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Der US-Geheimdienst NSA war offensichtlich an der Entwicklung der Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" beteiligt. Dies wurde in der Vernehmung von Ministerialdirektor Detlef Selhausen aus dem Verteidigungsministerium durch den Untersuchungsausschuss des Bundestages unter Vorsitz von Dr. Susanne Kastner (SPD) deutlich. Selhausen war in den vergangenen Jahren als Abteilungsleiter Rüstung im Ministerium verantwortlich für das Drohnenprojekt.
Der Abgeordnete Jan van Aken (Die Linke) konfrontierte Selhausen mit einer von ihm verfassten E-Mail, in der angedeutet wird, die Verzögerungen im Projekt könnten eventuell auch auf verspätet gelieferte Bauteile durch die NSA zurückgeführt werden.
Selhausen entgegnete darauf, dass er "keine diesbezüglichen Erkenntnisse" habe. Auf die Gegenfrage van Akens, warum Selhausen dies in seiner E-Mail angesprochen habe, entgegnete Selhausen, dieser Hinweis stamme aus einem der Referate seiner Abteilung. Er selbst aber habe darüber "keine Erkenntnisse" und wisse auch nicht, um welche Bauteile es sich dabei konkret handelt.
Selhausen bestätigte dem Ausschuss zudem, dass er das Vorzimmer von Staatssekretär Stéphane Beemelmans bereits am 19. Januar 2012 davor gewarnt habe, dass die geplante Musterzulassung des "Euro Hawks" zu einer "dramatischen Kostenexplosion" führen könne. Er habe mit der E-Mail "ein Problembewusstsein" in der Leitung des Ministeriums schaffen wollen, dass "hier ein Thema auf das Haus zukommt".
Ob Beemelmans über den Inhalt der E-Mail durch sein Vorzimmer informiert wurde und ob er anschließend Verteidigungsminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) darüber informiert hat, darüber konnte Selhausen jedoch nichts aussagen. Der CDU-Abgeordnete Markus Grübel stellte dann auch klar, dass dies "reine Spekulation" sei.
Minister de Maizière hatte bislang immer angegeben, erst im März 2013 Informationen über "unlösbare Probleme" bei der Entwicklung des "Euro Hawk" erhalten zu haben. Selhausen führte zudem an, dass es zu diesem Zeitpunkt noch keine "validierten Erkenntnisse" gegeben habe, wie groß die Kostensteigerung ausfallen werde. Dies sei erst im Februar klar gewesen.
Die Zusatzkosten seien mit rund 500 Millionen Euro veranschlagt worden. Bis Ende 2012 sei dann auch klar gewesen, dass der "Euro Hawk" auch auf keinem alternativen Weg eine dauerhafte Zulassung erhalten werde und deshalb eine Serienproduktion und eine Beschaffung der Drohne nicht sinnvoll sei.
Zuvor hatte Ministerialrätin Angelika Bauch vom Bundesrechnungshof ausgesagt, die Projektverantwortlichen beim Euro Hawk hätten an entscheidenden Stellen versagt. Sie hätten das Drohnen-Projekt schon vor Jahren grundsätzlich infrage stellen müssen.
Bereits 2009, aber spätestens 2011 hätte das Projekt vom Bundesverteidigungsministerium neu bewertet werden müssen. Bauch stellte fest: "Das Projektcontrolling hat nicht funktioniert."
2009 sei klar geworden, dass der Euro Hawk nicht auf eine Zulassung des amerikanischen Global-Hawk-Systems aufbauen könne, sondern eine ganz neue deutsche Musterzulassung benötige. Die Voraussetzungen zur Beschaffung der Musterzulassung hätten von der deutschen Auftraggeberseite von Beginn an wesentlich besser vorbereitet und begleitet werden müssen, sagte Bauch. Tatsächlich seien die gravierenden Unterschiede im Zulassungsverfahren der Amerikaner unterschätzt worden.
Die Projektplaner seien "blauäugig" an die Entwicklung herangegangen und hätten die Zulassungsfragen dem US-Unternehmen Northrop Grumman überlassen, statt sich um die Details selbst zu kümmern. Die deutsche Seite habe darauf vertraut, dass die Industrie schon wisse, welche Zulassungsmodalitäten genau gelten und dass die Zulassung möglich sei. Dies sei ein Fehler gewesen. "Offensichtlich hat man die Tragweite der Risiken unterschätzt."
