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Vor 60 Jahren, am Donnerstag, 19. März 1953, ratifiziert der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der Regierungskoalition aus CDU/CSU, FDP und Deutscher Partei (DP) den "Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten", kurz Deutschlandvertrag oder auch Generalvertrag genannt. Das von den drei westlichen Alliierten Frankreich, Großbritannien, USA und Deutschland am 26. Mai 1952 unterzeichnete Abkommen gibt der Bundesrepublik wieder weitgehende Souveränität. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags endet das bis dahin geltende Besatzungsstatut. Damit kann Deutschland diplomatische Beziehungen mit anderen Staaten aufnehmen.
Die Rechte über Deutschland als Ganzes und Berlin behalten sich die drei Siegermächte allerdings weiterhin vor. Diese enden erst mit der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 und der dazu benötigten Zustimmung der Westmächte. Das Übereinkommen verpflichtet die Unterzeichnenden auf die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit und den Abschluss eines Friedensvertrages. Sein Inkrafttreten ist jedoch gekoppelt an den deutschen Beitritt zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG).
Die damit verbundene deutsche Wiederbewaffnung und die von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) angestrebte Westbindung stoßen bei der Opposition auf Widerstand. Die SPD unter ihrem Partei- und Fraktionsvorsitzenden Erich Ollenhauer ist sowohl gegen die Wiederbewaffnung als auch gegen die Westintegration. Beides würde nach Ansicht der SPD eine deutsche Wiedervereinigung unmöglich machen. Verhandlungen über die Souveränität Deutschlands müssten ohne die Kopplung an einen europäischen Verteidigungsbeitrag stattfinden, fordert der SPD-Vorsitzende.
Die Politik der Belohnung für Wohlverhalten stehe in krassem Widerspruch zur Partnerschaft freier Völker, kritisiert Ollenhauer. Die Politik der Westintegration sei auch nicht geeignet den Frieden zu sichern, sondern gefährde ihn. "Die Eingliederung der Bundesrepublik in das militärische Verteidigungssystem des Westens, wie sie durch den EVG-Vertrag erfolgt, kann nur zu einer Vertiefung der Spaltung Deutschlands führen" erklärt er in der abschließenden Debatte. Man müsse neue Verhandlungen aufnehmen und eine vernünftige Ostpolitik betreiben.
Eine Gefahr für die Wiedervereinigung sieht die Opposition auch in der im Deutschlandvertrag festgeschriebenen Bindungsklausel, wonach ein wiedervereinigtes Deutschland zum Westen gehören müsse. Deutschland könne nur zustande kommen, wenn die Russen mit gesamtdeutschen Wahlen einverstanden seien. "Und glaubt man denn, daß sie dazu bereit sein werden, wenn von vornherein feststehen soll, daß der Teil Deutschlands, den sie aufgeben, auf Grund einer heute geschaffenen vertraglichen Verpflichtung einem Block zugeschlagen werden soll, den dieses Russland nun einmal als feindselig empfindet?", äußert der Sozialdemokrat und Bundestagsvizepräsident Carlo Schmid seine Bedenken schon in der ersten Lesung des Vertrags am 9. Juli 1952.
Adenauer und seine Regierungskoalition sind anderer Ansicht . Der Bundeskanzler glaubt, "dass wir die Wiedervereinigung Deutschlands nur erreichen werden mit Hilfe der drei Westalliierten". Nur in einem westeuropäischen Bündnis sei Deutschland geschützt. Nur die Westintegration Deutschlands sei Garant für dauerhaften Frieden in Europa. "Die Schaffung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft bedeutet nicht Heraufbeschwörung des Krieges. Sie ist eine Gemeinschaft zur Verteidigung, nicht zum Angriff", erklärt er in der zweiten Lesung der Verträge am 3. Dezember 1952.
Die Entscheidung für die Verträge sei lebenswichtig "für das ganze deutsche Volk einschließlich der Deutschen hinter dem Eisernen Vorhang". Die Wiederbewaffnung sei angesichts der "aggressiven Expansionspolitik Sowjetrusslands" unerlässlich: Werde Deutschland nicht in die westliche Verteidigungsgemeinschaft eingebunden und gelange es in den Machtbereich Russlands, drohe der Bundesrepublik "Sklaverei und Ausbeutung", warnt Adenauer auch in der dritten Lesung der Verträge am 5. Dezember 1952. "Es handelt sich um Schicksalsfragen des deutschen Volkes und Europas", betont er noch einmal die Bedeutung der Verträge in der abschließenden dritten Lesung am 19. März 1953.
Monatelang hatten Gegner und Befürworter der Verträge um die Ratifizierung gerungen. Die unüberbrückbaren gegensätzlichen Positionen von Opposition und Koalition hatten nicht nur zu heftigem Streit im Bundestag geführt. Bündnis oder Neutralität? Aufrüstung oder nicht? Status quo oder Wiedervereinigung? Verfassungsbruch oder legaler Akt? Fast hätte das parteitaktische Gerangel auch die erste Verfassungskrise heraufbeschworen.
Um Ihre Interessen durchzusetzen hatten Koalition und Opposition versucht, mit Anträgen, die nach der Geschäftsverteilung des Bundesverfassungsgerichts von jeweils "ihrem" Senat behandelt werden mussten, das Gericht zu einer für sie günstigen Feststellung zu bewegen. Die SPD wollte die Feststellung durch das Gericht, dass die Verträge nur nach einer entsprechenden Grundgesetzänderung angenommen werden könnten. Dafür wäre dann eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag notwendig.
Die Regierungskoalition hingegen wollte über ein Gutachten durch einen anderen Senat des Bundesverfassungsgerichts die Feststellung erwirken, die Verabschiedung der Verträge sei mit einfacher Mehrheit möglich. Das Gericht schließlich wies beide Anträge als unzulässig zurück. Nachdem die Verträge am 19. März 1953 den Bundestag passiert hatten, stellte die SPD-Fraktion erneut einen Antrag auf Feststellung der Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Die Entscheidung darüber verzögerte sich jedoch bis nach der anstehenden Bundestagswahl im September 1953. Bei dieser Wahl erlangte die Regierungskoalition Adenauers eine Zweidrittelmehrheit, und der Streit erledigte sich.
Die Parlamente Großbritanniens und der USA ratifizierten den Deutschlandvertrag und den EVG-Vertrag. Die französische Nationalversammlung hingegen lehnte beide Verträge am 30. August 1954 ab. Damit konnten die Verträge nicht in Kraft treten. Der Deutschlandvertrag trat in aktualisierter Fassung als Teil der Pariser Verträge 1955 in Kraft. Im gleichen Jahr, am 5. Mai 1955, trat die Bundesrepublik der Nato bei. Der Aufbau der Bundeswehr begann. (klz/15.03.2013)