Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Auch wenn sich alle Fraktionen über den grundsätzlichen Erfolg des dualen Ausbildungssystems einig sind, gibt es dennoch ein großes unbearbeitetes Feld: Rund 300.000 junge Menschen verharren nach der Schule im sogenannten Übergangssystem und finden nur sehr schwer den Anschluss an Qualifizierung und Ausbildung. Das wurde in der Debatte zum Berufsausbildungssystem am Donnerstag, 17. Januar 2013, deutlich.
Bundesministerin Prof. Dr. Annette Schavan (CDU) ging in ihrer Rede zum dualen Ausbildungssystem ebenfalls auf diesen Punkt ein und stellte zunächst die gute Entwicklung in den Vordergrund: Immerhin sei seit 2005 die Zahl der jungen Leute in dem Bereich um 30 Prozent zurück gegangen.
Doch auch sie sagte: "Unser Ziel muss sein, in den nächsten zwei, drei Jahren das Übergangssystem auf Null zu bringen." Es müsse eine wirkliche Korrespondenz vom Schulabschluss in die duale Ausbildung geben.
Der Sozialdemokrat Willi Brase ging ebenfalls auf die jungen Menschen im Übergangssystem ein. "Was machen wir mit den fast 300.000 jungen Menschen im Übergangsbereich?", fragte er. Über 80 Prozent der dort verweilenden Jugendlichen verfügten über einen Hauptschulabschluss oder mittleren Schulabschluss und teilweise sogar über einen Fachhochschulabschluss oder Abitur.
Gleichzeitig werde darüber debattiert, dass immer mehr Jugendliche nicht ausbildungsreif seien. "Wenn so viele Menschen mit einem guten Abschluss in diesem Bereich verharren, dann läuft etwas schief", sagte Brase.
Der Liberale Heiner Kamp lobte das duale Ausbildungssystem und kritisierte vehement die Vorschläge der Grünen, die ein Konzept namens Dual Plus vorgelegt haben.
Dass es im ureigenen Interesse der Wirtschaft liege, den Fachkräftenachwuchs zu sichern, klinge zwar in dem Antrag an, jedoch zögen die Grünen insgesamt die falschen Schlüsse. "Wir brauchen weder Zwangsabgaben, noch Strafen für Ausbildungsbetriebe", so Kamp.
Agnes Alpers lobte für Die Linke ebenfalls das duale Ausbildungssystem. Sie trat dafür ein, eine "Ausbildung für alle" zu garantieren. Immer noch gebe es 2,2 Millionen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren ohne Berufsabschluss.
Nur die Hälfte davon sei überhaupt erwerbstätig. "Ohne Ausbildung werden sie ihre Lebenssituation nicht verändern könne", resümierte sie.
Aber nicht nur die Situation in Deutschland war Thema in der Debatte. Vor allem Annette Schavan und Kai Gering (Bündnis 90/Die Grünen) gingen auf die Situation in Europa ein. Schavan konstatierte eine Veränderung der Mentalitäten bei der beruflichen Bildung: "Die Internationalisierung der beruflichen Bildung ist voll im Gang."
In Zukunft werde die Europäisierung noch wichtiger als bisher. "Wir brauchen das EU-Starter-Programm. Wir brauchen eine wirkliche Strategie aller Länder, sodass wir den 7,5 Millionen Jugendlichen in Europa bis 25 Jahre die Chance geben, in Qualifizierung und Ausbildung einzusteigen", warb sie. Das gelte für südeuropäische Länder ebenso wie für Länder in Nordeuropa.
Die katastrophale Jugendarbeitslosigkeit sei eines der drängendsten Probleme in Europa, mahnte Kai Gehring eindringlich und spielte damit auch auf die schwierige Lage in Spanien und Südeuropa an. Dort sei jeder zweite Jugendliche arbeitslos. "Eine Jugend ohne Perspektive birgt sozialen Sprengstoff", so Gehring. Das sei die alarmierende soziale Krise in Folge der Finanzkrise.
Als solidarische Europäer müsse es Deutschland umtreiben, dass eine ganze Generation junger Europäer abgehängt zu werden drohe. An die Adresse der Koalition sagte Gehring: "Für ein soziales Europa steht Schwarz-Gelb sicher nicht."
Der Berichterstatter für den Bildungsausschuss, Uwe Schummer (CDU/CSU), plädierte für weitere Stärkung der Bildungsketten. Das bedeute, dass Schüler schon während ihrer Schulzeit professionell unterstützt werden müssten und bis in die Ausbildung hinein individuell begleitet werden sollten.
Schummer: "Es muss lange vor dem Ende der Schule mit externer Kompetenz geschaut werden: Was sind die Schwächen, was sind die Stärken?"
Der einstündigen Debatte zum dualen System lagen die Anträge von CDU/CSU und FDP "Das deutsche Berufsbildungssystem – Versicherung gegen Jugendarbeitslosigkeit und Fachkräftemangel" (17/10986), der Antrag der SPD "Jugendliche haben ein Recht auf Ausbildung" (17/10116), der Antrag der Linken "Perspektiven für 1,5 Millionen junge Menschen ohne Berufsabschluss schaffen - Ausbildung für alle garantieren" (17/10856) sowie der Grünen "Mit DualPlus mehr Jugendlichen und Betrieben die Teilnahme an der dualen Ausbildung ermöglichen" (17/9586) und die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (17/12089) zugrunde.
Der Koalitionsantrag wurde gegen das Votum der Opposition angenommen, die Anträge der Opposition fanden keine Mehrheit. (rol/17.01.2013)