Bauch rügte, bei diesem "leitungsrelevanten" Projekt der Kategorie I habe die deutsche Vorhabenaufsicht und Fachaufsicht schlicht "nicht funktioniert". Auch der Projektleiter habe das Ausmaß der Probleme nicht vorausschauend erkannt.
Erst Anfang Februar 2012 sei eine erste Information über die erheblichen Probleme mit der Musterzulassung auf Staatssekretärsebene weitergereicht worden. Die Ministerialrätin erinnerte in dem Zusammenhang daran, dass es sich beim Euro-Hawk-Projekt um einen Entwicklungsvertrag handelt, wobei der Auftraggeber das größte Risiko trägt.
Bauch beklagte einen Mangel an "Verantwortungskultur". Ihre Behörde habe bei der Bewertung des Vorhabens auch festgestellt, dass es im Verteidigungsministerium "kein einheitliches Dokumentenmanagement gibt". Die Folge sei mangelhafte Transparenz bei solchen Beschaffungsvorhaben.
Die Entscheidung von Anfang 2010, aufgrund der Schwierigkeiten die Musterzulassung für den Prototypen der Drohne zunächst zurückzustellen, nannte Bauch "schwierig". Ausschussmitglieder warfen die Frage auf, ob die deutsche Seite damit womöglich auf vertragliche Zusagen freiwillig verzichtet habe.
Bauch sagte, sogenannte "Bemühungsklauseln" im Vertrag bezögen sich auch auf Zulassungsfragen. Die Frage sei also: Was ist geschuldet und was ist Teil des Bemühens? Nach ihrer Ansicht hätte aufgrund der Planabweichungen eine "Zwischenentscheidung" herbeigeführt werden sollen, bevor neue Änderungsverträge vorgelegt wurden.
Die Rechnungshof-Expertin bezifferte das ursprüngliche Auftragsvolumen auf 431 Millionen Euro. Mit elf Änderungsverträgen hätten sich die Kosten zunächst auf 558 Millionen Euro erhöht. Mit weiteren vertraglichen Änderungen sei die Summe um nochmals 110 Millionen auf aktuell 668 Millionen Euro gestiegen. Davon entfielen auf das Trägersystem 305 Millionen und auf die Entwicklung der Aufklärungssensorik "Isis" 363 Millionen Euro.
Am Dienstag, 23. Juli, hatte der Zeuge Harald Stein, Präsident des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, vor dem Ausschuss ausgesagt, die Entwicklung der Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" sei grundsätzlich von vornherein mit dem Risiko eines Scheiterns belastet gewesen.
Es liege in der Natur eines Entwicklungsvertrages, dass das gewünschte Ziel nicht erreicht werde. Deshalb sei zunächst lediglich die Entwicklung eines Prototypen in Auftrag gegeben worden, um das System im Erfolgsfall in Serie zu produzieren und zu beschaffen.
Nach Steins Ansicht stellt die Entwicklung des "Euro Hawk" deshalb letztlich auch kein völliges Scheitern dar. Das Fluggerät der US-Firma Northrop Grumman funktioniere. Und auch alle Test mit dem eingebauten Aufklärungssystem "Isis" des europäischen Luftfahrtkonzerns EADS habe bislang alle Testflüge erfolgreich absolviert, meinte Stein.
Im September würden die beiden letzten Testflüge mit dem "Euro Hawk" absolviert. Dann könne eine abschließende belastbare Bewertung des "Isis"-Systems vorgenommen werden. "Ob ein Schaden entstanden ist, das muss jeder selbst einschätzen", sagte Stein.
Stein verteidigte auch die Entscheidung von Minister de Maizière (CDU), nicht schon früher aus dem Projekt auszusteigen. "Hätten wir vor einem Jahr abgebrochen, dann hätten wir gar nichts gehabt", sagte Stein. Zudem sei zu diesem Zeitpunkt bereits der Großteil der Kosten von rund einer halben Milliarde Euro ausgegeben worden, und eine Vertragskündigung hätte weitere Kosten verursacht.
