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Dass der Verteidigungshaushalt des Bundes Gegenstand von Sparanstrengungen werden könnte, bereitet dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus, einiges Kopfzerbrechen. Bei der Übergabe des 54. Jahresberichts für 2012 (17/12050) an Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert sagte Königshaus am Dienstag, 29. Januar 2013, es gebe an vielen Stellen Verbesserungsbedarf, der mit Einsparungen nur schwer unter einen Hut zu bekommen sei. Da müsse gefragt werden, was "noch möglich und zumutbar" ist, sagte Königshaus.
Ob der Verteidigungsetat Konsolidierungsanforderungen unterliegt, ist aus Sicht des Bundestagspräsidenten Spekulation. Der Bundestag werde sich als Auftraggeber von Auslandseinsätzen der Bundeswehr und als Haushaltsgesetzgeber damit befassen und seine Prioritäten setzen.
Die Dienst- und Einsatzbelastung der Soldaten hat nach Darstellung des Wehrbeauftragten "vielfach die Grenzen der Belastbarkeit erreicht, teilweise bereits überschritten". Eine bessere Stimmung in der Truppe zeichne sich nicht ab, was auch an den Folgen der Stationierungsentscheidungen liege, die zu weiterer "Pendelei" und noch stärkerer Belastung der Soldatenfamilien führten.
Vereinzelt hätten auch gravierende Mängel beim Führungsverhalten festgestellt werden müssen. Vor allem Mängel bei der Menschenführung, der Befehlsgebung, der Dienstaufsicht und der Fürsorge gäben Anlass zur Sorge. Bei der Ahndung von Dienstvergehen sei in Einzelfällen ein "Messen mit zweierlei Maß" zu beobachten, was zum Eindruck führe, dass "die Kleinen gehängt" werden und man die "Großen laufen" lasse.
67 rechtsextreme Vorfälle seien 2012 gemeldet worden, was einen leichten Anstieg bedeute. Alle Vorgänge seien eingehend untersucht und geahndet worden. In einigen schwerwiegenden Fällen sei die gerichtliche Überprüfung inzwischen abgeschlossen.
Berichte über die Vergewaltigung einer Soldatin in Bückeburg hätten zu vielfältigen Fragen geführt, ob und wie häufig in der Bundeswehr Fälle von sexueller Gewalt oder sexueller Belästigung vorkommen. Königshaus spricht von einer "nicht unerheblichen Dunkelziffer", die die Bundeswehr jetzt durch eine Studie untersuchen wolle.
Eine unvermeidliche Belastung sei es für die Soldaten, immer wieder aus dienstlichen Gründen von der Familie getrennt zu sein. Wochenlange Kommandierungen und mehrmonatige Auslandseinsätze führten zu überdurchschnittlichen Trennungs- und Scheidungsraten.
Jungen Eltern werde es erschwert, von ihrem Recht auf Elternzeit Gebrauch zu machen oder aber mit Rücksicht auf Kleinkinder eine längere Abwesenheit zu vermeiden, etwa wegen eines mehrmonatigen Auslandseinsatzes. "Hier muss ein Umdenken einsetzen", fordert Königshaus. Durch Vertretungsreserven müssten solche Konflikte künftig vermieden werden.
Königshaus weist in seinem Bericht ferner auf fehlende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder hin. Verbesserungen seien nur in geringem Umfang geplant, was unverständlich sei, weil die Bundesregierung die Arbeitgeber der zivilen Wirtschaft auffordere, eigene Betriebskindergärten einzurichten und sie auch durch ein Förderprogramm unterstütze.
Den Frauenanteil in den Streitkräften gibt Königshaus mit 9,65 Prozent Ende 2012 an. Die vorgegebenen Quoten von 50 Prozent im Sanitätsdienst und von 15 Prozent in den übrigen Laufbahnen hätten somit noch nicht erreicht werden können.
Bei den Auslandseinätzen stellt der Wehrbeauftragte deutliche Verbesserungen bei Ausrüstung und Bewaffnung, aber dennoch weiterhin bestehende Defizite fest. Das Ziel, nach vier Monaten Einsatzdauer 20 Monate "einsatzfrei" zu halten, habe nur begrenzt erreicht werden können. Die "Betreuungskommunikation" habe deutlich verbessert werden können, wenn es auch noch erheblichen Handlungsbedarf gebe, etwa auf den Schiffen und Booten der Marine.
Weiter verbessert habe sich auch die Versorgung von verwundeten Soldatinnen und Soldaten. Allerdings gebe es weiterhin massive Probleme, wenn Traumatisierte ihre Ansprüche geltend machen. Deren Zahl habe 2012 mit 1.143 einen neuen Höchststand erreicht. Königshaus begrüßt, dass die Universitäten der Bundeswehr darauf mit ergänzenden Studienangeboten reagiert haben.
Der Umgang mit seelisch erkrankten Einsatzrückkehrern habe sich durch die Einrichtung einer Ansprechstelle im Ministerium verbessert. Dennoch müssten strukturelle Mängel noch beseitigt werden, heißt es in dem Bericht weiter.
Unzureichend sei auch die langfristige Betreuung von Einsatzrückkehrern nach dem Ende ihrer Dienstzeit. Hier komme der Dienstherr seiner Pflicht zu entsprechender Betreuung und Behandlung noch immer nicht ausreichend nach.
Bei der Übergabe des Berichts dankte Königshaus dem Bundestag für die gute Zusammenarbeit und die kritische Begleitung seiner Arbeit, auch für die "knappe, aber auskömmliche" Budgetierung des Amtes, das für die Truppe wichtig sei. Der Bundestag habe Verbesserungen angestoßen und angetrieben, die über das hinausgingen, was die militärische Führung beantragt hatte.
Königshaus dankte auch der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Dr. Susanne Kastner (SPD), und den Obleuten und Berichterstattern der Fraktionen für die "gute Zusammenarbeit".
Lammert unterstrich, das Amt des Wehrbeauftragten sei eine "Konstruktion, die sich bewährt hat". Er betonte die "besondere Verantwortung" des Bundestages für die Soldaten. Sich mit deren Problemen zu befassen, sei "anspruchsvoll, aber notwendig".
Auch Lammert dankte dem Wehrbeauftragten und dessen Mitarbeitern sowie dem Verteidigungsausschuss, bei dem die Anliegen des Wehrberichts "in besten Händen" seien. (vom/29.01.2013)