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Gegenüber Delegierten aus Kairo will Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) bei der Tagung der Parlamentarischen Versammlung der Union für den Mittelmeerraum am 11. und 12. April 2013 in Brüssel darauf dringen, "dass Ägypten ein Rechtsstaat wird, in dem Menschenrechte respektiert und Minderheiten geschützt werden". Er beobachte die "teilweise beunruhigenden Entwicklungen" in diesem Land mit Sorge, so der CDU-Abgeordnete im Interview. Aus Sicht des Leiters der Bundestagsdelegation kann die Versammlung den Aufbau demokratischer Parlamente in den arabischen Umbruchländern unterstützen, etwa durch Trainingsprogramme für Abgeordnete und junge Führungskräfte. Das Interview im Wortlaut:
In Brüssel will auch Martin Schulz auftreten. Was erwarten Sie sich von der Rede des Präsidenten des EU-Parlaments?
Schulz, der neben der EU-Volksvertretung auch unserer Versammlung vorsteht, hat während seiner einjährigen Amtszeit wesentliche Impulse vermittelt, und ich erwarte, dass er bei seiner Rede weitere motivierende Fingerzeige geben wird. Wir verstehen uns als Plattform für den interparlamentarischen Dialog in einer Region, die in starkem Maße von den arabischen Umwälzungen und vom Nahostkonflikt geprägt ist. Im vergangenen Jahr haben wir uns auf einige wenige Schwerpunkte und konkrete Projekt konzentriert, etwa auf Städtekooperationen im Bereich der Abwasserentsorgung oder auf Partnerschaften zwischen Universitäten und Schulen aus verschiedenen Ländern. Solche Initiativen machen unsere Arbeit bürgernäher. Wenn sich Bundestagspräsident Norbert Lammert mit den Chefs der anderen in unserer Versammlung verbundenen Parlamente wie dieser Tage in Marseille trifft, dann verschafft uns dies ebenfalls neue Schubkraft.
Unterstützt das EU-Abgeordnetenhaus Ihre Versammlung mit dem gebotenen Nachdruck? Spielt Ihre Arbeit in der Politik der EU-Volksvertretung überhaupt eine Rolle?
Unsere Versammlung hat die gleiche Zielrichtung wie das Europäische Parlament, das die EU-Nachbarschaftspolitik kontrolliert, und überschneidet sich thematisch mit dessen Arbeit. Wir sind jedoch institutionell schwächer ausgestattet und haben noch kein eigenes Sekretariat, weswegen uns das EU-Abgeordnetenhaus organisatorisch unter die Arme greift. Schulz hat die Zusammenarbeit durch den Ausbau gemeinsamer Arbeitsstäbe gefördert, etwa im Bereich des Projekts "Mediterraner Solarplan".
Schulz wird wohl nicht umhin kommen, auf die Euro-Krise einzugehen, die vor allem Zypern, Griechenland, Italien, Spanien und Portugal trifft. Sind diese Krisenstaaten als Kooperationspartner für die arabischen Mittelmeerländer eigentlich noch attraktiv?
Unsere Versammlung begreift sich als Forum für den interkulturellen parlamentarischen Dialog in der Mittelmeerregion. Gerade die Abgeordneten aus den südlichen EU-Staaten können in diese Debatte wichtige Erfahrungen einbringen, von denen die Delegierten aus den arabischen Mittelmeeranrainern profitieren können. Im Übrigen haben viele Anliegen unserer Vereinigung, wie der Abbau von Handelshemmnissen oder die Erleichterung der Mobilität von Arbeitskräften, durch die Finanz- und Wirtschaftskrise an Bedeutung nicht verloren, sondern gewonnen.
Sind die Parlamente in den von Umwälzungen und Unruhen geschüttelten arabischen Staaten willens und in der Lage, sich neben den Konflikten im Innern auch noch der Kooperation mit Volksvertretern aus Europa zu widmen? Wie geht Ihre Versammlung mit den Moslembrüdern um, die in Ägypten die Wahlen gewonnen haben? Von Reformen hat man sich in der EU nicht gerade einen Vormarsch dieser Kräfte erhofft.
Die Unterstützung der arabischen Länder, die einen politischen Wandel durchleben, gehört zu den Schwerpunkten konkreter Projekte unserer Versammlung, wir bieten etwa Trainingsprogramme für Parlamentarierinnen und junge Führungskräfte aus dem Maghreb an. Volksvertreter aus den Umbruchländern können gerade jetzt beim Aufbau demokratischer Parlamente von unserer Versammlung profitieren. Die teilweise beunruhigenden Entwicklungen in Ägypten beobachte ich mit Sorge. Als deutscher Delegationsleiter werde ich in Brüssel das Gespräch mit Delegierten aus Kairo suchen und unsere Position zum Ausdruck bringen. Ziel muss es sein, dass Ägypten ein Rechtsstaat wird, in dem Menschenrechte respektiert und Minderheiten geschützt werden.
Bei den Debatten in Brüssel wird man um den Krieg in Syrien keinen Bogen machen können. Wird man auch die heikle Frage erörtern, ob die EU syrische Aufständische mit Waffen versorgen soll?
Es gehört nicht zu den Aufgaben unserer Versammlung, sich mit dem Für und Wider von Interventionen in gewaltsame Auseinandersetzungen einzelner Länder zu befassen. Uns geht es darum, trotz regionaler Konflikte den parlamentarischen Dialog und unsere konkreten, im Interesse der Bürger liegenden Projekte im Mittelmeerraum fortzuführen. Gleichwohl steht die Lage in Syrien beim Treffen in Brüssel natürlich auf der Tagesordnung des Politischen Ausschusses unserer Versammlung.
(kos/05.04.2013)