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  1. #1
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    Der heutige Stand des Schutzes "geistigen Eigentums" ist realitätsfern

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    Dauer des Schutzietraumes

    Es gab Zeiten, da lief das Alleinverwertungsrecht auf (entsprechend angemeldete) immaterielle Güter vierzehn Jahre lang, mit der Option, diese einmalig um weitere vierzehn Jahre zu verlängern.

    Heute gelten Regeln, die nur noch einer intensiven Lobbyarbeit, aber nicht mehr irgendwelchen nachvollzeihbaren Argumenten schuldig sind.

    Der rechtliche Urzustand einer geistigen Schöpfung war über Jahrtausende hinweg dass es keinen "Schutz" gab - alles Wissen war Bestandteil einer Wissensallmende. Erst kommerzielle Interessen führten dazu, diese Wissensallmende immer mehr zu beschneiden. Copyright ist kein "Ur-Recht", sondern eine Ausnahmeregelung, die immer mehr versucht, sich quasi als Grundrecht darzustellen.

    Während aber ein Zeitraum von vierzehn Jahren ab Erstellung von nachvollziehbar ist, ist der aktuelle Zustand - dass ein Copyright bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers bestand hat - nicht mehr damit begründbar, dass ein Werkschutz ein Ansporn für Kreative sei, mehr Werke zu schaffen. In keiner andern Branche genießt ein Ur-Urenkel noch direkte Gewinne von der Arbeit seines Vorfahren.

    Der Grund für die momentane gesetzliche Lage liegt aber nicht an den eigentlichen Urhebern, sondern ausschließlich an den kommerziellen Verwertern. Diese haben mit Ihrer Einflußnahme auf den Gesetzgebungprozess wahnsinnige Konstrukte geschaffen, die teilweise sogar "ex post facto" in die Welt gesetzt wurden, d.h. sie ändern die Rechtsposition nachträglich. Nicht umsonst wurde eines von vielen Verlängerungs- und Ausweitungsgesetzen für sog. geistiges Eigentum in den USA als "Lex Disney" bekannt - speziell geschieben, um das Recht an der Mikey Mouse zu schützen - oder genauer, um das Recht an der Mikey Mouse der Allgemeinheit vorzuenthalten.

    Egal wie viele Millionen oder Millarden Doller der Disney-Konzern noch an der Mikey Mouse verdienen wird - Es wird nicht dazu beitragen, dass Walt Disney eine weitere kulturell wertvolle Schöpfung produziert, denn er verstarb verstarb 1966. Nach seinem Tode wurde der Schutzzeitraum der Urheberrechts in den USA mehrfach signifikant verlängert. Und da in Deutschalnd solche Fehler blind nachgemacht werden, sind wir nun bei dem aktuellen Stand von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers angekommen.

    Diese extremen Zeiträume führen unter anderem dazu, das fast die gesamte kulturelle Schöpfung des 20. Jahrhunderts eine Handelsware in den Händen einiger weniger ist, und auch Jahrzehnte so bleiben wird.

    Umfang der Schutzes

    Die einzige wirkliche Verbesserung, die das Copyright im letzten Jahrhundert erhalten hat, ist die Tatsache, dass man heutzutage sein Werk nicht mehr anmelden muss, um den Schutz des Gesetzes zu genießen. Damit kann auch ein normaler Mensch von seiner Kreativität Nutzen ziehen, ohne dass man einen Anwalt braucht, um alle nötigen Formulare auszufüllen, um sein Werk irgendwo "anzumelden".

    Umgekehrt führt der Mangel eines zentralen Copyright-Registers allerdings auch dazu, dass es immer mehr Werke gibt, die zwar einem Copyright unterliegen, bei denen aber der Rechteinhaber nicht mehr ermittelbar ist. Diese Werke muss mal kulturell als verloren geben, denn die geltenden drastischen Schutzrechte und Sanktionen bei Verstoß verbieten es, selbst kulturell wertvolle Kreationen ohne erkennbaren Urheber der Allgemeinheit verfügbar zu machen, ohne ein unermessliches Risiko einzugehen. Hier dient also das Copyright nicht, wie ursprünglich gedacht, zur Bereicherung der Kultur, sondern ist ein Instrument der kulturellen Verarmung.

    Folgen der kommerziellen Einflußnahme auf den Gesetzgebungsprozess

    Die Verwerter geistigen Eigentums (die, wie der Name schon sagt, Verwerter, und nicht Schöpfer sind) haben ein Interesse, ihre Schutzrechte so lang und breit wie möglich zu fassen. Dabei wird sowohl die Wissensallmende, als auch die Rechte des eigentlich kreativ Schaffenden immer weiter ins Abseits gedrängt.

    Rechte auf Privatkopie sind in den Augen der Industrie genau so ein "verdammenswertes Teufelswerk" wie Ausnahmeregelungen für die Bildung. Um diese "Schutzlücken" auszuhebeln, wurden Kopierschutzverfahren geschaffen, und die Umgehung dieser auch für die Wahrung von Ausnamerechten illegalisiert.

