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Weiblich, jung, erfolgreich: Diana Golze (Die Linke) ist eine der wenigen unter 40-jährigen Ostdeutschen im Parlament. Aufgewachsen im brandenburgischen Angermünde, tritt die 37-jährige Sozialpädagogin heute als kinder- und jugendpolitische Sprecherin ihrer Fraktion und Vorsitzende der Kinderkommission des Bundestages besonders für die Belange der Jüngsten in der Gesellschaft ein.
Die Botschaft ist unmissverständlich: "Kinderarmut" steht auf einem weißen Schild, direkt neben dem Schreibtisch in ihrem Büro. "Stopp" auf dem zweiten, roten Verkehrsschild darunter. "Das habe ich von Kollegen aus Nordrhein-Westfalen geschenkt bekommen, direkt nach der öffentlichen Anhörung zum Thema Kinderarmut in der Kinderkommission – der allerersten übrigens, die im Bundestag zu diesem Thema stattgefunden hat", erklärt Diana Golze stolz.
Gerade ist sie hereingeeilt, Smartphone und Tasche fest in der Hand. "Die Verspätung tut mir leid, aber wenn ein Termin verspätet beginnt, dann ist man den Rest des Tages immer zu spät." Groß, schmal, die hennaroten Haare streng zurückgekämmt und hochgesteckt, schält sie sich aus ihrem Mantel, hängt das Handy an die Ladestation und nimmt am Besprechungstisch Platz.
Ist sie auch dieses Mal zu spät – auf ihrem Weg in die Politik jedenfalls scheint die junge Frau, die 1975 in Schwedt an der Oder geboren wurde, meist genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein. Als die DDR zusammenbricht und mit ihr ein Großteil ihrer bis zu diesem Zeitpunkt "behüteten Welt", ist sie 13 Jahre alt.
Für Golze, die damals noch ihren Geburtsnamen Gnorski trägt, eine einschneidende Erfahrung: Die Mutter, mit der sie zusammen mit ihrer Großmutter in einem "Dreiweiberhaushalt" aufwächst, verliert ihre Arbeit. "Lehrer, zu denen ich ein Vertrauensverhältnis hatte, wurden entlassen, es gab plötzlich neue Schulfächer – alles veränderte sich", erinnert sich Golze. "Das hat mich geprägt. Ich bin ein Wendekind."
Von der Verunsicherung lässt sie sich nicht lähmen. Den Wandel sieht sie vor allem als Chance: "Vielleicht war ich jung genug, sodass ich mich mit aller Kraft da reinstürzen konnte", sagt Golze nachdenklich. "Es hieß doch ‚Wir sind das Volk’. Wir Jungen haben das wörtlich genommen und wollten mitreden." Golze wird Mitglied im Schülerrat der Schule, streikt, als die Schülerschaft nicht an der Besetzung des Schuldirektors beteiligt wird und organisiert eine Telefonkette zum Schutz eines Asylbewerberheims vor rechtsextremen Angriffen.
Außerdem wird sie in der "Arbeitsgemeinschaft Junge GenossInnen", der PDS-Jugendorganisation, aktiv und gründet zusammen mit anderen einen Jugendclub, das "Alternative Literatur- und Infocafé". "Wir waren eine bunte Gruppe. Geeint hat uns, dass wir alle gegen etwas waren – aber auch gestalten wollten."
Die Monate nach dem Mauerfall, bevor die Zeichen auf Wiedervereinigung standen, beschreibt sie als spannende, viel zu kurze Zeit des Aufbruchs: "Ich erinnere mich an einen Satz, er stand damals an einem Haus am Alexanderplatz: ‚Das Chaos ist aufgebraucht, es war die schönste Zeit.’ Dieser Spruch hat mich begleitet."
1997 wird Diana Golze Mitglied der PDS. Für sich entdeckt hat sie die SED-Nachfolgepartei aber bereits in den frühen neunziger Jahren: "Sie war die einzige, die uns Jungen die Tür geöffnet hat: Die PDS hat uns ihr Büro und die Infrastruktur zur Verfügung gestellt und uns Rückendeckung gegeben, als Kommunalpolitiker anderer Parteien sich über unseren Jugendclub beschwert haben."
Ob Protest gegen den Golfkrieg, die Verschärfung des Asylrechtsparagrafen oder die Debatte um den Abtreibungsparagrafen 218, der nach der Entscheidung des Bundestages 1995 für das wiedervereinigte Deutschland eine modifizierte Fristenlösung mit Beratungspflicht vorsieht – die PDS wird für Golze politisch zur Heimat.
An eine Karriere in der Politik denkt sie da noch lange nicht: 1995, nach dem Abitur, beginnt sie in Berlin Sozialpädagogik zu studieren. Inspiriert dazu habe sie eine Sozialpädagogin, die sich im Jugendclub in Angermünde damals um sie und die anderen gekümmert habe, so Golze. "Ich war absolut fasziniert von dieser Frau und dachte: Das will ich auch machen. Ich will auch so jemand sein, der nicht sagt, so müsst ihr das machen – sondern jemand, der die Möglichkeiten aufzeigt."
