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Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 9. August 2010)
- bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung -
Die Vorsitzende des Entwicklungsausschusses des Bundestages, Dagmar Wöhrl (CSU), fürchtet schwerwiegende Folgen durch sich massiv ausbreitende Wüsten weltweit. Im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag 9. August) bezeichnet sie die Desertifikation als „eines der größten Umweltprobleme, die wir derzeit haben“. 40 Prozent der Trockengebiete seien schon jetzt von der Desertifikation betroffen. „Das hat unmittelbare Folgen für jene, die in den betroffenen Region leben – und das sind über eine Milliarde Menschen“, betont Wöhrl. Sie weist darauf hin, dass sich die deutsche Entwicklungspolitik des Themas seit Jahren annehme. So habe Deutschland für 679 bilaterale Projekte und Maßnahmen gegen Desertifikation, die im Jahr 2005 liefen, insgesamt 1,83 Milliarden Euro bereitgestellt.
Wöhrl warnt infolge der Desertifikation vor wachsenden Konflikten und zunehmender Migration, auch nach Europa. „Das ist ein Dominoeffekt. Erst kommen der Wassermangel und die Armut, dann beginnt der Kampf ums Wasser.“ Deutschland habe „ein persönliches Interesse daran, die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort so zu verbessern, dass sie keinen Grund haben, ihre Heimat zu verlassen“, sagt die Ausschussvorsitzende.
Das Interview im Wortlaut:
Frau Wöhrl, in Deutschland gibt es keine Wüsten, genug und überall fruchtbares Land. Warum sind Wüsten überhaupt ein Thema für uns?
Die massive Ausbreitung der Wüsten weltweit ist eines der größten Umweltprobleme, die wir derzeit haben. Man muss sich die Zahlen nur einmal ansehen: 40 Prozent der Trockengebiete sind schon jetzt von Desertifikation betroffen. Das heißt, die Wüsten breiten sich sehr, sehr schnell aus. Das hat unmittelbare Folgen für jene, die in den betroffenen Region leben – und das sind über eine Milliarde Menschen. Ihre Nöte gehen auch uns etwas an.
Was sind das für Probleme?
Da geht es ums Überleben. Wenn die Wüste sich ausbreitet, erodieren die Böden und die Landwirtschaft bricht zusammen. Lebensmittel fehlen und die Menschen hungern. Außerdem mangelt es in diesen Regionen an Wasser, die hygienischen Bedingungen sind entsprechend schlecht, Krankheiten breiten sich aus. Aber auch Bildung ist ein großes Thema.
Das müssen Sie erklären. Was hat die Ausbreitung von Wüsten mit Bildungsproblemen zu tun?
Vor allem Frauen und Kinder müssen heute oft ewig weit laufen, um Wasser zu finden und in ihre Dörfer zu tragen. Wenn Kinder den ganzen Tag nur damit beschäftigt sind, Wasser zu holen, haben sie keine Zeit mehr, in die Schule zu gehen. Das sind alles Dinge, an die viele überhaupt nicht denken, wenn sie über das Thema sprechen.
Angesichts Ihrer Schilderungen verwundert es, dass die Wüstenausbreitung in der Entwicklungspolitik keine besondere Rolle spielt. Dabei leiden ausgerechnet die 50 am wenigsten entwickelten Länder enorm unter ihren Folgen.
Intern wird schon sehr viel gemacht. 1996 haben die Vereinten Nationen die Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung verabschiedet. Um sie zu erfüllen, hat Deutschland allein für 679 bilaterale Projekte und Maßnahmen gegen Desertifikation, die im Jahr 2005 liefen, 1,83 Milliarden Euro bereitgestellt. Realisiert werden sie unter anderem von der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ). Auch viele Nichtregierungsorganisationen leisten dazu einen wichtigen Beitrag.
Haben die Investitionen denn schon Erfolge gebracht? Immerhin ist die UN-Konvention 14 Jahre alt, die Wüsten breiten sich aber scheinbar unvermindert aus.
Es gibt viele kleine Fortschritte. So hat man in vielen Ländern verstanden, dass es wichtig ist, die weitere Erosion des Bodens aufzuhalten. Sie versuchen zu verhindern, dass dem Boden weiter Wasser entzogen wird und bauen Pflanzen an, die weniger Wasser brauchen. Nigeria zum Beispiel hat in den vergangenen 30 Jahren mehr als fünf Millionen Hektar Bäume gepflanzt.
Eine beachtliche Zahl...
Ja, das alles hängt eng mit der ländlichen Entwicklung zusammen. Sie ist auch ein Schwerpunkt unserer Ausschussarbeit in dieser Legislaturperiode. Leider wurde dieser Bereich der Entwicklungspolitik in den vergangenen Jahren finanziell stark zurückgefahren. Das war ein Schritt in die falsche Richtung, den wir korrigieren wollen. Schließlich wird fruchtbarer Boden für die Landwirtschaft bald rar – und die Weltbevölkerung wächst.