    Auch wurde bewusst vermieden, gesetzliche Regelungen zu Sanktionen bei Rechtsverstößen klar zu formulieren. Insbesondere der Passus der "professionellen Begehung" (war früher "kommerzielle Begehung"!) bei Verstößen wird häufig missbraucht, um bereits Schulkinder zu kriminalisieren. Dabei wird mittlerweile jeder Ansatz von Planung oder Organisation als Argument missbraucht, das Strafmaß selbst bei Fällen hochzuschrauben, wo man natürlicherweise eher von einem schuldausschließenden Verbotsirrtum ausgehen würde.

    Mittlerweile werden die industriellen Umsatzverluste durch stetig nachlassende Qualität immer mehr mit "zunehmender Piraterie" begründet (ohne belastbare Zahlen dafür vorweisen zu können ausser ein paar selbstfinanzierten "Studien") und Forderungen nach mehr Schutz und sogar Aushebung von Grundrechten gefordert.

    Mittlerweise ist es sogar eine Tendenz immer mehr erkennbar, die Verfolgung und Sanktionierung von Urheberrechtsverletzungen zu einem Geschäftsmodell zu machen, dass den Besitzern "geistigen Eigentums" mehr Gewinn einbringt als die eigentliche Vermarktung der meist kulturell eher weniger signifikanten Ware. Dieses Modell ist momentan in der Porno-Branche "in", hat sich aber auch in die Musik. und Filmbranche weiter ausgeweitet.

    Zusammenfassung

    Die Frage bei einem Recht darf nicht sein: "Was nützt ein bestimmtes Recht einem Lobbyarbeit treibenden Indurstriekonglomerat", sondern imemr nur "Was nützt dieses Recht den Bürgern". Dieses Maß ist beim Copyright vollkommen aus dem Blickfeld geraten.

    Wir müssen zurück zu einem Punkt, bei dem kreative Werke in nachvollziehbaren Zeiten Teil der Kultur werden können.

    Wir müssen einen Weg finden, Werke, deren Rechteinhaber nicht mehr ermittelbar sind, mit einem deutlich limitierten und überschaubaren Risiko der Kultur zuzuschlagen.

    Die geltenden Ausmahneregelungen zur Archivierung und Medienübertragung und für Bildungszwecke müssen gestärkt werden.

    Das einzige Beibehaltenswerte. dass die zahlreichen Änderungen an dem Copyrightgesetzen gebracht haben, ist, dass jedes kreative Werk auch ohne Anmeldung oder Registrierung Staatlichen Schutz genießt.

    Nur was frei ist, ist auch Kultur

    In diesem Sinne,

    Christian Treczoks

  2. #2
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    Daumen hoch Danke, sehr gut & interessant bis auf 1 Punkt und ...

    Der rechtliche Urzustand einer geistigen Schöpfung war über Jahrtausende hinweg dass es keinen "Schutz" gab - alles Wissen war Bestandteil einer Wissensallmende. Erst kommerzielle Interessen führten dazu, diese Wissensallmende immer mehr zu beschneiden. Copyright ist kein "Ur-Recht", sondern eine Ausnahmeregelung, die immer mehr versucht, sich quasi als Grundrecht darzustellen.
    Also DAS kann man so nicht sagen: Die heutigen Kenntnisse zu Erwerb, Ausübung und Weitergabe von "Wissen" bzw. immateriellen Kulturgütern selbst aus bzw. zu den "vorgeschichtlichen" Zeiten (ohne Schrift) lassen neben einem erheblichen "Allmende" ebenso eine z. T. erhebliche Restriktion in Zahl und Art (Alter, Geschlecht, Herkunft ...) der Wissens- und Kultur-Protagonist(inn)en zwingend annehmen. Erst recht in den Phasen von Hochkulturen und Zentralverwaltungsreichen.Und: die " 'früher' war's besser" Argumentation ist schon auch noch aus anderen Gründen problematisch ...

    Interessant:
    Es gab Zeiten, da lief das Alleinverwertungsrecht auf (entsprechend angemeldete) immaterielle Güter vierzehn Jahre lang, mit der Option, diese einmalig um weitere vierzehn Jahre zu verlängern.
    Ja, Ja, da war doch mal was, WANN gab's das noch zuletzt ?

    ... ist der aktuelle Zustand - dass ein Copyright bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers bestand hat - nicht mehr damit begründbar, dass ein Werkschutz ein Ansporn für Kreative sei, mehr Werke zu schaffen.
    Besser kann man es nicht sagen!
    Aber:
    In keiner andern Branche genießt ein Ur-Urenkel noch direkte Gewinne von der Arbeit seines Vorfahren
    stimmt so nicht (welche "Branche", wo wären "Wissen" & "immaterielle Kulturgüter" denn verzichtbar?), ist aber wirklich kein Grund, Verknappungs- bzw. Verteuerungs-Strategien über 1 volle Generation zu dulden!!!


