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Der Raumeindruck der Protokoll- und Sitzungsräume im zweiten Obergeschoss wird von den Holzpaneelen des Architekten und deren Farbkonzeption durch den dänischen Designer Per Arnoldi bestimmt. Für die Gestaltungen in diesen Räumen wurden Künstler ausgewählt, die sich mit der Farbe als eigenständigem Ausdrucksträger auseinandergesetzt haben. So spielt Gotthard Graubner in seinem Kissenbild mit den unterschiedlichen Farbabstufungen, die sich aus dem Zusammenwirken mit den weich verlaufenden Lichtgradationen auf der Wölbung des von ihm geschaffenen, so genannten "Farbraumkörpers" bilden.
In den 1950er-Jahren stand die Kunstszene in Deutschland unter dem beherrschenden Einfluss des amerikanischen abstrakten Expressionismus und des französischen Informel. Gotthard Graubner gehört zu einer Gruppe von Künstlern, die Anfang der 1960er-Jahre auf die dekorativ gewordene Vielfarbigkeit dieser Stilrichtungen mit einer Rückkehr zur Ursprünglichkeit der Farbe und zur Untersuchung ihrer Eigenwertigkeit reagierte.
Graubner trug damals die Farbe auf Leinwand oder Papier nicht mit einem Pinsel auf, sondern mit einem Schwamm, um Farbschichten besser übereinanderlegen zu können. Dabei entdeckte er, dass die mit Farbe vollgesogenen Schwämme als eigenständige "Farbleiber" räumlich nuancierte Farbwirkungen entwickelten, sodass er diese ursprünglichen Arbeitsmittel seit 1960 als eigenständige Farbkörper bearbeitete. Er entwickelte die Kissenbilder, die aus zahlreichen Lagen von farbaufnehmenden Watten, Schaumstoffunterlegungen, synthetischen Stoffbahnen und der das gesamte Farbpolster umfassenden Bespannung bestehen. Graubner fand für sie die Bezeichnung "Farbraumkörper " und gelangte, von kleineren Formaten ausgehend, schließlich zu monumentalen Formaten, mit denen er beispielsweise im Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten, den Hauptsaal gestaltete.
Mit seinen Arbeiten steht Graubner in einer Tradition, die zurück zu den späten Seerosenbildern Monets aus dessen Garten in Giverny reicht. Diese Entwicklung führt Graubner mit seinem plastischen Farbgemälde für den Protokollraum im zweiten Obergeschoss des Reichstagsgebäudes zu einem gewissen Endpunkt. Die reine Erscheinung der Farbe "an sich", die nicht mehr als bloßes Farbzeichen dem Betrachter gegenübertritt, wird erreicht. Sie drängt in den Raum, dessen Größe eine solch farbvoluminöse Kraft geradezu herausfordert. Sie bleibt in ihrer Wirkung aber trotzdem subtil sowohl durch die aus der Tiefe des Körpers durchscheinenden Farbschichten als auch durch die differenzierten Farbqualitäten, wie sie durch die jeweiligen Lichtabstufungen auf der Wölbung des Farbraumkörpers entstehen. Dieser Subtilität entspricht der poetische, eine festliche Morgenstimmung verheißende Titel "... die rosenfingrige Eos erwacht ...".
geboren 1930 in Erlbach, lebt und arbeitet in Düsseldorf.
Text: Andreas Kaernbach
Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages