Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv > Regierungsbefragung
Leibliche Väter sollen ein Umgangsrecht mit ihrem Kind erhalten können – auch wenn es von einem anderen rechtlich als Vater anerkannten Mann großgezogen wird. Dieser Beschluss, den das Bundeskabinett getroffen hat, stand im Mittelpunkt der 30-minütigen Regierungsbefragung im Plenum am Mittwoch, 17.Oktober 2012. "Wir stärken damit die Rechte des biologischen, aber nicht rechtlichen Vaters", erklärte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die den entsprechenden Gesetzentwurf im Bundestag vorstellte.
Auslöser für die Neuregelung seien zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus den Jahren 2010 und 2011 gewesen, so die Ministerin. Der EuGH habe darin festgestellt, dass das bislang geltende Recht nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention konform sei. Ziel des nun vorgelegten Gesetzentwurfs sei es, den biologischen Vätern Möglichkeiten zum Umgang mit ihrem Kind geben – auch gegen den Willen der Mutter.
Voraussetzung jedoch: "Es muss dem Kindeswohl dienen", betonte die FDP-Politikerin. Entscheidend, dass dem biologischen Vater Umgangs- und Auskunftsrechte zustehen, solle künftig das "nachhaltige Interesse" an Kontakt und Beziehung zu dem Kind sein, so Leutheusser-Schnarrenberger weiter.
Auskunft und Umgang soll er aber nur dann bekommen, "wenn es dem Wohl des Kindes nicht widerspricht". Eine Neuerung, denn bislang galt es als Voraussetzung für ein Umgangsrecht, dass der biologische Vater bereits eine Beziehung zu dem Kind aufgebaut hatte. "Hat die Mutter aber den Kontakt verhindert, so war ein Antrag auf Umgang bislang aussichtslos", erklärte die Ministerin.
Die Neuregelung gelte aber nur für familiäre Situationen, in denen es bereits einen "rechtlichen Vater" gibt, also einen Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat – unabhängig von der tatsächlichen biologischen Herkunft des Kindes. Möchte ein Mann, dessen leibliche Vaterschaft nicht feststeht, künftig Umgangsrecht mit einem Kind haben, muss er zunächst die biologische Vaterschaft feststellen lassen.
Sonja Steffen (SPD) fragte nach dem Schutz der "gewachsenen" Familie: "Bisher gibt es schon im Anfechtungsrecht Regelungen, die den Rechten und Beziehungen in der sozialen Familie Rechnung tragen. Ist im Gesetzentwurf zum Umgangsrecht auch beabsichtigt, der sozialen Familie mehr Bedeutung beizumessen?"
Die Justizministerin betonte daraufhin, dass es ihr mit dem Gesetzentwurf nicht darum gehe, dem biologischen Vater zusätzlich ein neues Anfechtungsrecht zu geben. "Das würde in eine intakte Familie zu stark eingreifen."
Mechthild Dyckmans (FDP) wollte wissen, wie zu verfahren sei, wenn die leibliche Vaterschaft noch nicht eindeutig geklärt ist. "Können die rechtlichen Eltern verhindern, dass diese festgestellt wird?"
Leutheusser-Schnarrenberger verneinte dies: "Wenn ein Vater Kontakt hat und Rechte beansprucht, die Mutter diese bestreitet, dann muss er erklären, dass er der Mutter beigewohnt hat. Das ist Voraussetzung für einen Antrag."
Ingrid Hönlinger (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte, der Gesetzentwurf enthalte einige unbestimmte Rechtsbegriffe. "Können Sie mit Beispielen erläutern, was wir etwa unter einem nachhaltigen Interesse des Vaters zu verstehen haben?", fragte die Abgeordnete. Die Ministerin erklärte, das "nachhaltige Interesse" eines biologischen Vaters könne natürlich nicht letztlich beurteilt werden, doch gebe es dafür Anhaltspunkte.
"Es kann sein, dass der Vater über einen Zeitraum hinweg regelmäßig Kontakt hatte, sich immer wieder bemüht hat, Kontakt aufzunehmen oder Informationen über das Kind und seine Situation zu erfragen. Es kann auch sein, dass der Vater zum Zeitpunkt der Geburt da war und Hilfestellung angeboten hat." Das Interesse des Vaters festzustellen, sei letztlich Aufgabe der Gerichte, so die Ministerin. Ziel sei es eine Regelung zu finden, die dem Kindeswohl diene.
Dieses fand jedoch Jörn Wunderlich (Die Linke) noch nicht genügend deutlich im Gesetzentwurf formuliert: "Es gibt so viele unbestimmte Begriffe, der des Kindeswohls kommt sehr spät. Müsste er nicht doch mehr in den Mittelpunkt gerückt werden?"
Leutheusser-Schnarrenberger unterstrich, dass der Gesetzentwurf bewusst die Frage, ob das Umgangsrecht des Vaters dem Wohl des Kindes dient, im Einzelfall den Gerichten überlasse. "Das Gericht bekommt die Prüfungs- und Entscheidungsmöglichkeit." Die Entscheidung darüber, ob ein Antrag zulässig sei, solle verhindern, dass Anträge "nur so ins Blaue" gestellt werden.
Ewa Klamt (CDU/CSU) wollte hingegen wissen, wie das Umgangsrecht geregelt wird, wenn beispielsweise ein kleines Kind betroffen ist: "Soll es dann Umgangsrecht in Begleitung geben?"
Die Ministerin antwortete, dass der Entwurf in dieser Frage keine Ausformulierung enthalte. "Es wird dann aber die gleichen Ausgestaltungsmöglichkeiten geben, die wir schon aus dem Umgangsrecht kennen." (sas/17.10.2012)