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Die haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen außeruniversitärer Wissenschaftseinrichtungen werden flexibilisiert. Der Bundestag verabschiedete am Donnerstag, 18. Oktober 2012, mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen das von der Bundesregierung vorgelegte Wissenschaftsfreiheitsgesetz (17/10037, 17/10123) in der durch den Forschungsausschuss geänderten Fassung (17/11046). Während sich SPD- und Grünen-Fraktion bei der Abstimmung enthielten, lehnte die Linksfraktion die Vorlage ab. Ein von der Linksfraktion vorgelegter Entschließungsantrag (17/11064) fand keine Mehrheit. Durch die Neuregelung sollen die Grundlagen für eine größtmögliche Autonomie der Einrichtungen in den Bereichen Haushalt, Personal, Beteiligungen und Bauverfahren geschaffen und auch ein Beitrag zur Entbürokratisierung geleistet werden.
Bundesforschungsministerin Prof. Dr. Annette Schavan (CDU) lobte das Gesetz als Beitrag zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Forschungseinrichtungen. Der Gesetzentwurf habe "ungeteilten Zuspruch durch die Wissenschaft und über die Fraktionsgrenzen hinweg einen breiten politischen Konsens gefunden".
Schavan verwies auf die drei Säulen des Gesetzes: Autonomie, Eigenverantwortung und Transparenz. Die Einrichtungen müssten selber entscheiden können und kurzfristig auch neue Wege einschlagen dürfen, betonte sie. Was die Eigenverantwortung angeht, so habe die Pilotphase gezeigt, dass "maßvoll und verantwortungsvoll" mit der Selbstständigkeit umgegangen werde, sagte die Ministerin.
Etwas zurückhaltender bewertete Rene Röspel (SPD) das Gesetz. "Der Titel ,Wissenschaftsfreiheitsgesetz‘ ist zu hoch gehängt", befand er. Mit dem Gesetz werde "nur ein Bein gestärkt". Nach wie vor Sorgen mache aber die universitäre Forschung. "Mit nur einem Bein läuft man aber im Kreis", sagte der SPD-Abgeordnete. Gut, so Röspel, seien die Regelungen der Deckungsfähigkeit und Überjährigkeit. Nicht abgerufene Sachmittel könnten so etwa für eine zusätzliche Professorenstelle umgewandelt werden.
Nicht gut sei allerdings, dass auch der umgekehrte Weg, nämlich die Umwandlung von Personalmitteln in Sachmittel, etwa für Bauprojekte, möglich sei. Daher plädiere seine Fraktion für ein besseres Steuerungs- und Kontrollsystem. Das Parlament müsse dabei einbezogen werden, denn: "Wir müssen vor den Bürgern Rechenschaft über die Verwendung der Mittel leisten."
Mit dem Gesetz werde die Grundlagenforschung, die oft keine Lobby habe, gestärkt, befand Dr. Peter Röhlinger (FDP). Zudem werde ein Zeichen für Verlässlichkeit, Dauerhaftigkeit, aber auch Vertrauen gesetzt. Bei Gesprächen mit solchen Forschungseinrichtungen habe er immer gehört, es fehle nicht an Geld, doch wolle man nicht so gegängelt werden.
Dass das Gesetz im Ausschuss verändert worden sei, begrüßte Röhlinger. Die Koalition sei der Opposition dabei "sehr weit entgegengekommen". Dabei habe man sich darauf verständigt, dass neben den neun von der Bundesregierung in der Vorlage aufgeführten Einrichtungen mit der Humboldt-Stiftung und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) zwei weitere in das Gesetz aufgenommen werden.
Von "Hochstapelei" sprach Dr. Petra Sitte (Die Linke). Man hätte das Gesetz ehrlicherweise "Wissenschaftsmanagementgesetz" nennen sollen, sagte sie. Die Wissenschaftsfreiheit, so ihre Befürchtung, werde durch die Neuregelung eher verlieren. Der Bundesrechnungshof habe sich zudem zu der Vorlage "kritisch bis ablehnend zu Wort gemeldet", was aber ignoriert worden sei.
Gefordert worden seien klarere Regeln und Gehaltsobergrenzen. Die Bundesregierung habe sich aber zu einem "Rückzug aus der politischen Verantwortung" entschlossen. Zu kritisieren sei außerdem, dass die Regelungen nur für Spitzenwissenschaftler gelten sollen, sagte Sitte. "Die anderen Beschäftigten der Einrichtungen werden dabei ausgeschlossen", bemängelte sie.
Auch Krista Sager (Bündnis 90/Die Grünen) übte Kritik an der Neuregelung. So sei offen geblieben, mit welchen Instrumenten die Leistungen der Einrichtungen gemessen werden sollten. "Die Bundesregierung hat da ihre Hausaufgaben nicht gemacht", urteilte Sager. Die an die betroffenen Einrichtungen zu verteilenden 4,6 Milliarden Euro seien schließlich "keine Peanuts". Daher dürfe bei der Kontrolle das Parlament nicht außen vor bleiben.
Ebenso wie ihre Vorrednerin kritisierte sich, dass sich die Verbesserungen nur auf die Spitzenforscher beziehen würden. Wenn man mit solchen Summen hantier, brauche man auch Spitzenkräfte in der Verwaltung, mahnte Sager an. Besser wäre es aus ihrer Sicht ohnehin gewesen, das Gesetz hätte Regelungen für das gesamte Personal enthalten.
Mehr Freiheit heißt auch mehr Verantwortung, sagte Albert Rupprecht (CDU/CSU). Man erwarte von den Einrichtungen, dass über die erzielten Leistungen berichtet werde. Es wäre aus seiner Sicht aber falsch gewesen, "jetzt schon ein detailliertes Berichtssystem gesetzlich festzuschreiben". Vielmehr müsse das "ab jetzt" im Dialog mit den Einrichtungen entwickelt werden.
Rupprecht wehrte sich gegen Kritik an dem Gesetz. Man solle es "nicht kleinreden", verlangte er. Der Linksfraktion warf er vor, die Dimension nicht verstanden zu haben. Mit dem Gesetz werde eine Welle angestoßen, "die letztendlich auch vor den Hochschulen nicht haltmachen wird", zeigte sich Rupprecht optimistisch. (hau/18.10.2012)