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Größer könnten die Gegensätze nicht sein. Im Süden eine junge, aber dennoch stabile Demokratie verbunden mit einer dynamischen Wirtschaft. Im Norden Personenkult, Mangelernährung und totale Abschottung. "Korea ist ein geteiltes Land, aber anders als es Deutschland einst war", sagt Stefan Müller. Der CSU-Abgeordnete kann sich ein solches Urteil erlauben. Als Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe war er im Oktober 2012 in Süd-, aber auch in Nordkorea unterwegs.
"Man kann die Situation damals in Deutschland und heute in Korea aus meiner Sicht nur sehr eingeschränkt miteinander vergleichen", sagt er. Während die Menschen im Osten Deutschlands gewusst hätten, was im Westen los war, sei das in Nordkorea nicht der Fall. "Die Menschen dort sind völlig abgeschottet und haben überhaupt keine Vorstellung davon, wie es im Süden aussieht", sagt Müller und schüttelt verständnislos den Kopf.
Doch genau dieser Gegensatz macht die Arbeit in der Parlamentariergruppe "politisch interessant", findet der Abgeordnete. Den Vorsitz hat er von seinem Fraktionskollegen, dem CSU-Abgeordneten Hartmut Koschyk übernommen, der diesen lange inne hatte, aber seit 2009 Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium ist. "Ich war schon vorher in der Gruppe und wurde dann gefragt, ob ich den Vorsitz übernehmen möchte."
Müller sagte ja, auch weil sein Wahlkreis Erlangen gute Beziehungen zu Südkorea pflegt. "Da ist zum einen ein wirtschaftlicher Bezug. Die IHK von Mittelfranken pflegt intensive Kontakte nach Südkorea. Und die Uni Erlangen-Nürnberg hat seit zwei Jahren eine Niederlassung im südkoreanischen Busan."
Grundsätzliches Ziel aller Parlamentariergruppen, so erläutert Müller, sei es, Kontakte zu den Parlamentariern der jeweiligen Länder zu pflegen. Im Falle Koreas war das lange nur Südkorea. Erst nachdem Deutschland vor elf Jahren diplomatische Beziehungen zu Nordkorea aufgenommen hat, sei in der Gruppe entschieden worden, Kontakt zu den "Parlamentariern" in Nordkorea zu suchen, "wobei die Oberste Volksversammlung natürlich nicht mit dem Bundestag zu vergleichen ist", wie Müller deutlich macht.
Eher schon mit der Volkskammer in der ehemaligen DDR: "Die Mitglieder sind fast alle von der gleichen Partei. Außerdem tagt die Oberste Volksversammlung nur ein- oder zweimal im Jahr, was dann mehrere Tage dauert." Zwischendurch kümmere sich ein Präsidium um die laufenden Geschäfte. "Insofern kann man die parlamentarische Arbeit nicht mit der vergleichen, die wir kennen", lautet Müllers Fazit.
Anders in Südkorea. Das sei eine junge Demokratie, die sehr nach dem Vorbild der USA gestaltet sei, sagt er. "Mit einem starken Präsidenten, aber auch selbstbewussten Parlamentariern", wie Müller betont. Die Delegation der Parlamentariergruppe, zu der während der Reise vom 4. bis 14. Oktober 2012 neben ihm als Vorsitzendem auch noch Katharina Landgraf (CDU/CSU), Johannes Pflug, Dr. Marlies Volkmer (beide SPD), Dr. Bijan Djir-Sarai (FDP), Dr. Barbara Höll (Die Linke) und Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) gehörten, habe mit den dortigen Abgeordneten "gute Gespräch geführt", sagt Müller "Südkorea ist schon mit den europäischen Demokratien vergleichbar", findet er.
Wie aber gehen die Menschen im Süden mit der permanenten Bedrohung aus dem Norden um? Es sei nicht so, dass die Menschen dort ständig in Angst leben, sagt Stefan Müller. Dafür halte die Situation schon zu lange an. "Aber es ist sicher im Unterbewusstsein verankert." Nur 50 Kilometer sind es von Seoul bis zur Grenze. Nordkoreanische Raketen könnten also jederzeit die Hauptstadt Südkoreas erreichen. "Die Menschen leben nach wie vor in einem Kriegszustand, nur das derzeit Waffenstillstand herrscht", beschreibt der Unionsabgeordnete die Situation.
Anzeichen für einen "nordkoreanischen Frühling" kann Müller derzeit nicht erkennen. "Es existiert in Nordkorea keine Zivilgesellschaft, die für einen Umschwung sorgen könnte", sagt er. Dazu kommt noch, dass – anders als in den Ländern Nordafrikas – in Nordkorea "Internet, wie wir es kennen", nicht verfügbar sei.
Es gebe allenfalls so eine Art inländisches Intranet, sagt er. Gleiches gelte für das Handynetz. Sämtliche Medien wie Zeitungen, Fernsehen und Hörfunk seien in staatlicher Hand. Reisefreiheit gebe es weder im Land selbst und erst recht nicht ins Ausland. "Dieses Land ist abgeschottet und isoliert, wie man es sich im 21. Jahrhundert eigentlich nicht vorstellen kann", fasst Müller zusammen.
Aus seiner Sicht spricht also derzeit nichts für eine baldige Wiedervereinigung von Norden und Süden. Und dennoch: In fast allen Gesprächen im Süden sei man irgendwann auf die in Deutschland gelungene Überwindung der Teilung gekommen, sagt er. "Die Südkoreaner möchten eben von uns Deutschen lernen, wie man so eine Wiedervereinigung organisiert." (hau/29.10.2012)