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Will man in Lettland ein Topjurist werden, muss man Deutsch können. Diese Aussage einer der anerkanntesten Verfassungsrechtlerinnen seines Landes hatte sich der Jurastudent Girts Strazdins zu Herzen genommen und seine Deutschkenntnisse sukzessiv verbessert. Ob er tatsächlich einmal in die erste Riege der Juristen seines Landes aufsteigen wird, wird sich zeigen. Die Entscheidung Deutsch zu lernen hat sich für ihn in jedem Fall gelohnt.
"In Lettland ist die erste Fremdsprache Englisch", sagt er. Deutsch zu sprechen sei durchaus etwas Außergewöhnliches. "Die Sprache zu können schafft einem beispielsweise den Zugang zu einem breiten Angebot an Stipendien", sagt Girts Strazdins. Und es ist auch die Grundvoraussetzung für seinen derzeitigen Aufenthalt in Berlin. Der 24-Jährige aus der lettischen Hauptstadt Riga nimmt am Bundestagsprogramm des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS) teil. Noch bis Ende Juli absolviert er ein Praktikum im Büro des Hamburger CDU-Abgeordneten Jürgen Klimke.
Bedingt durch die Arbeitsschwerpunkte Klimkes sitzt der Jurist Girts Strazdins nun oft im Ausschuss für Menschenrechte sowie im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit statt im Rechtsausschuss. Was nicht unbedingt ein Nachteil ist. "Das weitet meinen Blick", sagt er.
Ohnehin sieht er seine Erwartungen an das IPS übertroffen. "Es ist großartig zu erleben, wie in einem der mächtigsten Staaten der Welt Demokratie funktioniert und wie die Entscheidungen getroffen werden", zeigt er sich begeistert. Für einen CDU-Abgeordneten zu arbeiten, trifft ebenfalls seinen Geschmack. "Die Partei ist mir am nächsten, auch wenn ich nicht mit allem einverstanden bin", sagt er.
Was den Einfluss des einzelnen Abgeordneten auf die politischen Entscheidungen angeht, so kommt er nach knapp dreimonatiger Arbeit im Bundestag schon anhand eines Zahlenvergleichs zu der Einschätzung, dass lettische Parlamentarier einflussreicher sind. "Unser Parlament hat nur 100 Mitglieder, was dem Einzelnen ein stärkeres Gewicht gibt", sagt Girts Strazdins.
Und noch einen weiteren Eindruck hat er gewonnen, der den deutschen Parlamentariern – speziell jenen aus den Koalitionsfraktionen – nicht unbedingt schmecken wird. "In Deutschland wird doch ziemlich viel von der Regierung vorgegeben", lautet seine Einschätzung. Den einzelnen Abgeordneten fehle es oft an Fachwissen und auch der Zeit, um in alle Einzelheiten eines Gesetzgebungsaktes einzudringen.
Girts Strazdins sieht das als nicht problematisch an. Es müsse ein Vertrauensverhältnis zwischen Regierung und die sie stützenden Fraktionen geben. Die Gefahr, dass Regierungsvorlagen ungeprüft durchgewinkt werden, sieht er dennoch nicht. Mit der Opposition, der Presse und der Zivilgesellschaft gebe es viele Akteure, die auf Probleme hinweisen könnten.
Und dann sind da ja noch die Gerichte – allen voran das Bundesverfassungsgericht. "Dass die Gerichtsbarkeit einen großen Einfluss in Deutschland hat, habe ich schon im Studium gelernt", sagt der Lette. Es seien oft die Entscheidungen der Gerichte, die in der Praxis Anwendung finden würden. "Das kann dann auch etwas anderes sein als das Parlament eigentlich wollte." Dabei weiß auch Girts Strazdins: "Es sollte eigentlich die Ausnahme sein, dass ein Gericht eine Parlamentsentscheidung korrigiert."
Die teils kritischen Aussagen des 24-Jährigen werfen die Frage auf, ob er denn selbst auch gedenkt in die Politik zu gehen? Ausschließen, so Girts Strazdins, wolle er das nicht. Wenn es so weit kommen sollte, dann aber erst in zehn oder auch 20 Jahren, sagt er. Schließlich müsse man seine Erfahrungen gesammelt und auch eine gewisse finanzielle Sicherheit erreicht haben, bevor man sich der Politik widmen könne, findet er.
Vorerst sieht der Jurist seine Zukunft eher im privatwirtschaftlichen Sektor. Ausgestattet mit einem Bachelor-Abschluss in Rechtswissenschaften verdient er sein Geld mit privaten Rechtsberatungen. Zudem ist er gerade dabei seinen Master zu machen. "Die Abschlussarbeit fehlt noch", sagt er. Im nächsten Jahr will er einen Aufbaustudiengang in Deutschland machen. "Eine Einführung in das deutsche Recht", präzisiert Girts Strazdins. Mehr sei in einem einzigen Jahr nicht möglich.
Einen klassischen Masterplan für die berufliche Karriere hat der in Kuldiga im Westen Lettlands geborene 24-Jährige nicht. "Es kommt, wie es kommt", sagt er. Allerdings: Eine Tätigkeit, die sich nur auf ein einziges Land beschränkt, ist eher nichts für ihn. "Ich könnte mir vorstellen, im Bereich der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Lettland zu arbeiten."
In seinem Heimatland, das seit 2004 EU-Mitglied ist, steht im kommenden Jahr die Einführung des Euro an. Doch zwei Drittel seiner Landsleute lehnen das laut Umfragen inzwischen ab. Kann er sich vorstellen warum? Rational sei diese Ablehnung nicht zu begründen, findet Girts Strazdins. "Es hat wohl eher damit zu tun, dass die Letten ein bisschen enttäuscht von der EU sind", vermutet er.
Nach dem Beitritt hätten viele gedacht: "Nun kümmert sich die EU um uns". Heute – knapp neun Jahre später – habe sich die Wirtschaftslage aber keinesfalls verbessert. "Viele suchen nun ein Ventil für ihre Enttäuschung und haben das im Euro gefunden", sagt er.
Girts Strazdins selbst ist für die Euro-Einführung. "Dann werden die Transaktionskosten abgeschafft, weil man die Währung nicht mehr wechseln muss." Auch für die unternehmerischen Tätigkeiten im grenzüberschreitenden Verkehr sei die Gemeinschaftswährung von Vorteil. "Man weiß dann ganz genau, was seine Waren wert sind."
Erstaunlich abgeklärt für einen 24-Jährigen fügt er hinzu: "Im Grunde ist es eher eine technische Frage, welche Währung man hat." Schließlich sei der Lats – die Währung Lettlands – schon jetzt mit einem festen Wechselkurs zum Euro verbunden. (hau/21.05.2013)