So habe immerhin das Isis-System in die Drohne integriert und getestet werden können. Hinzu habe man wertvolle Erkenntnisse gewinnen können. Letztlich hänge alles davon ab, ob man bereit sei, noch mehr Geld in den "Euro Hawk" zu investieren. Steins Amt hatte die Kosten für eine Musterzulassung des "Euro Hawks" auf einen Betrag zwischen 100 und 600 Millionen Euro veranschlagt. Daraufhin hatte de Maizière das Projekt beendet.
Stein begründete zudem die Entscheidung, für den Prototypen des "Euro Hawk" zunächst nur eine vorläufige Zulassung für den Luftverkehr anzustreben. Das Trägersystem "Global Hawk" sei von den USA in den vergangenen Jahren ständig weiterentwickelt worden. Man habe abwarten wollen, wie die endgültige Variante konfiguriert ist, bevor man eine Musterzulassung anstrebt.
Stein erläuterte dem Ausschuss, dass sein Amt seit rund zehn Jahren unter teilweise erheblichem Personalmangel vor allem im Bereich der Ingenieure und technischen Prüfer leide. Der Personalbestand sei um rund ein Drittel reduziert worden. Auch in der für den "Euro Hawk" zuständigen Abteilung sei es zu Engpässen gekommen.
Stein bestätigte damit die Aussage des ehemaligen Personalratsvorsitzenden im Beschaffungsamt, Oswald Böhm. Dieser hatte zuvor vor dem Ausschuss ausgesagt, dies im Jahr 2009 in einem entsprechenden Beschwerdeschreiben an den Leiter des Amts, das damals noch unter dem Namen Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) firmierte, thematisiert zu haben. Grund des Schreibens sei die Befürchtung der Mitarbeiter gewesen, im Fall eines Schadensfalls mit dem "Euro Hawk" zur Verantwortung gezogen zu werden, wenn sie das Fluggerät vorher abgenommen haben.
Die Mitarbeiter hätten über mangelnde Zeit und Kapazitäten bei den technischen Prüfungen des "Euro Hawk" geklagt. Staatssekretär Stéphane Beemelmans habe im Jahr 2011 den Mitarbeitern dann schriftlich bestätigt, sie würden im Schadensfall juristisch nicht belangt. Diese Aussage des Staatssekretärs habe dem Personalrat aber nicht ausgereicht, berichtete Böhm. Man habe die Verantwortungsfrage deshalb in einem Rechtsgutachten prüfen lassen wollen. Dies sei vom Ministerium aber abgelehnt worden.
Aus technischer Sicht gab es offenbar keine Gründe, das Rüstungsbeschaffungsvorhaben "Euro Hawk" einzustellen. Dies zumindest sagte Rüdiger Knöpfel, Leitender Technischer Regierungsdirektor des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, ebenfalls am 23. Juli vor dem Ausschuss.
Knöpfel war seit dem Jahr 2011 als Projektleiter für den "Euro Hawk" zuständig. In den Jahren davor war er als Referent im Verteidigungsministerium im Rahmen der Fachaufsicht ebenfalls mit der Entwicklung der Drohne betraut.
Eingestellt worden ist das Projekt nach Aussage Knöpfels nur wegen der zu erwartenden Mehrkosten für eine Musterzulassung der Drohne für den Flugverkehr. Diese Mehrkosten würden entstehen, da viele der notwendigen technischen Dokumentationen beim amerikanischen Hersteller Northrop Grumman des Fluggeräts "Global Hawk" nicht verfügbar sein. Diese würden in den USA für eine Zulassung als militärisches Fluggerät im Gegensatz zu Deutschland nicht benötigt, erläuterte Knöpfel.
Die Mehrkosten für die Erstellung dieser Unterlagen liegen nach seiner Auskunft zwischen 100 und 600 Millionen Euro. Ein konkreter Betrag könne derzeit nicht genannt werden. Knöpfel vertrat die Ansicht, dass der Hersteller laut der "Bemühens-Formel" im Vertrag alle Unterlagen für eine Musterzulassung zu liefern habe. Diese "Bemühens-Formel" erstrecke sich aber wohl nicht auf Unterlagen, die nicht vorhanden und erst angefertigt werden müssen.
