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Wer aus Kasachstan kommt und in Berlin studieren möchte kann auf die Hilfe von Tatjana Sucharewa zählen. Gemeinsam mit vier weiteren Kasachinnen arbeitet sie neben dem Masterstudium an der Humboldt-Universität Berlin ehrenamtlich bei KAZGER. "Wir sind eine Studenteninitiative für den deutsch-kasachischen Kulturdialog", sagt Tatjana Sucharewa. Ihr Ziel ist es, "Wissenslücken zu stopfen". Und zwar auf beiden Seiten.
"Wir unterstützen Kasachen, die in Berlin, studieren, promovieren oder arbeiten möchten, aber sich hier verständlicherweise noch nicht so gut auskennen", sagt sie. Aber auch Deutsche, die mehr über Kasachstan und seine Menschen erfahren möchten, sind bei KAZGER an der richtigen Stelle.
Tatjana Sucharewa selbst studiert seit 2010 in Berlin den Masterstudiengang "Deutsch als Fremdsprache". Noch bis Ende Juli tritt das Studium aber in den Hintergrund. Solange nämlich läuft noch ihr Praktikum im Rahmen des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS) des Bundestages im Büro der Grünen-Abgeordneten Bettina Herlitzius.
Mit deren Schwerpunktthemen Verkehr und Stadtentwicklung hatte die Kasachin zuvor noch gar nichts zu tun. "Eigentlich hatte ich gehofft, mich im Familienausschuss mit Jugendpolitik beschäftigen zu können", sagt sie. Doch die anfängliche Skepsis wich zunehmend dem Interesse. "Trotzdem ich erst gedacht habe, gar nichts damit anfangen zu können, habe ich inzwischen durchaus anspruchsvolle Aufgaben übernommen."
Dazu gehört die Erstellung der täglichen Pressemappe ebenso wie das Verfassen von Artikeln für die Homepage der Grünen-Fraktion. Gemeinsam mit der Leiterin des Büros Herlitzius hat sie auch schon eine Plenarrede geschrieben, die aber schlussendlich zu Protokoll gegeben wurde. Neue Erkenntnisse hat sie dabei auch gesammelt: Klimaschutz, Stadtentwicklung und Gebäudesanierung gehören zusammen, sagt sie. "Es ist interessant, Schnittstellen zu finden, wo man auf den ersten Blick keinen Zusammenhang sieht."
Interessant ist auch, dass Tatjana Sucharewa schon als 21-Jährige in Kasachstan als Deutschlehrerin gearbeitet hat und dabei "um Schüler kämpfen musste", wie sie sagt. Von 2004 bis 2009 brachte die ausgebildete Fremdsprachenlehrerin in ihre Heimatstadt Petropawlowsk, im Norden des Landes, ihren Schülern die deutsche Sprache näher.
Das Interesse an Deutsch habe im Vergleich zu den neunziger Jahren abgenommen, sagt sie. Englisch stehe nun im Vordergrund. Umso dankbarer ist sie für das Engagement des Goethe-Instituts, die auch für Schüler Programme auflege, um das Interesse an der deutschen Sprache zu wecken. "Ansonsten", so ist sie sich sicher, "hätte Deutsch überhaupt keine Chance mehr als Fremdsprache in Kasachstan."
Sie selbst hat Deutsch noch als erste Fremdsprache an der Schule gelernt. Was aber auch damit zu tun hat, dass die Englischkurse schon voll waren, wie sie schmunzelnd einräumt. "Inzwischen bin ich aber glücklich, diese Wahl getroffen zu haben", sagt sie. Nicht zuletzt ihren Deutschkenntnissen verdankt es Tatjana Sucharewa schließlich, am IPS teilnehmen zu können.
Die künftigen beruflichen Pläne der Kasachin sehen eine Anknüpfung an die studentische Austauschinitiative von heute vor. Der deutsch-kasachische Austausch könnte dazu beitragen, das politische und gesellschaftliche Engagement der Menschen in ihrer Heimat zu stärken, hofft sie. "Es fehlt bei uns schlichtweg an politischer Bildung", so die Einschätzung der 30-Jährigen.
Es herrsche ein gewisses Desinteresse, was die Themen Demokratie und Parlamentarismus angeht. "Viele wissen beispielsweise nicht, dass es im Parlament auch eine Opposition gibt und welche Rolle sie hat", kritisiert die Sprachlehrerin. Doch nicht nur beim politischen, sondern auch beim gesellschaftlichen Engagement gebe es Nachholbedarf.
In Kasachstan, so erzählt Tatjana Sucharewa, sei es üblich, dass junge Erwachsene noch relativ lange bei den Eltern wohnen. Das wiederum hemme die Aktivität, weil es eine große Abhängigkeit von den Eltern gebe. Zudem fehle es auch an der für Deutschland so typischen Vereinsstruktur, die es möglich mache, dass sich junge Menschen zusammenfinden und für gesellschaftliche Aktivitäten motiviert werden können. "In diesen Bereichen Aufbauarbeit zu leisten, kann ich mir durchaus vorstellen", sagt Tatjana Sucharewa. (hau/16.07.2013)