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7,5 Millionen erwerbsfähige Menschen können in Deutschland nicht richtig lesen und schreiben. Europaweit gehen Studien von 75 Millionen Analphabeten aus. Bei der Internationalen Parlamentarierkonferenz am Montag, 22. April 2013, zum Abschluss der UN-Weltdekade für Alphabetisierung diskutierten Abgeordnete und Wissenschaftler im Deutschen Bundestag über diese Zahlen.
"Dies ist eine eher konservative Rechnung", präsentierte Dr. Anke Grotlüschen, Professorin an der Universität Hamburg, aktuelle Ergebnisse zur Lese- und Schreibfähigkeit von Erwachsenen der Level-One-Studie. Die Studie wurde 2010 vom Bundesbildungsministerium in Auftrag gegeben. Bereits seit 2003 widmete sich die UN-Weltdekade gezielt dem Problem des Analphabetismus.
Ulla Burchardt, Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, hofft zum Abschluss dieser UN-Weltdekade auf einen "etwas lauteren Knall" als dies bisher der Fall gewesen sei. Sie wünsche sich vor allem mehr Dynamik beim Thema Alphabetismus in Deutschland und weltweit.
Denn vor dem Hintergrund des drohenden Fachkräftemangels in den kommenden Jahren seien die Millionen Analphabeten nicht nur ein sozialpolitisches Problem, sondern auch beschäftigungspolitischer Natur, weist Dr. Helge Braun (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, auf negative Auswirkungen am Arbeitsmarkt hin. Der Zugang zu Beschäftigung und die Karriere- und Aufstiegschancen seien eng mit der Lese- und Schreibkompetenz verbunden.
Jedoch erklärt Anke Grotlüschen bei der Internationalen Parlamentarierkonferenz: "Funktionaler Analphabetismus ist kein randständiges Problem." 56 Prozent der Analphabeten haben in Deutschland einen Schulabschluss, knapp die Hälfte ist berufstätig.
"Die Alphabetisierung ist in den letzten Jahren zwar gestiegen, aber sie steigt zu langsam", so Prof. Dr. Christoph Wulf von der deutschen Unesco-Kommission. Das Problem des Analphabetismus sei noch immer nicht hoch genug auf der politischen Agenda, so der Professor. Denn: "Nur wer lesen und schreiben kann, kann aktiv an der Gesellschaft mitwirken und seine Rechte einfordern."
Alphabetisierung sei Grundlage allen Lernens und jeglicher Bildung, darüber waren sich Politiker und Wissenschaftler auf der Konferenz einig. Lesen und schreiben zu können, sei die Grundlage, um in der Gesellschaft mithalten zu können. Deshalb forderte Professor Wulf langfristige politische Strategien, die alle gesellschaftlichen Bereiche berücksichtigen und nicht nur im Bildungssektor greifen. (ldi/22.04.2013)