Schätzungen gehen davon aus, dass sich die Nahrungsmittelproduktion bis 2030 deshalb verdoppeln muss.
Ja, aber was passiert? Es stehen immer weniger Flächen zur Nahrungsmittelanbau zur Verfügung, etwa weil auf ihnen Biokraftstoffe angebaut werden. Außerdem haben sich die Ernährungsgewohnheiten in den Schwellenländern stark verändert. Regelmäßiger Fleischkonsum ist dort inzwischen selbstverständlich. Das Getreide wird nun nicht mehr verwendet, um Brot zu backen, sondern, um das Vieh damit zu füttern.
Wenn die Lebensgrundlage von so vielen Menschen bedroht ist, muss man dann nicht auch zunehmend Spannungen und Konflikte in diesen Regionen befürchten?
Das ist ein Dominoeffekt. Erst kommen Wassermangel und Armut, dann beginnt der Kampf um das Wasser. Es wird zunehmend Konflikte geben. In der Folge werden immer mehr Menschen in die Städte fliehen. So entstehen zunehmend Megacitys, riesige Städte, die so viele Menschen oft schon jetzt gar nicht mehr aufnehmen können. Die nigerianische Stadt Lagos mit ihren fast 10 Millionen Einwohnern ist dafür ein gutes Beispiel. Die Lebensbedingungen dort sind so schlecht, dass viele Flüchtlinge nicht lange bleiben. Sie werden schnell vor unserer Haustür stehen.
Sie fürchten eine wachsende Migration nach Europa?
Ja. Wir haben ein persönliches Interesse daran, diese Flüchtlingsbewegungen zu verhindern und die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort so zu verbessern, damit sie keinen Grund mehr haben, ihre Heimat zu verlassen.
Haben die Industrieländer nicht aber auch eine Verantwortung für diese Menschen? Schließlich trifft der Klimawandel die Ökosysteme und Bewohner in Wüstenstaaten und Entwicklungsländern besonders hart, obwohl sie ihn gar nicht verursacht haben.
Sicher haben die Industrieländer hier eine Verantwortung und es ist wichtig, dass wir dafür Lösungen finden. Der Klimagipfel von Kopenhagen im Dezember war diesbezüglich ja nicht gerade ein Ruhmesblatt der Staatengemeinschaft. Wir können nur hoffen, dass auf dem nächsten Klimagipfel in Cancun mehr herauskommt. Daran haben wir ein großes Interesse, denn der Klimawandel hört ja nicht vor Landesgrenzen auf.
Jetzt haben wir immer nur über die Schattenseiten von Wüsten gesprochen. Dabei bergen sie auch riesige Potenziale, wenn man nur einmal an die Sonne denkt, die dort den ganzen Tag scheint. Liegt in der Energieversorgung aus der Wüste unsere Zukunft?
Das Desertec-Projekt zum Beispiel will ja Solarstrom in den Wüsten Afrikas produzieren und nach Europa leiten. Es soll aber auch zur Stromversorgung Afrikas mit beitragen. Das ist eine prima Sache, aber es gibt auch noch viele Fragezeichen.
Sie meinen, den Transport des Stroms?
Sie brauchen Netze und Leitungen, um den Strom nach Europa zu befördern. Dafür sind internationale oder bilaterale Abkommen notwendig, die noch ausgehandelt werden müssen. Es ist wichtig, da am Ball zu bleiben und Hindernisse auszuräumen.
Ob Desertec oder andere Solarprojekte: Werden die Potenziale der Wüsten Ihrer Meinung nach ausreichend genutzt?
Ich glaube, dass die Potenziale der Wüsten hinsichtlich der Energieversorgung erheblich größer sind und bisher viel zu wenig genutzt werden. Wir werden sie aber nutzen müssen und Deutschland kann dabei eine Vorreiterrolle übernehmen.
Als großer Exporteur, gerade von Fotovoltaikanlagen, wäre das für Deutschland auch ein lukratives Geschäft.
Keine Frage, Deutschland profitiert auch in dieser Hinsicht stark vom Ausbau der Solarenergie in Wüsten. Diese Investitionen sind für uns Win-Win-Situationen.
Ländliche Entwicklung, Energieprojekte, Kampf gegen Wüstenausbreitung – Ihrem Ausschuss geht die Arbeit wohl auch in den kommenden Jahren nicht aus.
Nein, bestimmt nicht, aber mir ist dabei vor allem eines wichtig: Die Entwicklungspolitik muss effizienter werden. Es ist keine Frage des Geldes, sondern der Prioritätensetzung. Wir können nur Anreize geben, Entwicklungen unterstützen. Aber letztlich müssen die Menschen in Entwicklungsländern sich selber helfen.
Das Interview führte Johanna Metz.
Dagmar Wöhrl (CSU) leitet seit November 2009 den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Bundestages. Zuvor war sie vier Jahre lang Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundeswirtschaftsministerium.
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