Die Abgeordnete Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen) erwiderte darauf, dass dies eine juristische Einschätzung und Bewertung sei, die der Zeuge nicht treffen könne, da er laut eigener Auskunft selbst kein Jurist sei und nicht am Vertragsabschluss mit Northrop Grumman im Jahr 2007 beteiligt gewesen sei.
Knöpfel erläuterte dem Ausschuss, dass im September dieses Jahres zwei weitere Testflüge des Prototypen des "Euro Hawk" vorgenommen würden, um das vom Luftfahrtkonzern EADS entwickelte Aufklärungssystem "Isis" abschließend zu testen. Erst dann könnten belastbare Angaben darüber gemacht werden, ob der "Euro Hawk" als Gesamtprodukt den Vertragsanforderungen gerecht werde.
Knöpfel bestätigte auf Nachfragen der Parlamentarier, dass das Aufklärungssystem "Isis" auch in anderen und in bemannten Flugzeugen eingesetzt werden kann. Im Ministerium und in seiner Behörde werde dies derzeit auch geprüft. Es müsse allerdings dann getestet werden, ob "Isis" auch in diesem alternativen Fluggerät wunschgemäß arbeitet.
Die Kosten für solche zusätzlichen Tests konnte er allerdings nicht beziffern. Knöpfel bestätigte, dass die Fortsetzung der Tests mit dem "Euro Hawk" sinnvoll sei, da ansonsten die Investitionen in das "Isis"-System von rund 250 Millionen Euro völlig umsonst gewesen wären.
Für diese Testflüge und alle früheren Flüge des "Euro Hawk" in Deutschland liege eine vorläufige Flugerlaubnis vor. Diese erstrecke sich auf insgesamt 800 Flugstunden. Eine solche vorläufige Zulassung für den Luftverkehr sei einfacher zu erreichen, da die Auflagen nicht so hoch seien wie für eine Musterzulassung. So müsse man sich bei einer vorläufigen Zulassung keine Gedanken über Korrosion oder andere Langzeitbelastungen des Fluggeräts machen.
Knöpfel sagte vor dem Ausschuss zudem aus, dass das Verteidigungsministerium auf eine möglichst schnelle vorläufige Zulassung des Prototypen gedrungen habe, um ihn gegebenenfalls durch die Bundeswehr im Rahmen der zur Verfügung stehenden Flugstunden einsetzen zu können.
Die vorläufige Zulassung gilt nach Auskunft Knöpfels jedoch nur den Luftverkehr der Kategorie 2. Das heißt, der "Euro Hawk" startet in einem für den übrigen Flugverkehr gesperrten Luftraum. Auf seiner nach dem Start erreichten Flughöhe von rund 20 Kilometer könne er dann risikolos fliegen, weil sich der übrige Flugverkehr in deutlich niedrigeren Höhen abspiele.
Für die Landung werde das gleiche Prozedere angewandt. Dies sei im militärischen Flugbetrieb keine Seltenheit und für die Missionserfüllung unerheblich. Für die uneingeschränkte Zulassung einer unbemannten Drohne für den gesamten Luftverkehr werde hingegen ein automatisches Antikollisionssystem benötigt. Ein solches System ist nach Aussage Knöpfels aber voraussichtlich erst in den kommenden vier bis fünf Jahren verfügbar.
Im Anschluss sagte Wolfgang Steiger, Direktor der Wehrtechnischen Dienststelle (WTD) 61 im bayerischen Manching und Experte für Musterzulassungen, die langfristige Fortführung des Euro-Hawk-Projekts würde ganz erhebliche und schwer kalkulierbare Zusatzkosten mit sich bringen. Seine Dienststelle habe die Mehrkosten für eine Musterzulassung des Drohnen-Systems auf knapp 600 Millionen Euro taxiert. Diese Schätzung sei noch mit Risiken verbunden, weil nicht alle möglichen Folgekosten in der Aufstellung enthalten seien.
