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21. Mai 2012

Expertengespräch zu IPv6

Welche Potenziale und Herausforderungen bringt die Umstellung auf das Internetprotokoll Version 6, kurz IPv6, mit sich? Um diese Frage ging es in dem Expertengespräch der Projektgruppe Zugang, Struktur und Sicherheit im Netz am Montag, dem 21. Mai 2012.

Erweiterter Adressraum als größtes Potenzial

Die sechs eingeladenen Sachverständigen sind sich einig, dass der größte Mehrwert des Internetprotokolls Version 6, kurz IPv6, der enorm erweiterte Adressraum ist. Statt der bisherigen 4,3 Milliarden Adressen bei IPv4 stehen mit IPv6 knapp 340 Sextillionen IP-Adressen zur Verfügung. IP-Adressen sind wichtig, damit die im Internet transportierten Datenpakete beim richtigen Computer, Smartphone oder anderen internetfähigen Geräten ankommen. Sie entsprechen quasi der Anschrift im Internet. Durch den erweiterten Adressraum hat IPv6 das Potenzial, noch mehr Geräte miteinander zu vernetzen und neue Dienste wie mobiles Internet, das so genannte Internet der Dinge, Smart Grid und Smart Metering zu ermöglichen.

Großflächige Umstellung steht noch bevor

Die Umstellung von IPv4 auf IPv6 nehme in Deutschland immer mehr Fahrt auf. Wenngleich einige kleinere Internet Service Provider (ISP) bereits IPv6-fähige Anschlüsse anböten, so nutze die Mehrzahl der Privatkunden mangels Angebot jedoch noch IPv4-Internetzugänge, erklärte der Sachverständige Martin Turba. Aktuelle Feldtests der großen DSL-Provider ließen jedoch vermuten, dass zeitnah mit einer bundesweiten Umstellung auf IPv6 bei Festnetzanschlüssen zu rechnen sei. Auf die Frage, wie der Gesetzgeber die Einführung von IPv6 unterstützen könne, sprach sich der Sachverständige Björn Zeeb dafür aus, die Webseiten des Bundes zügig IPv6-fähig zu machen. Der Staat solle quasi als Vorbild dienen. Auch für IT-Projekte des Bundes sollte eine Unterstützung und Nutzung von IPv6 verpflichtend sein. Darüber hinausgehende Eingriffe halte er jedoch nicht für zielführend.

Herausforderungen bei der Implementierung

Die Einführung von IPv6 bringe auch eine Reihe an Herausforderungen mit sich. So betonte der Sachverständige Christoph Weber, dass die Umstellung auf IPv6 für die ISP mit enormen Kosten verbunden sei: Netzwerkkomponenten müssten ausgetauscht, Softwareanwendungen angepasst und Mitarbeiter geschult werden. Aber auch die Hardware beim Endkunden sei betroffen. Viele Router seien nicht einfach durch ein Firmware-Update IPv6-fähig zu machen.

Anonymität durch Privacy Extensions

Mit den durch die ISP zu bewältigenden Aufgaben geht die Sorge der Nutzerinnen und Nutzer einher, durch IPv6 einen Anonymitätsverlust zu erfahren. Dass ein solcher Risiken und datenschutzrechtliche Probleme mit sich bringen könnte, liege auf der Hand. Intensiv wurden daher die Möglichkeiten diskutiert, wie die Privatsphäre der Endkunden geschützt werden könne. Eine eindeutige Geräteidentifikation – beispielsweise eines Smartphones – könne durch die so genannten Privacy Extensions verhindert werden. Problematisch sei jedoch, dass diese Datenschutzerweiterungen nicht bei allen Geräten zur Verfügung stünden. Neben der durchgängigen Implementierung der Privacy Extensions forderte der Sachverständige Ulrich Kühn deren standardmäßige Aktivierung im Sinne der Prinzipien "privacy by design" und "privacy by default".

Sensibilisierung und Verantwortung der Endnutzer

Der Sachverständige Wolfgang Fritsche plädierte für eine umfassende Sensibilisierung der Endnutzer. Die Standardisierungsorganisation Internet Engineering Task Force (IETF) habe mit den Privacy Extensions eine technische Möglichkeit geschaffen, eine dauerhafte Geräteidentifikation zu verhindern. Der Nutzer müsse aufgeklärt werden, dass es nun zwei Möglichkeiten gebe, sich im Internet zu bewegen: anonym und identifizierbar. Letzteres sei nicht immer schlecht, schließlich gebe es Anwendungen, für die eine Identifizierbarkeit sinnvoll sei. Die Entscheidung müsse beim Endnutzer liegen, wie er das Internet in Zukunft nutzen wolle – mit einer eindeutig zuordenbaren Adresse, oder anonym nach Aktivierung der Privacy Extensions. Wolle der Gesetzgeber regulierend eingreifen, so könne er den Herstellern für Endgeräte auferlegen, beide Möglichkeiten zu unterstützen, damit möglichst leicht zwischen beiden Modi gewechselt werden könne. Eine "Restverantwortung" sehe er jedoch bei den Nutzern selbst.

Statische versus dynamische Adressvergabe

Intensiv wurde auch die Thematik der statischen versus dynamischen Adressvergabe diskutiert. IPv6-Adressen bestehen aus zwei Teilen: einem Präfix und einem Interface Identifier. Letzterer kann mittels der Privacy Extensions per Zufall erzeugt werden und schützt so vor Identifikation des Endgerätes. Der vordere Teil wird vom ISP zugewiesen und könnte bei statischer Vergabe einen Internetzugang global eindeutig identifizieren. Eine dynamische Vergabe würde dies jedoch verhindern. Dabei sei der Verwaltungsaufwand für die Provider sogar geringer als bei fester Zuordnung, erklärte der Sachverständige Gert Döring. Eine grobe geografische Lokalisierung des Standorts ließe sich jedoch aufgrund der Einteilung des Adressraumes – wie unter IPv4 – auch bei dynamischer IPv6-Adressvergabe nicht verhindern. Eine vollständig beliebige Vergabe der IP-Adresse sei nach Ansicht der Experten technisch und wirtschaftlich nicht realisierbar.


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Stand: 21.05.2012