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Lohnsklaven in deutschen Schlachthöfen, aber auch in anderen Branchen darf es in bundesdeutschen Unternehmen nicht geben. Soweit das empörte Bekenntnis der Redner aller Fraktionen, die sich in der Debatte zur Arbeitnehmerüberlassung am Donnerstag, 27. Juni 2013, auf Medienberichte über miserable Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen bezogen haben.
Bei der Frage jedoch, wie diesen Zuständen begegnet werden kann, bewegten sich die Oppositions- und die Koalitionsfraktionen nicht auf einer Wellenlänge. Acht Anträge und Gesetzentwürfe der Oppositionsfraktionen zu den Themen Leiharbeit, Missbrauch von Werkverträgen und Lohndumping, auch in Schlachthöfen, standen zur Diskussion. Sie wurden alle abgelehnt.
Vier der acht zu diskutierten Vorlagen stammen dabei von der Fraktion Die Linke: In ihrem Antrag "Gleiche Arbeit – Gleiches Geld in der Leiharbeit" (17/12560) fordert sie unter anderem, den Tarifvorbehalt im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zu streichen, damit die Prinzipien "Equal Pay" und "Equal-Treatment" ab dem ersten Einsatztag der Arbeitnehmer gelten können.
In dem Antrag "Statistische Ermittlung des Einsatzes von Werkverträgen und Leiharbeit in Unternehmen" (17/9980) setzt sich die Fraktion für eine gesetzliche Meldepflicht für Werkverträge, Leiharbeitsbeschäftigte und Honorarverträge ein.
In ihrem dritten Antrag mit dem Titel "Lohndumping im Einzelhandel stoppen – Tarifverträge stärken, Entgelte und Arbeitsbedingungen verbessern" (17/13104) verlangt die Fraktion, die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen "unverzüglich" zu erleichtern. Der Entwurf eines Gesetzes zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen (17/12373) soll unter anderem gesetzliche Vermutungsregeln einführen, anhand derer leichter festgestellt werden kann, ob es sich bei Arbeitsverträgen um Scheinwerksverträge handelt oder nicht.
Bündnis 90/Die Grünen und die SPD-Fraktion beteiligen sich mit jeweils zwei Vorlagen an der Debatte. So wollen die Grünen mit ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (17/13106) verhindern, dass unter dem Deckmantel von Werk- und Dienstverträgen Arbeitnehmer von ihren Firmen an andere verliehen werden. Solche Scheinverträge sollen nach dem Willen der Fraktion ausnahmslos nicht mehr unter den Schutz einer vorhandenen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis fallen.
In ihrem Antrag "Bedingungen in Schlachthöfen verbessern" (17/11355) setzen sich die Grünen für einen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde ein und dafür, dass für bestimmte Arbeitsvorgänge auf Schlachthöfen die Zahlung von Stücklöhnen oder Akkordlöhnen verboten wird.
Die SPD verlangt in ihrem Antrag "Missbrauch von Werkverträgen bekämpfen" (17/12378) einen Gesetzentwurf, der die Kriterien zur Abgrenzung zwischen Leiharbeit und Werkverträgen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz definieren sowie die Mitbestimmung von Betriebs- und Personalräten für Fremdpersonal in den Unternehmen ausweiten soll.
In einem zweiten Antrag "Bedingungen bei Tiertransporten und in Schlachthöfen verbessern" (17/11148) setzt sich die Fraktion unter anderem dafür ein, die maximale Dauer der Tiertransporte im Inland, mit Ausnahme von Fischtransporten, auf vier Stunden zu begrenzen und den Einsatz von elektronischen Treibhilfen zu verbieten. Zudem fordert die SPD, die Arbeitsbedingungen auf Schlachthöfen zu verbessern und einen Mindestlohn einzuführen.