Steiger sagte: "Da könnte noch sehr viel drinstecken, das ist eine sehr grobe Kostenschätzung." Um wirklich verlässliche Zahlen zu bekommen, müssten alle Hersteller von Komponenten des Systems an der Schätzung beteiligt werden. Die bisher vorliegenden Berechnungen der Herstellerfirma Northrop Grumman mit deutlich niedrigeren Mehrkosten bezeichnete Steiger als "fragwürdig" und "unseriös". Die eigenen Berechnungen in Höhe von 593 Millionen Euro seien jedenfalls deutlich näher an der Realität.
Die WTD gehe davon aus, dass für rund 100 Komponenten des unbemannten Fluggeräts eine sogenannte Nachqualifikation notwendig werde. Pro Komponente seien 3,5 Millionen Euro an Kosten veranschlagt worden, somit entfielen allein 350 Millionen Euro auf die Qualifizierung der Komponenten für eine Musterzulassung.
Möglich sei aber auch, dass bestimmte Geräte "redesigned" werden müssten, was die Kosten zusätzlich hochtreiben würde. Steiger sagte, er sei bei einer Besprechung im Verteidigungsministerium im Januar 2012 aufgefordert worden, eine Kostenaufstellung vorzulegen und habe das Ergebnis wenig später dem Projektleiter vorgelegt.
Steiger berichtete, er sei seit August 2009 mit dem Zulassungsverfahren für das Euro-Hawk-Projekt befasst gewesen und habe bei einer Besprechung Ende 2009 bereits den Eindruck gewonnen, dass es mit der Musterzulassung Probleme gebe.
Im Februar 2010 sei vonseiten der Hersteller der Vorschlag gekommen, das Ziel der Musterzulassung zurückzustellen. So sei dann auch verfahren worden. Der Vorrang habe dem Prototypen gegolten, um ein Trägersystem zu haben, mit dem die Ausrüstung getestet werden könnte. Ein akzeptables Musterprüfprogramm sei nicht erreicht worden.
Da Northrop Grumman nicht alle nötigen Unterlagen zur Verfügung gestellt habe, sei es nicht zu einer geregelten Musterprüfung gekommen. Grundlage für die Musterzulassung sei der Vertrag mit der Industrie. Die Voraussetzungen für eine Musterzulassung seien im Vertrag mit dem US-Hersteller gar nicht gegeben gewesen, sagte Steiger. Auf Nachfrage fügte er hinzu, es sei bei der Unterredung 2010 nicht darüber gesprochen worden, den Vertrag zu ändern, um eine Musterzulassung doch noch zu erreichen.
Auf ihn persönlich sei im Übrigen "zu keiner Zeit und von niemandem" Druck ausgeübt worden, um für das kostspielige Projekt eine Zulassung zu erteilen, betonte Steiger. Nach seiner Einschätzung wäre als alternative Verwendung für das System theoretisch eine vorläufige Verkehrszulassung des Euro Hawk für speziell definierte Einsätze über bestimmten Gebieten denkbar.
Der frühere Bundesverteidigungsminister Dr. Franz Josef Jung (CDU) ist während seiner gesamten Amtszeit zwischen 2005 und 2009 laut eigener Aussage zu keinem Zeitpunkt über Zulassungsprobleme der Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" informiert worden. Dies hatte Jung in seiner Zeugenvernehmung vor dem Ausschuss am Montag, 22. Juli, betont.
Nach seiner Amtsübernahme im November 2005 sei er im Januar 2006 vom damaligen Staatssekretär Peter Eickenboom über das Rüstungsprojekt informiert worden. Eickenboom habe ihn lediglich darüber in Kenntnis gesetzt, dass sich der für ein Zulassungsverfahren benötigte Informationsfluss von Seiten der amerikanischen Vertragspartner zunächst schwierig gestaltet habe. Diese Probleme seien dann jedoch behoben worden, sagte Jung.
Jung betonte vor dem Ausschuss, dass auf seine Anregung hin Gewährleistungs- und Schadensersatzregelungen in den Vertrag aus dem Jahr 2007 zwischen dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) und den Herstellerfirmen EADS und Northrop Grumman aufgenommen worden seien.
