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Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel (17/11631) wird von der Opposition als unzureichend abgelehnt. Das wurde während der ersten Lesung der Vorlage am Freitag, 30. November 2012, deutlich. Der auf extrem schnelle Computer gestützte algorithmische Hochfrequenzhandel zeichnet sich dadurch aus, dass Kauf- und Verkaufssignale in sehr kurzen Abständen von teilweise nur einigen Sekundenbruchteilen erfolgen und die Finanzprodukte nur für extrem kurze Zeiträume gehalten werden. Mit dem Gesetz erreiche man keine Einschränkung des Hochfrequenzhandels, der keinen volkswirtschaftlichen Nutzen habe, kritisierte Dr. Carsten Sieling (SPD). Der Entwurf enthalte nichts, was es nicht in den Börsenregelungen schon gebe, sagte Richard Pitterle (Die Linke). Dr. Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen) bemängelte, dass in dem Entwurf ein "Tempolimit" fehle.
Mit dem Gesetz werde "Transparenz und Sicherheit am Markt geschaffen", befand hingegen Bettina Kudla (CSU/CSU). Björn Sänger (FDP) warnte davor, die positiven Seiten des algorithmischen Handels auszublenden. Von einem "wichtigen Meilenstein des Masterplans der Bundesregierung bei der Regulierung der Finanzmärkte" sprach Hartmut Koschyk (CSU), Parlamentarischer Staatssekretär in Bundesfinanzministerium.
Mit diesem Gesetzentwurf schreite die Bundesregierung abermals in Europa voran und leiste einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Finanzmärkte, sagte Koschyk. Dies habe man bereits beim Verbot von Leerverkäufen, der Bankenabgabe und auch der Finanztransaktionssteuer getan.
Der Staatssekretär machte deutlich, dass der Einsatz der computergestützten Hochfrequenzhandelsstrategien eine Vielzahl von Risiken und Gefahren für die Stabilität der Märkte in sich berge. "Eindrucksvoll dokumentiert" worden sei dies durch den "Flash Crash" vom Mai 2010, als es zu "extremen Kursbewegungen ohne jeglichen Bezug zu realwirtschaftlichen Entwicklungen" gekommen sei.
Zu den geplanten Änderungen zähle auch die "Zulassungspflicht für bislang nicht regulierte Hochfrequenzhändler", sagte der FDP-Abgeordnete Björn Sänger. Zudem müssten laut Gesetz, die in dem Marktsegment tätigen Wertpapierdienstleister und Fondsgesellschaften ihre Handelssysteme künftig so ausgestalten, dass Störungen des "normalen Handels" unterbleiben.
Ein weiteres Ziel sei mehr Transparenz. "Wer am Markt handelt, muss sagen, wer er ist", sagte Sänger. Schließlich solle es auch möglich sein, marktmissbräuchliche Strategien zu verbieten. Mit dem Gesetz, so der FDP-Politiker weiter, solle der Bereich reguliert und die Abwanderung verhindert werden. Sein Fazit: "Dieses Gesetz ist ein weiterer Beitrag der Bundesregierung zur Stabilisierung der Finanzmärkte."
Der Hochfrequenzhandel mache 40 Prozent der Umsätze des Börsenhandels in Europa aus, sagte Bettina Kudla (CDU/CSU). Die extrem hohe Geschwindigkeit führe zu vielen Verwerfungen, räumte sie ein. Aber: "Ein generelles Verbot lehne ich ab", sagte Kudla.
Es gebe schließlich nicht nur den einen Hochfrequenzhandel, sondern verschiedene Handelsstrategien. Die meisten davon leisteten einen positiven Beitrag zum Marktgeschehen, etwa wenn es um die Bereitstellung von Liquidität gehe.
Es entstehe lediglich eine "Pseudoliquidität", die für realwirtschaftliche Investitionen keinen Mehrwert schaffe, entgegnete der Grünen-Abgeordnete Gerhard Schick. Stattdessen werde der Realwirtschaft ein Schaden zugefügt, weil "irrrationale Preisausschläge stattfinden können". Kein Verständnis zeigte Schick auch für den Zeitpunkt der Vorlage des Entwurfs. Anders als von Staatssekretär Koschyk dargestellt sei man eben kein Impulsgeber.
Der Impuls sei durch die Entwicklungen im Europäischen Parlament schon da. "Es wäre sinnvoller, wenn sich der Deutsche Bundestag mit Energie in die europäische Debatte einbringt", sagte der Grünen-Abgeordnete. Bringe man dennoch ein eigenes Gesetz auf den Weg, müsse darin auch ein "Tempolimit" enthalten sein.
Auch Carsten Sieling (SPD) kritisierte den Finanzstaatssekretär. Zu sagen, die Bundesregierung treibe die Finanztransaktionssteuer an, sei ein Märchen. "Wir haben Sie zum Jagen tragen müssen", sagte Sieling an Koschyk gewandt. Mit dem vorgelegten Gesetz, so der SPD-Abgeordnete weiter, werde lediglich Sand in die Augen gestreut.
Auf diesem Wege werde man nicht zu einer Einschränkung des Hochfrequenzhandels kommen, kritisierte Sieling. "Dafür braucht es den Mut, Geschäfte, die schädlich sind, abzuschalten" befand er. Unbedingt erforderlich seien Mindesthaltefristen für die erworbenen Anlagen, die in dem Entwurf jedoch fehlten. Das Europäische Parlament, so Sieling, votiere für eine Mindestfrist von einer halben Sekunde.
Ziel der Händler beim Hochfrequenzhandel seien Preismanipulationen zu Ungunsten anderer Marktteilnehmer, sagte Richard Pitterle (Die Linke). "Das muss beendet werden", forderte er. Mit der Realwirtschaft habe ein solches Geschäftsmodell nichts zu tun.
Das Gesetz, so Pitterle, enthalte nichts Neues oder Überraschendes. Dass es dennoch auf den Weg gebracht werde zeige, dass die Bundesregierung unter dem Druck der Öffentlichkeit stehe, die Maßnahmen gegen die Spekulation verlange. "Vor einer echten Regulierung schrecken sie aber zurück", urteilte der Linken-Abgeordnete.
Der Gesetzentwurf wurde im Anschluss an die Debatte zur federführenden Beratung in den Finanzausschuss überwiesen. (hau/30.11.2012)