    Der Grund für die momentane gesetzliche Lage liegt aber nicht an den eigentlichen Urhebern, sondern ausschließlich an den kommerziellen Verwertern. Diese haben mit Ihrer Einflußnahme auf den Gesetzgebungprozess wahnsinnige Konstrukte geschaffen, die teilweise sogar "ex post facto" in die Welt gesetzt wurden, d.h. sie ändern die Rechtsposition nachträglich. Nicht umsonst wurde eines von vielen Verlängerungs- und Ausweitungsgesetzen für sog. geistiges Eigentum in den USA als "Lex Disney" bekannt - speziell geschieben, um das Recht an der Mikey Mouse zu schützen - oder genauer, um das Recht an der Mikey Mouse der Allgemeinheit vorzuenthalten.

    Egal wie viele Millionen oder Millarden Doller der Disney-Konzern noch an der Mikey Mouse verdienen wird - Es wird nicht dazu beitragen, dass Walt Disney eine weitere kulturell wertvolle Schöpfung produziert, denn er verstarb verstarb 1966. Nach seinem Tode wurde der Schutzzeitraum der Urheberrechts in den USA mehrfach signifikant verlängert. Und da in Deutschalnd solche Fehler blind nachgemacht werden, sind wir nun bei dem aktuellen Stand von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers angekommen.

    Diese extremen Zeiträume führen unter anderem dazu, dass fast die gesamte kulturelle Schöpfung des 20. Jahrhunderts eine Handelsware in den Händen einiger weniger ist, und auch Jahrzehnte so bleiben wird.
    Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen!!!!
    Es ist beschämend, wie sehr die öffentlichen und akademischen Diskurse auch heute noch dem 19. Jahrhundert verhaftet geblieben sind!! Wie sollen da Lehren aus dem 20. Jh. gezogen werden, wenn dessen kulturelle Leistungen nicht ins Allgemeine des öffentlichen und privaten Lebens FREI einsickern können? Dies um so mehr, als große Teile des 20.Jh. "Kriegserfahrungen" im weitesten Sinne bedeuten, die die kulturelle Produktion geprägt und zum Teil auch verhindert haben.
    Und: Das letzte Drittel des 20 Jh. hat mit einer Wissensexplosion geschlossen, deren extreme Beschleunigung in relativen Zahlen vielleicht derzeit zurückgeht. Auch diese Explosion bleibt aber offenbar bis dato wirkungslos - vermutlich auch, weil "Kultur- u. Wissensmarketing" vor der Verbreitung und der ZUGÄNGLICHKEIT steht, und die Diskurse wie Moden prägt, um auf die Stückzahlen zu kommen.

    Ich jedenfalls habe langsam das Gefühl, ein "Springer"-Pferdchen auf der Stirn zu haben, so oft
    endet die Recherche vor den Türen der Wissenschaftsverlage - nicht zuletzt bei Arbeiten des 20. Jh. !!

    Den Absätzen "Umfang des Schutzes" und "Folgen der kommerziellen Einflußnahme auf den Gesetzgebungsprozess" ist m. E. DRINGEND zu folgen.

  3. #3
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    Die Zeiten ändern sich, die Restriktionen auch.

    Zitat Zitat von digitale-demokratie.net Beitrag anzeigen
    Also DAS kann man so nicht sagen: Die heutigen Kenntnisse zu Erwerb, Ausübung und Weitergabe von "Wissen" bzw. immateriellen Kulturgütern selbst aus bzw. zu den "vorgeschichtlichen" Zeiten (ohne Schrift) lassen neben einem erheblichen "Allmende" ebenso eine z. T. erhebliche Restriktion in Zahl und Art (Alter, Geschlecht, Herkunft ...) der Wissens- und Kultur-Protagonist(inn)en zwingend annehmen. Erst recht in den Phasen von Hochkulturen und Zentralverwaltungsreichen.
    Natürlich hat nicht alles Wissen aus dieser Allmende die diversen Aussiebungsprozesse überlebt. Trotzdem sind kulturell wichtige Werke entstanden und haben bis heute überlebt. Gefiltert wurden sie in erster Linie über Qualität, und in zweiter Linie über lokale politische Begehrlichkeiten. Letztere waren zum Glück aber so lokal, dass ein Werk, dass über einen gewissen Raum Ausbreitung gefunden hat, zumindest in Teilräumen einer Zensur entkommen konnte.

    Heute unterliegt diese Filterung einzig und allein einem vollkommen globalisierten und ausschließlich kommerziell ausgerichteten Filter. Wenn z.B. Disney beschließt, den Film "Cinderella" weltweit nicht mehr aufzulegen, dann ist das Werk - insbesondere bei kurzlebigen Medien und dem angestrebten Totalverbot einer Privatkopie - in wenigen Jahren nicht mehr Bestandteil der kulturellen Landschaft. Und das weltweit. Die einzige Ausnahme, die ein Überleben dieses Kulturbeitrags sicherstellen würde, wären illegale Kopien.

    Das Copyright, das also ursprünglich der Sicherung der Kultur durch den Anreiz zur Neuschöpfung dienen sollte, ist nun das effektivste Mittel zu gezielten Steuerung und Verarmung der Kultur, und damit eine Gefahr.

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