Dies habe es vorher bei den Verträgen mit der Industrie über Rüstungsprojekte nicht gegeben. Jung führte zudem aus, dass die Musterzulassung des "Euro Hawk" in Deutschland Teil des Vertrages zwischen dem BWB und den Herstellerfirmen sei.
Die Entscheidung zur Beschaffung von Aufklärungsdrohnen ist nach Darstellung des früheren Verteidigungsministers Rudolf Scharping (SPD) einer militärischen Notwendigkeit gefolgt. Die Bundeswehr sei um die Jahrtausendwende auf die sich abzeichnenden neuen Herausforderungen nicht vorbereitet gewesen, sagte Scharping als zweiter Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss. Scharping, der von 1998 bis 2002 als Wehrminister amtierte, sprach von einer "strategischen Lücke" in den damaligen Fähigkeiten der Bundeswehr.
So habe sich die Informationsbeschaffung mit luftgestützten Systemen als schwierig erwiesen. Die unzureichende Aufklärung sei damals unter anderem 1999 im Kosovo-Krieg deutlich geworden. Zudem habe die Bundeswehr eine Bündnisarmee im Nato-Verbund sein wollen. Das Ziel habe somit auch darin bestanden, den erheblichen technischen Rückstand gegenüber den Amerikanern zu verringern, sagte Scharping. Ein zu großer technischer Abstand von Bündnispartnern führe oft zu Abhängigkeiten.
Es seien damals Konzeptstudien in Auftrag gegeben worden, um zu prüfen, unter welchen technischen und wirtschaftlichen Bedingungen die Drohnen angeschafft werden könnten und welche Alternativen es dazu gebe. Sowohl die technischen wie auch die luftverkehrsrechtlichen Herausforderungen seien damals bereits deutlich angesprochen worden, wobei insbesondere die womöglich problematische Zulassung eine Rolle gespielt habe.
Von einem "Geburtsfehler" im Zusammenhang mit der Entscheidung für die Drohne wollte Scharping ausdrücklich nicht sprechen. Nach seiner Einschätzung gab es vor dem Hintergrund einer möglichen Krisenprävention auf internationaler Ebene keine Alternative zur Verbesserung der Aufklärungskapazitäten der Bundeswehr.
Angesichts der verweigerten Zulassung der Euro-Hawk-Drohne für den europäischen Luftraum gab der frühere Minister zu bedenken, dass eine rein auf das Militärische gestützte Zulassung solcher Systeme in anderen Ländern durchaus möglich sei. Er frage sich deshalb schon, warum bestimmte militärische Fähigkeiten nicht wenigstens unter diesen Bedingungen fortgeführt werden könnten.
Scharping sagte, es wäre "nachträgliche Schlaumeierei" zu behaupten, die gravierenden Probleme und der Stopp des Rüstungsprojekts wären damals alle vorhersehbar gewesen. Allerdings müssten sich die zuständigen Minister bei so wichtigen und kostspieligen Projekten immer auf dem Laufenden halten und hätten "eine Holschuld", was die Informationen angehe.
Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hatte das millionenschwere Projekt im Mai 2013 gestoppt, nachdem die Luftsicherheitsbehörden der Drohne wegen eines fehlenden Kollisionsschutzes die Zulassung für den europäischen Luftraum verweigert hatten. Rund 500 Millionen Euro sollen bereits in die Anschaffung geflossen sein.
Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, hat sich demonstrativ zur Entwicklung und Beschaffung der gescheiterten Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" bekannt. Als erster Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss räumte er jedoch ein, dass die Entwicklung der Drohne von Anfang an mit einem gewissen Risiko behaftet gewesen sei. Allerdings gelte dies für alle Rüstungsprojekte dieser Größenordnung und Komplexität. Zudem seien alle Probleme von allen Beteiligten als "lösbar" eingestuft worden. An dieser Einschätzung habe sich bis zum Ende seiner Amtszeit als Generalinspekteur Ende 2009 auch nichts geändert.
Schneiderhan führte aus, dass zu Beginn der Streitkräftereform unter Verteidigungsminister Rudolf Scharping im Jahr 2001 festgestellt worden sei, dass die Bundeswehr im Bereich der luftgestützten, weiträumigen Aufklärung und Nachrichtengewinnung durch den sich abzeichnenden Wegfall des Auflärungsflugzeugs "Breguet Atlantic" auf eine "Fähigkeitslücke" zusteuert.
