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- Es gilt das gesprochene Wort -
Liebe Kolleginnen und Kollegen
aus dem Deutschen Bundestag,
sehr geehrter Herr Dr. Zühlsdorff,
sehr geehrter Herr Bonkas,
meine Damen und Herren,
diese Ausstellung erinnert an das Engagement des "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" für die erste Demokratie in Deutschland. Als Anfang der zwanziger Jahre Putschversuche von links und rechts die junge Weimarer Republik in immer schnelleren Abständen erschütterten, wurde 1924 in Magdeburg von Mitgliedern der SPD, der liberalen DDP und des Zentrums ein parteienübergreifendes Bündnis gegründet - mit einem einzigen Ziel: die bedrohte Republik mit aller Entschlossenheit zu verteidigen gegen ihre Feinde. In einer SPD-Werbebroschüre für das "Reichsbanner" hieß es (ich zitiere):
"Das ‚Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold' dient nicht irgendwelcher Partei, es dient der Republik. Das ‚Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold' kämpft für die Vorbedingungen jeder politischen Betätigung: für die Freiheit, für die Demokratie, für die Verfassung."
Diese Ausstellung macht deutlich, wie das "Reichsbanner" für einige Jahre zum wichtigen Stabilitätsfaktor der jungen Demokratie wurde. Sie führt uns ebenso vor Augen, wie entschieden die Mitglieder sich gegen den aufkommenden Nationalsozialismus zur Wehr setzten, wie sie bis zuletzt gegen die Machtergreifung Hitlers kämpften. Viele Mitglieder des "Reichsbanners" haben ihr Eintreten für die Demokratie teuer bezahlt. Es gab Verletzte und Tote bei Straßen- und Saalschlachten mit SA-Trupps, die demokratische Veranstaltungen stören oder ganz verhindern wollten. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde das "Reichsbanner" umgehend verboten, viele seiner Mitglieder verhaftet und in Zuchthaus oder KZ eingeliefert. Dennoch wurde das Engagement gegen den NS-Unrechtsstaat fortgesetzt - aus dem Untergrund oder dem Exil.
Die großen Verdienste dieser engagierten Bürgerinnen und Bürger wird uns in den Bildern, Dokumenten und Tafeln unserer Ausstellung wieder bewusst. Doch es geht um mehr als historisches Erinnern. Diese Ausstellung gehört in den Deutschen Bundestag, weil sie für etwas eintritt, was unsere Demokratie ebenso dringend braucht, wie es die Weimarer Republik zu ihrem Fortbestand gebraucht hätte: möglichst viele überzeugte Demokraten, Männer und Frauen aller Altersstufen, die jenseits parteipolitischer Interessen in den Grundfragen zusammenstehen - und nicht erst dann, wenn die Demokratie in ihrem Bestand gefährdet ist.
Derzeit benötigen wir zum Glück keine bewaffnete Bürgerwehr wie die "Schutzformationen" des "Reichsbanners". Aber die parlamentarische Demokratie stellt keine Glücksversicherung dar, wie es Theodor Heuss - selbst früher Mitglied des "Reichsbanners" - einmal treffend formuliert hat, sondern sie muss von ihren Bürgern gewollt und verteidigt werden. Auch unser Gemeinwesen benötigt deshalb Bürger, die bereit sind, sich für die Demokratie einzusetzen.
Diese bürgerschaftliche Verantwortung kommt treffend zum Ausdruck im zweiten Namen des "Reichsbanners", in der Kennzeichnung als "Bund aktiver Demokraten". Der Name gefällt mir, denn er bringt die Sache auf den Punkt: die parlamentarische Demokratie braucht keine passiven, sondern aktive Demokraten. Nichts ist für unsere Staatsform letztlich gefährlicher als jene bequeme, konsumistische Haltung vieler, nach der man ganz gut in der Demokratie leben kann, ohne etwas für sie tun zu müssen. Wer so denkt und handelt, verkennt, dass die Demokratie weder Selbstzweck noch Selbstläufer ist. Funktionieren kann sie nur dann, wenn sich möglichst viele aktiv für sie einsetzen.
Die Verteidigung des Rechtsstaates, der Menschenrechte und der Menschenwürde ist nicht nur Aufgabe von Justiz, Polizei oder Politik. Die demokratische Nation kann nicht alle öffentlichen Angelegenheiten, kann nicht die Freiheit, die Wahl, die Kontrolle der Politiker delegieren son-dern muss sich selbst darum kümmern, muss selbst dafür Sorge tragen. Würden wir Freiheit und Menschenrechte nicht nutzen - was auch Mühe macht - würden wir sie verlieren. Intoleranz und Hass, ausländerfeindliche Parolen, verächtliche und herablassende Haltungen gegenüber Andersaussehenden oder Andersdenkenden ebnen manchen Weg zu tätlichen Angriffen, zu Hetzjagden auf Ausländer und zur Proklamation sog. "national befreiter Zonen". Jeder einzelne rassistische Vorfall ist nicht nur ein Anschlag auf grundlegende Menschenrechte, sondern ist auch eine Kampfansage an die Demokratie.
Aktive Demokraten warten nicht darauf, dass andere aktiv werden: sie greifen selbst ein, organisieren bürgerschaftlichen Widerstand - "gegen Rechtsextremismus" heißt positiv ausgedrückt: für die Demokratie. Verantwortungsbewusste Demokraten rufen nicht permanent nach dem Staat, sondern mischen sich ein: durch Bürgerinitiativen, Selbsthilfeorganisationen, Nicht-Regierungs-Organisationen, machen über die Medien der Politik Beine. Und das nicht nur zur Abwehr von Angriffen auf Demokratie und Freiheit, sondern auch, um durch die Wahrnehmung von Interessen, durch Interesse an der Zukunftsgestaltung die Demokratie lebendig zu erhalten. Übrigens gehört die (aktive) Mitgliedschaft in demokratischen Parteien zu den herausragenden Formen so verstandenen bürgerschaftlich demokratischen Engagements.
Diese Einsicht überzeugend an die junge Generation weiterzuvermitteln ist eine oft unterschätzte, aber bitter nötige Aufgabe für alle Demokraten. Sie, sehr geehrte Herren Zühlsdorff und Bonkas, sind mit vielen weiteren Mitgliedern des "Bundesverbandes Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" gerade in diesem Sinne vorbildliche Demokraten. Schließlich scheuen Sie auch im fortgeschrittenen Alter keine Mühen, um in den Schulen und Jugendvereinen mit jungen Menschen zu diskutieren, Ihre Erfahrungen weiterzugeben. Was könnte überzeugender sein als Ihre Erfahrung, Ihr Einsatz für die Demokratie unter höchster Gefahr.
In diesem Sinne ist die Ausstellung "Für eine starke Republik - Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" keine rein historische, keine rückwärts gewandte Veranstaltung, sondern höchst aktuell. Ich danke den Mitgliedern des "Reichsbanners" für ihren unermüdlichen Einsatz und wünsche der Ausstellung viele interessierte Besucherinnen und Besucher.