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Bundestagspräsident Norbert Lammert bei seiner Ansprache vor der Hamburgischen Bürgerschaft © picture-alliance/dpa
Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert hat dazu aufgerufen, die Lehren aus der Geschichte zu ziehen und die parlamentarische Demokratie wachsam zu unterstützen. Bei einer Gedenkveranstaltung der Hamburgischen Bürgerschaft zum gewaltsamen Ende der ersten deutschen Demokratie durch das Ermächtigungsgesetz und das Gleichschaltungsgesetz vor 80 Jahren und für die Opfer des Nationalsozialismus erinnerte Lammert am Donnerstag, 11. April 2013, eindringlich an die Stationen des Scheiterns der Weimarer Republik im Jahr 1933.
In der vollbesetzten Bürgerschaft unter dem Vorsitz ihrer Präsidentin Carola Veit und im Beisein des Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz nannte Lammert das Ende der Weimarer Republik "weder zufällig noch zwangsläufig". Die erste deutsche Demokratie sei keineswegs nur an ihren Gegnern zugrunde gegangen, sondern auch an mangelnder Einsicht, Zivilcourage und Unterstützung aus Politik, Wirtschaft, Medien und Wissenschaft.
Von Anfang an hätten Skepsis und Gegnerschaft die politische Kultur der Weimarer Republik ebenso geprägt wie die Unfähigkeit zum Kompromiss. Der erzwungene Abschied von der Demokratie und die Zerstörung des Rechtsstaates habe geradewegs in den Holocaust geführt.
In bewegenden Worten erinnerte Lammert zugleich an die sozialdemokratischen Abgeordneten und ihr historisches Verdienst, der nationalsozialistischen Repression widerstanden zu haben. Nachdem Parlament und Staat das Recht genommen worden sei, habe der SPD-Fraktionsvorsitzende Otto Wels in seiner berühmten letzten Rede für die Widerständler nur mehr die Ehre reklamieren können, die offensichtlich mehr als eine Sekundärtugend sei.
Wels und viele andere, die sich der nationalsozialistischen Diktatur widersetzten, die ihr Leben verloren, verhaftet, drangsaliert oder außer Landes getrieben wurden, nannte der Bundestagspräsident unter starkem Beifall des Hamburger Abgeordnetenhauses "die stillen Helden der Demokratie".
Die Reihe bedeutsamer Gedenktage, an denen in diesem Jahr des gewaltsamen Endes der ersten deutschen Demokratie gedacht wird, gehen für Lammert weit über das historische Erinnern hinaus. Dieses Gedenken diene auch zur Beobachtung von Risiken und Herausforderungen, denen demokratische Verhältnisse ausgesetzt seien – auch heute gebe es "demonstrative Intoleranz, hysterische Parolen, gedankenlose Vergleiche, menschenverachtende Pöbeleien".
Zwar sei der Parlamentarismus in Deutschland heute ungleich robuster als in der Weimarer Republik, aber eben nicht unangefochten. Vielleicht, setzte der Bundestagspräsident hinzu, trete er auch nicht immer so selbstbewusst auf, wie er sollte.
Kein Land jedenfalls könne aus seiner eigenen Geschichte aussteigen, wie auch kein Mensch aus seiner eigenen Biografie, sagte Lammert. Und kein Land auf der Welt habe mehr Grund für einen selbstkritischen Umgang mit der eigenen Geschichte als Deutschland. Erinnerungskultur bleibe deshalb eine unverzichtbare Bedingung für die Wiedererlangung des aufrechten Gangs. Die Konsequenz aus dem gewaltsamen Ende der ersten deutschen Demokratie habe zu einem der zentralen Ziele des Grundgesetzes geführt: die Verhinderung einer sich verselbstständigenden Staatsgewalt.
Die erste Rede eines Bundestagspräsidenten vor der Hamburgischen Bürgerschaft schloss Lammert mit den Worten: "Wir verneigen uns heute vor allen Opfern der nationalsozialistischen Diktatur, und unser besonderer, dankbarer Respekt gilt all denen, die während und nach der brutalen Zerstörung der ersten deutschen Demokratie den politischen, sozialen und moralischen Wiederaufbau unseres Landes möglich gemacht haben." (eh/12.04.2013)