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Analysen und Forschungsergebnisse zu den unterschiedlichen Situationen von Männern und Frauen in der Erwerbstätigkeit hat Prof. Dr. Jutta Allmendinger der Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität" unter Vorsitz von Daniela Kolbe (SPD) in öffentlicher Sitzung am Montag, 26. September 2011, vorgelegt. Die Arbeitsmarkt- und Frauenexpertin war geladen, um der Frage nach einem möglichen Zusammenhang zwischen dem gesellschaftlichen Ziel Wirtschaftswachstum und dem Geschlechterverhältnis nachzugehen.
Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, zeigte anhand von Statistiken die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Männern und Frauen in der Erwerbstätigkeit sowie der schulischen Bildung und bei allgemeinen gesellschaftlichen Fragen auf. Darüber hinaus stand sie den 34 Mitgliedern der Enquete-Kommission im Anschluss an ihren 45-minütigen Vortrag Rede und Antwort.
Die Expertin wies in ihrem Vortrag auf die „notwendige“ Verschiebung des Geschlechterverhältnisses in Bezug auf das zukünftige Wirtschaften hin. Bedingt durch den prognostizierten demografischen Wandel werden sich der Arbeitsmarkt und der Bildungssektor nach Ansicht der Wissenschaftlerin tiefgreifend verändern.
Sie führte mit einer Betrachtung der Strukturveränderung der deutschen Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten vor Augen, dass sich innerhalb einer einzigen Erwerbsbiografie das industriell geprägte Wirtschaften in den Bereich des dienstleistungsorientierten Wirtschaftens transformiert habe. Ein Bereich, der sich durch eine hohe Quote arbeitender Frauen auszeichnet.
Herausforderung für die Zukunft wird laut Allmendinger sein, „Geschlechtsstereotypisierungen“ zu überwinden, die an bestimmte Berufe wie die Pflege gebunden sind, weil diese Berufe Männern geöffnet werden müssten.
Hinzu komme, dass auf dem Arbeitsmarkt seit den neunziger Jahren hauptsächlich wissensintensive Berufe geschaffen wurden. Berufe geringer Qualifikationsanforderung seien dagegen „ausgewandert“. Die Sachverständige führte die Kategorien der „Bildungsarmut“ und des „Bildungsreichtums“ ein. Gemessen nach diesen Kategorien, sei der Unterschied zwischen Männern und Frauen beträchtlich, und der Trend verlaufe weiter negativ - für die Männer.
Eine Bilanz der Wissenschaftlerin: Der Unterschied zwischen Frauen und Männern nehme hinsichtlich der Bildungszertifikate und Kompetenzen zu. Einher gehe damit die deutliche Steigerung der Erwerbsquoten von Frauen von 47 Prozent auf 66 Prozent zwischen 1960 und 2010. „Dieser Zuwachs ist enorm“, sagte die Arbeitsmarktforscherin. Der Abstand zu den Männern liege nur noch bei zehn Prozent.
Gemessen an der Arbeitszeit, würden die Unterschiede zum Nachteil der Frauen aber weiter deutlich. Danach sei das Arbeitsvolumen zwischen den Jahren 1991 und 2007 gleich geblieben. Allmendinger schließt daraus auf eine Umverteilung innerhalb des Arbeitsmarktes der Frauen. Hätten früher weniger Frauen Vollzeit gearbeitet, so seien heute mehr Frauen in Teilzeit tätig.
Für die Zukunft stelle sich aus diesen Gründen die Frage, ob in Anbetracht des Kompetenz- und Ausbildungsniveaus von Frauen nicht eine andere Verteilung von Erwerbstätigkeit zwischen Männern und Frauen angestrebt werden müsse. Den heutigen Zustand betrachtet Jutta Almendinger als „suboptimal“.
Die Enquete-Kommission, die der Bundestag im Dezember vergangenen Jahres eingesetzt hat, ist auf der Suche nach einem neuen Maß für den Wohlstand einer Gesellschaft. Dabei bezieht sie auch Hinweise auf eine mögliche geschlechtergerechte Wirtschaftsordnung mit ein. Sie erhofft sich, die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Expertin und die Ergebnisse der anschließenden Diskussion bei der Konstruktion eines neuen Modells für die Wohlstandmessung berücksichtigen zu können. (ver/eis)