem das Thema Energieversorgungssicherheit auf der Tagesordnung. Gibt es Grund zur Sorge? Könnte Europa der Strom ausgehen?
Aktuell sehe ich keine unmittelbaren Gefahren für die europäische Stromversorgung. Doch sollten wir für den Fall vorbereitet sein, wenn sich beispielweise beim Gastransit von Russland über die Ukraine Probleme ergeben sollten. Deshalb ist es so wichtig, dass wir mit alternativen Transitrouten wie der North-and-South-Stream-Pipeline mittelfristig unabhängiger von Transitländern werden. Darüber hinaus stehen Europa und Deutschland auch weiterhin vor der enormen Herausforderung, einen stabilen Energiemix zu erreichen, der unsere Energieversorgung sichert. Wir Deutschen setzen dabei vor allem auf den Ausbau regenerativer Energien. In Frankreich und anderen EU-Mitgliedsländern wird hingegen nach wie vor auf Nuklearenergie gesetzt. Wenn wir uns in Zypern auch auf europäischer Ebene über eine gemeinsame Vorgehensweise zur Energiesicherung und zum Klimaschutz abstimmen, ist das sehr sinnvoll.
Einen weiteren Themenpunkt benennt die Tagesordnung mit "Handeln statt Reden: ,Mehr Europa’ Realität werden lassen". Zurzeit verbinden viele Menschen aber Europa mit Krise, drohenden Staatspleiten und Inflationsgefahr. Eine gemeinsame Währung allein scheint nicht genug, um "Mehr Europa" zu erreichen. Was muss passieren, abseits der Wirtschafts- und Währungsunion?
Grundsätzlich muss es mehr darum gehen, den Menschen die immensen Vorteile eines geeinten und friedlichen Europas näherzubringen. Das Thema "Eurorettung" dominiert zurzeit. Leider tritt deshalb das, was wir der Europäischen Union zu verdanken haben – nämlich 60 Jahre Frieden, Wohlstand und Freiheit für Europa und Deutschland in den Hintergrund. Doch wäre Deutschland ohne seine europäischen (Handels-)Partner und ohne den europäischen Binnenmarkt in der globalisierten Welt nicht die erfolgreichste Volkswirtschaft des Kontinents. Wenn wir den Menschen diese Errungenschaften wieder ins Gedächtnis rufen können, wenn wir durch eine neu geordnete Wirtschafts- und Währungsunion mehr Stabilität und Vertrauen in das "Haus Europa" erreichen und wenn wir die demokratische Beteiligung in Europa zum Beispiel durch die Direktwahl eines europäischen Kommissionspräsidenten erhöhen würden, wird die EU auch noch mehr zum Projekt der Menschen werden.
Auch die Euro-Stabilisierung wird natürlich eine Rolle spielen. Durch den dauerhaften Rettungsschirm ESM hat sich die Lage für Italien und Irland entspannt. Sie bekommen nun wieder Kredite zu akzeptablen Bedingungen. Ist die Krise damit beendet, oder ist der Zusammenbruch der Eurozone nur aufgeschoben?
Weder noch. Vielmehr zeigen die wieder gesunkenen Zinsen erfreulicherweise, dass die deutsche und europäische Politik der vielen kleinen Schritte weg von Haushaltsdefiziten und verkrusteten Strukturen hin zu einem Ende der Schuldenpolitik und zu notwendigen Reformen langsam Erfolge zeigt: Diejenigen Länder, die die notwendigen Reformen angehen, haben wieder Erfolg am Markt und erobern sich das Vertrauen der Investoren zurück. Dabei sind wir noch längst nicht am Ziel. Die Wirtschafts- und Währungsunion muss endlich zu einem Hort der Stabilität werden, wie ihn sich ihre Gründungsväter erhofft hatten. Die Ratifizierung des Fiskalpakts und seiner Schuldenbremsen durch die EU-Mitglieder zeigt hierfür den richtigen Weg. In Zukunft werden Schuldenhaushalte somit hoffentlich der Vergangenheit angehören. Wenn wir hier erfolgreich sind, werden wir mittelfristig auch die Krise vollständig überwinden und stärker als je zuvor sein.
Was passiert, wenn neben Spanien – wie angekündigt – eventuell auch Italien kurzfristig unter den Rettungsschirm muss?
Eine akute Gefahr hierfür sehe ich im Moment nicht. Auch Spanien ist nicht komplett unter den Rettungsschirm "geschlüpft", sondern es hat Kredite für sein angeschlagenes Banken- und Finanzwesen erhalten. Das Ziel Spaniens ist es, diesen Sektor zu reformieren und zu stabilisieren, um wieder Wirtschaftswachstum zu erzeugen und Arbeitsplätze zu schaffen. Auch wenn Spanien noch einen schwierigen Weg bei der Umsetzung notwendiger Reformen und vor allem bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu gehen hat, so zeigen die positiven Marktbewertungen, dass die Spanier auf dem richtigen Weg sind. Ähnlich verhält es sich mit Italien, das Dank seiner starken Industrie und dem Reformwillen seines Ministerpräsidenten Monti ebenfalls die richtigen Weichen gestellt hat.
In Griechenland ist derzeit die Troika aus Vertretern der EU, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) damit beschäftigt, zu prüfen, ob die Sparvorlagen erfüllt werden. Gleichzeitig hat sich die EU-Kommission dem Vernehmen nach aber schon jetzt für die Auszahlung der nächsten Hilfstranche in Höhe von 31 Milliarden Euro ausgesprochen. Wurde hier nur unglücklich kommuniziert? Oder ist es in der Tat egal, was die griechische Regierung tut, weil das Land unbedingt im Euro gehalten werden soll?
Zunächst beteilige ich mich nicht an derartigen Spekulationen. Selbstverständlich ist es nicht egal, was die griechische Regierung tut. Sicher ist, dass in Griechenland und auch im restlichen Europa die Politik hemmungsloser Schuldenmacherei ein Ende haben muss. Die griechische Regierung weiß, dass das Land nur dann eine Zukunft im Euro hat, wenn die angekündigten Reformen auch umgesetzt werden. Das geschieht nicht aus einem vermeintlichen Willen heraus, das Land im Euro halten zu wollen, sondern vor dem Hintergrund, dass sonst ein für Griechenland unkalkulierbarer Zusammenbruch seiner Wirtschaft drohen würde. Weder die Europäische Kommission noch die anderen EU- oder Eurozone-Mitglieder haben über einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone zu entscheiden. Es ist allein Sache der griechischen Regierung und der Griechen selbst, ob sie heute genug Reformwillen aufbringen, um in Zukunft den Euro behalten zu können. Außerdem heißt ein Austritt einzelner Mitgliedsländer noch lange nicht, dass damit alle Probleme gelöst sind.
Die Bundeskanzlerin spricht sich ja nach wie vor – ebenso wie ihr Ausschussvorsitzender Gunther Krichbaum – deutlich gegen einen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro aus. Wie ist Ihre Haltung?
Wie bereits erwähnt, erwarte ich von Griechenland – wie auch von allen anderen Eurozone-Mitgliedern – das notwendige Verantwortungsbewusstsein, um Ankündigungen auch Taten folgen zu lassen. In diesem Sinne hoffe ich, dass Griechenland mit Hilfe seiner europäischen und internationalen Partner notwendige Reformen umsetzt, das Land neu ausrichtet und einer Schuldenpolitik den Rücken kehrt. Wenn dies der Fall ist, wird es auch für Griechenland eine Zukunft in der Eurozone geben.
(hau/08.10.2012)