Doch als Sozialpädagogin wird Golze nach dem Diplom im Jahr 2000 nicht arbeiten. In der PDS ist man längst auf sie aufmerksam geworden: Jung, weiblich, engagiert – so jemand wie sie wird dort gebraucht. "Die PDS – und auch Die Linke heute – hat einen hohen Anteil von Mitgliedern über 60 Jahre. Leute, die sich engagieren, sind zudem in strukturschwachen Regionen rar. Wer die Inhalte gut vertreten kann und sich gut verkauft, kommt also schnell auf Wahllisten und in Ämter", sagt Golze. Großspurigkeit ist ihre Sache nicht.
1998 kandidiert sie erfolgreich für ihr erstes Mandat. Drei Jahre sitzt sie daraufhin für die PDS im Kreistag Uckermark. Ein Jahr später wird Golze auch zur stellvertretenden Vorsitzenden der PDS in Brandenburg gewählt. Einer, der die junge Frau fördert, ist der einflussreiche frühere SED-Funktionär Heinz Vietze – damals Abgeordneter im brandenburgischen Landtag, bis Dezember 2012 Vorsitzender der Linke-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung.
"Ohne ihn wäre ich sicher nicht da, wo ich heute bin. Er hat mich von der Kasse bei Woolworth weggeholt." Dort jobbte Golze, um sich das Studium zu finanzieren, bis Vietze ihr einen Job in seinem Wahlkreisbüro im Havelland anbietet. "Er war der Meinung, dass die Partei nur überleben kann, wenn sie junge Leute fördert. Mit der Stelle in seinem Büro konnte ich Parteiarbeit und Geldverdienen unter einen Hut bringen."
Hauptberuflich Politik zu machen, ist für sie da noch immer keine Option. Darüber habe sie erst 2002 nachgedacht, als die Kreisvorsitzenden der Region sie fragten, ob sie den Wahlkreis im Bundestag vertreten wolle, beteuert Golze. Die Möglichkeiten eines solchen Mandats reizen sie nun mehr als der Beruf der Sozialpädagogin. "Als Sozialpädagogin ist man ja doch nur ein Stück weit die Verwalterin der verfügbaren Ressourcen. Wenn ich aber die Ressourcen verbessern will, dann muss ich in die Politik gehen, dachte ich mir." Sie lässt sich aufstellen. Doch die PDS kommt nicht über die Fünf-Prozent-Hürde.
Ein Jahr später wird Golze dafür in den Kreistag Havelland und die Stadtverordnetenversammlung von Rathenow gewählt, wo sie auch jetzt noch mit Mann und zwei Kindern lebt. Und als der Bundestag 2005 vorzeitig neu gewählt werden muss, sieht die Situation auch für die PDS deutlich besser aus: Die Partei erringt 8,7 Prozent der Stimmen, und die Frau mit den roten Haaren kann erstmals in den Bundestag einziehen. Sie hat nun drei Mandate unter einen Hut zu bringen. Ihre kommunale Arbeit aufzugeben, kommt jedoch nicht in Frage: "Sie erdet mich", sagt Golze.
In den vergangenen sieben Jahren hat sich Golze nicht nur als Sprecherin für Kinder- und Jugendpolitik profiliert, sondern auch als Vorsitzende der Kinderkommission (Kiko), welche sie seit April 2012 bereits zum zweiten Mal für neun Monate leitet. Anders als in anderen Ausschüssen des Bundestages rotiert in der Kinderkommission, einem Unterausschuss des Familienausschusses, der Vorsitz unter den fünf Mitgliedern.
Ein weiterer Unterschied ist auch, dass Beschlüsse der Kiko einstimmig gefasst werden müssen. Das kann manchmal schwierig sein. Doch Golze sieht es positiv: "Die Kommission ist dann am schlagkräftigsten, wenn sich alle Mitglieder einig sind und eine Position haben, mit der sie geschlossen nach außen gehen können." Die Stärke der Kiko sieht sie darin, "Themen zu setzen und ins Rollen zu bringen".
So wie etwa das Thema Kinderarmut – oder die Forderung, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, die Golze vehement vertritt: "Kinder haben auf mehr ein Recht als auf das, wozu ihre Eltern laut Grundgesetz verpflichtet sind. Dort kommen Kinder nur als Regelungsgegenstand für Pflichten ihrer Eltern vor", sagt sie mit Nachdruck. So manche Debatte im Bundestag verliefe anders, gäbe es explizite Kinderrechte auf Förderung und Beteiligung – da ist sie sich sicher.
Golze bleibt bei diesem Thema hartnäckig: "Ich bin fest überzeugt, dass wir es irgendwann schaffen, weil es Leute gibt, die den Ball am Laufen halten, immer wieder treten – das macht mir am meisten Spaß." (sas/04.11.2012)