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Ob eine Überwachung von Abgeordneten durch Nachrichtendienste mit den gegenwärtigen Regelungen im Verfassungsschutzgesetz gedeckt ist, wird von Experten unterschiedlich beurteilt. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung unter Vorsitz des Thomas Strobl (CDU/CSU) am Donnerstag, 17. Januar 2013, deutlich. Grundlage war ein Antrag (17/8797) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Eine Beobachtung von Abgeordneten sei zulässig, wenn sie rechtsstaatlich gerechtfertigt ist, sagte Prof. Dr. Bernd Grzeszick von der Universität Heidelberg. Was die "offene Beobachtung" angeht, so sind aus seiner Sicht die Regelungen im Verfassungsschutzgesetz verfassungsgemäß und ausreichend.
Auch für "verdeckte Beobachtungen" gebe es spezifische Regelungen, "die nicht zu beanstanden sind", sagte Grzeszick. Was den Vorwurf der "Umkehr des Kontrollzusammenhangs" angeht, so könne er dem schon deshalb nicht zustimmen, da auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) unter parlamentarischer Kontrolle stehe.
Die Rechtsmäßigkeit einer Beobachtung – mit oder ohne nachrichtendienstliche Mittel – könne nur im Einzelfall entschieden werden, betonte Prof. Dr. Dr. Ulrich Battis von der Humboldt Universität Berlin. "Grundsätzlich ist beides möglich", so Battis. Nachrichtendienstliche Mittel bedürften jedoch einer gesteigerten Rechtfertigung. Eine Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes erachtet er nicht für nötig. Sinnvoll jedoch sei es, den Einzelfall durch ein Parlamentsgremium prüfen zu lassen.
Die Diskussion sei von einer "Dämonisierung der Sicherheitsbehörden" geprägt, befand Prof. Dr. Kyrill-Alexander Schwarz von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Eine offene Beobachtung ist aus seiner Sicht eher im Bereich der Bagatelle anzusiedeln. Die gesetzlichen Regelungen seien ausreichend, urteilte Schwarz. Für den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel bedürfe es einer Einzelfallabwägung. Ein grundsätzliches Verbot existiere jedoch nicht, sagte Schwarz.
Dem entgegen sieht der Rechtsanwalt Dr. Peter Hauck-Scholz im Verfassungsschutzgesetz sowie im Abgeordnetengesetz "keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für eine Beobachtungstätigkeit der Verfassungsschutzbehörden gegenüber Abgeordneten des Bundestages".
Beide Gesetze enthielten keine ausdrücklichen Regelungen, die die verfassungsrechtliche Bedeutung der Abgeordnetenstatur berücksichtigen würden, sagte Hauck-Scholz. Abgeordnete seien unter diesem Gesichtspunkt nicht mit "einfachen" Bürgern vergleichbar.
Als "zu konturarm", um den Besonderheiten des rechtlichen Abgeordnetenstatus gerecht zu werden, bezeichnete Prof. Dr. Martin Morlok von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf die Regelungen. Die Verfassungsschutzbehörde benötige für die Beobachtung eines Abgeordneten zudem die vorherige Zustimmung eines Bundestagsgremiums, sagte er. Dabei müsse der Verfassungsschutz "tatsächliche Verdachtsmomente darlegen, die gegen den zu beobachtenden Abgeordneten vorliegen".
Abgeordnete sollten nicht generell gegen jegliche Maßnahmen des Verfassungsschutzes geschützt werden, sagte Prof. Dr. Christoph Gusy von der Universität Bielefeld. Derartigen Maßnahmen müssten aus seiner Sicht jedoch vom Präsidenten des Bundestages genehmigt werden. (hau/18.01.2013)