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Der Bundestag will am Donnerstag, 21. Februar 2013, im zweiten Anlauf das Bundeswahlgesetz ändern und es damit an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2008 anpassen. Das neue Wahlrecht kommt dann bereits bei der Bundestagswahl am 22. September dieses Jahres zum Tragen. Für die zweite und dritte Beratung ab 16.50 Uhr ist eine Stunde angesetzt. Abgestimmt wird über eine Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu einem gemeinsamen Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen zur 22. Änderung des Bundeswahlgesetzes (17/11819).
Die Debatte wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Bei der Berechnung der Sitzzuteilung im Bundestag, die nun neu geregelt werden soll, hat sich ein "für den Wähler kaum noch nachzuvollziehendes Regelungsgeflecht" entwickelt, wie es in einem der zahlreichen Wahlrechtsurteile aus Karlsruhe heißt.
Als verfassungswidrigen Effekt dieses Regelungsgeflechts hat das Verfassungsgericht 2008 das sogenannte negative Stimmgewicht gerügt; die paradoxe Situation, dass mehr Zweitstimmen für eine Partei zu weniger Sitzen dieser Partei im Bundestag führen können.
Auch wenn der Effekt des negativen Stimmrechts "von unterschiedlichen Zusammenhängen" abhängt, wie es in dem Karlsruher Wahlrechtsurteil von 2008 heißt, sei damit jedenfalls "regelmäßig dann zu rechnen, wenn bei einer Wahl Überhangmandate entstehen". Als zulässige Höchstgrenze für Überhangmandate ohne Ausgleich haben die Verfassungsrichter in ihrem Wahlrechtsurteil von 2012 "etwa 15" festgesetzt.
Weiter bestimmte das Gericht, dass den Bundesländern nicht länger Sitzkontingente nach der Wählerzahl zugeordnet werden dürften. Der Gesetzentwurf der Fraktionen sieht deshalb vor, dass künftig der Bevölkerungsanteil der Länder maßgeblich für die Sitzzuteilung sein soll.
Die politisch zentrale Neuerung der Reform betrifft jedoch die Überhangmandate. Erringt eine Partei mehr Direktmandate als es ihrem Zweitstimmenanteil entspricht, sollen Ausgleichsmandate an die anderen Parteien vergeben werden bis die Gesamtzahl der Mandate pro Partei (Direktmandate plus Listenmandate) den Anteil der für die Parteien abgegebenen Zweitstimmen möglichst genau wiedergibt.
Die Wirkung der Überhangmandate soll also vollständig neutralisiert werden. Diesen Weg hatte die SPD-Fraktion bereits bei der letzten Wahlrechtsreform vorgeschlagen. Die Unionsparteien, die bei der Bundestagswahl 2009 alle 24 Überhangmandate erhielten, setzten 2011 jedoch gemeinsam mit der FDP durch, dass die Überhangmandate durch die Neuregelung nicht angetastet wurden.
Auf Widerstand stößt das nun vorgesehene Ausgleichsmodell, für das nicht nur die Koalitionsfraktionen, sondern auch Bündnis 90/Die Grünen von früheren Positionen abrückten, weiterhin bei der Linksfraktion. Ihr Gesetzentwurf (17/11821) sieht stattdessen vor, Überhangmandate mit Listenmandaten der betreffenden Partei in anderen Bundesländern zu verrechnen. Auch über diesen Gesetzentwurf wird abgestimmt.
Dagegen wird vor allem in der CDU, aber auch in der SPD eingewandt, dieser Vorschlag gehe zulasten bestimmter Landesverbände und führe zu erheblichen föderalen Verzerrungen. Die Linksfraktion wendet ihrerseits gegen das Ausgleichsmodell ein, es könne zu einer Aufblähung des Bundestages führen. Dazu heißt es in den übrigen Fraktionen, gemessen an der Einwohnerzahl habe Deutschland eines der kleinsten Parlamente in Europa.
Der federführende Innenausschuss hat dem Gesetzentwurf der vier Fraktionen am Mittwoch, 20. Februar, in geänderter Fassung zugestimmt. Nach einem vom Ausschuss angenommenen Änderungsantrag von Union, SPD, FDP und Grünen sollen die Sitzkontingente der Länder nicht wie ursprünglich vorgesehen indirekt über eine Verdoppelung der nach Bevölkerungsanteilen auf die Länder verteilten Wahlkreise gebildet werden, sondern unmittelbar nach dem jeweiligen Bevölkerungsanteil.
"Zur Vermeidung von Überhangmandaten" wird der Vorlage zufolge "in einer zweiten Stufe der Sitzverteilung die Gesamtzahl der Sitze so weit erhöht, bis bei anschließender bundesweiter Oberverteilung an die Parteien und Unterverteilung auf die Landeslisten alle Wahlkreismandate auf Zweitstimmenmandate der Partei angerechnet werden können".
Zur Abstimmung steht ferner eine Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu Gesetzentwürfen der SPD (17/1047) und von Bündnis 90/Die Grünen (17/1150) zur Änderung von Artikel 28 Absatz 1 des Grundgesetzes. Beide Fraktionen wollen, dass alle in Deutschland wohnenden Ausländer das kommunale Wahlrecht erhalten können. Bereits jetzt können sich EU-Ausländer, die drei Monate in Deutschland leben, an Kommunalwahlen beteiligen. Ausländern aus Nicht-EU-Staaten wird dies bislang nicht ermöglicht.
Das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer fordert auch die Linksfraktion. Ihr Antrag (17/1146), das kommunale Wahlrecht auch solchen Ausländern mit ständigem Wohnsitz in Deutschland einzuräumen, die nicht aus EU-Staaten kommen, wird am 21. Februar ebenfalls abgestimmt. (gel/vom/18.02.2013)