Eine Nachrüstung der veralteten "Breguet Atlantic" sei zum einen als "unwirtschaftlich" eingestuft worden und zum anderen sei bekannt gewesen, dass die Industrie ab dem Jahr 2010 keine Versorgung der Flugzeuge mehr garantiert. Auch der Bundesrechnungshof habe im Jahr 2005 "nachdrücklich" angemahnt, diesen Flugzeugtyp auszumustern.
Schneiderhan betonte in seinen Ausführungen vor dem Untersuchungsausschuss immer wieder, dass die Fähigkeit zur weiträumigen Aufklärung und Nachrichtengewinnung für Deutschland extrem wichtig sei, "um politisch und militärisch handlungsfähig" zu sein. Um diese Fähigkeitslücke zu schließen, habe man sich schließlich auf die Entwicklung eines unbemannten Flugsystems in Zusammenarbeit mit den USA entschieden. Man sei sich im Ministerium durchaus bewusst gewesen, damit "Neuland" zu betreten.
Zum anderen sei man sich auf der politischen und militärischen Ebene einig gewesen, dass unbemannte Flugkörper die Zukunft der Luftfahrt bestimmen werden. Im Jahr 2005 sei schließlich festgelegt worden, vorerst fünf "Euro Hawk"-Drohnen zu beschaffen. Drei Drohnen hätten dann zeitgleich eingesetzt werden können, während eine Drohne für Ausbildungszwecke und eine weitere Drohne für die Wartung eingeplant wurden. Dies sei der gängige Verteilungsschlüssel, sagte Schneiderhan.
Im Jahr 2006 habe er dem damaligen Staatssekretär Peter Eickenboom eine erste Zwischenentscheidung zu "Euro Hawk" vorgelegt, die dieser unterzeichnet habe, erläuterte Schneiderhan. In diesem Bericht habe er auf zeitliche und finanzielle Probleme bei der Entwicklung der Aufklärungsdrohne hingewiesen. Diese Probleme seien aber als "lösbar" eingestuft worden. Die Entscheidungen über den "Euro Hawk" seien nicht allein vom Verteidigungsministerium gefallen.
Man habe sich regelmäßig mit dem Verkehrsministerium und den Luftfahrtbehörden beraten. Auch diese hätten die sich abzeichnenden Probleme bei der Genehmigung für den zivilen Luftraum stets als lösbar angesehen. Das Beschaffungsprojekt sei dann vom Bundestag gebilligt worden. Im Jahr 2007 sei auf dieser Grundlage schließlich der Vertrag mit der Industrie abgeschlossen worden. Es sei vereinbart worden, zunächst einen sogenannten "Demonstrator" des "Euro Hawk" zu bauen.
Um diesen schneller zur Verfügung zu haben, sei für den Demonstrator die Genehmigungsfähigkeit für den zivilen Luftverkehrsraum von einer Muss-Bestimmung in eine Soll-Bestimmung herabgestuft worden. Allerdings sei man davon ausgegangen, dass für den Fall einer Serien-Produktion diese Genehmigungsfähigkeit erreicht wird. Schneiderhan betonte, dass er sich als Generalinspekteur eher um die Fähigkeitslücke der Bundeswehr im Bereich der Aufklärung gesorgt habe als um technische Details.
Schneiderhan stellte vor dem Ausschuss klar, dass er die jeweiligen Verteidigungsminister während seiner Amtszeit stets über Probleme bei dem Beschaffungsvorhaben informiert habe. Dies sei nicht immer auf einem formalen oder schriftlichen Weg geschehen, sondern oft auch informell und mündlich.
Schneiderhan war als Generalinspekteur unter den Verteidigungsministern Rudolf Scharping (SPD), Peter Struck (SPD), Franz Josef Jung (CDU) und Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) tätig. Im November 2009 hatte ihn zu Guttenberg als Generalinspekteur mit dem Vorwurf entlassen, Schneiderhan habe ihn nicht umfassend über die sogenannte Kundus-Affäre informiert. (aw/pk/24.07.2013)
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