Gewohnt emotional ging gleich der erste Redner der Debatte, Klaus Ernst von der Fraktion Die Linke, zum Angriff über. Mit einem Artikel der "Süddeutschen Zeitung" über die Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen in der Hand, warf er der Koalition vor, vier Jahre lang nichts gegen Lohndumping getan zu haben. Aber: "Diese Zustände sind ein unerträglicher Skandal und es ist unterlassene Hilfeleistung für jene Menschen, die sich nicht wehren können." Mit dem Missbrauch von Werkverträgen sei eine zweite Billiglohnlinie entstanden und es sei nun endlich an der Zeit, klare Abgrenzungskriterien von Leiharbeit und Werkverträgen zu definieren.
Die von den Linken geforderten Abgrenzungskriterien gebe es längst, entgegnete Karl Schiewerling von der Unionsfraktion. "Dass, was wir in Unternehmen beobachten, fußt nicht auf mangelnde Gesetze, sondern auf Verstöße gegen vorhandene Gesetze und das müssen wir ahnden", sagte er.
Schiewerling betonte, Werkverträge seien ein ganz normales Instrument des Arbeitsmarktes. Doch "Ausweichmanöver", um mit diesen Verträgen Lohndumping zu betreiben und Arbeitsrechte zu missachten, müssten ausgebremst werden. "Wir haben in den letzten Jahren viel für die Leiharbeit geregelt und wir werden dies auch bei den Werkverträgen tun", fügte Schiewerling hinzu.
Hubertus Heil (SPD) mahnte, man hätte es hier nicht mit Einzelfällen zu tun, denen man durch effektive Kontrolle begegnen könne. "Wenn in manchen Betrieben über 90 Prozent der Beschäftigten über Werkverträge angestellt seien, dann geht es um systematischen Missbrauch." Das habe mit sozialer Marktwirtschaft nichts mehr zu tun. Denn in dieser seien Menschen keine Lohnsklaven, sondern Menschen mit sozialen Rechten.
Auch er unterstellte der Regierung Untätigkeit: "Sie haben eine Mitverantwortung dafür, dass wir diese Zustände haben." Heil warf der Regierungskoalition außerdem vor, das Mindestlohngesetz des Bundesrates in den Gremien des Bundestages "verhungern" zu lassen, "weil Sie keinen Mindestlohn wollen". Mit einem flächendeckenden Mindestlohn würde es solche Zustände wie in den Schlachthöfen aber nicht geben, zeigt sich Heil überzeugt.
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) erwiderte, es sei ja schließlich Rot-Grün gewesen, die die Zeitarbeit auf eine Weise dereguliert habe, die nicht bestehen konnte. Erst Schwarz-Gelb habe die Fehlentwicklungen korrigiert. Kolb wehrte sich gegen den Eindruck, Zeitarbeit sei etwas "Schmutziges". Und er ergänzte: "Zeitarbeitnehmer sind ganz normale Arbeitnehmer. Sie unterliegen dem ganz normalen Kündigungsschutz und Mitbestimmungsrechten."
Den Missbrauch von Werkverträgen nannte er absolut inakzeptabel und zeigte sich aber optimistisch, das Problem in den Griff zu bekommen. Jedoch könne hier, aufgrund der geringen Tarifbindung in der Schlachtbranche, nicht das Arbeitnehmerentsendegesetz angewendet werden. Vielmehr müsse eine Regelung über das Mindestarbeitsbedingungsgesetz angestrebt werden, sagte Kolb.
Beate Müller-Gemmeke von Bündnis 90/Die Grünen verwies auf den großen Niedriglohnsektor, der Deutschland von anderen Industrienationen unterscheide. Natürlich brauche die Wirtschaft eine gewisse Flexibilität, aber darum gehe es schon lange nicht mehr. "Es geht nur noch darum, die Löhne immer weiter zu drücken", mahnte sie.
Deshalb brauche Deutschland eine neue Ordnung und neue soziale Leitplanken auf dem Arbeitsmarkt. Nach der Bundestagswahl werde ihre Fraktion anpacken, was die Regierung in den vergangenen vier Jahren versäumt habe. "Ein flächendeckender Mindestlohn ist nötig, alles andere ist Etikettenschwindel", wandte sich Müller-Gemmeke an die Koalitionsfraktionen. (che/27.06.2013)