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Das Bundesverfassungsgericht hat in einem am Freitag, 26. Juli 2013, veröffentlichten Beschluss die Ermöglichung der Briefwahl ohne Angabe von Gründen bei der Europawahl für verfassungsgemäß erklärt. Die Grundsätze der freien und geheimen Wahl sowie der Öffentlichkeit der Wahl würden durch die Briefwahl nicht verletzt. Mit dem bereits am 9. Juli 2013 gefassten Beschluss (Aktenzeichen: 2 BvC 7 / 10) wurde eine Wahlprüfungsbeschwerde gegen die Europawahl 2009 zurückgewiesen.
Im Dezember 2008 war das Europa- und das Bundeswahlrecht dahingehend neu gefasst worden, dass ein Wahlberechtigter, der in das Wählerverzeichnis eingetragen ist, auf Antrag einen Wahlschein erhält. Gründe müssen weder angegeben noch glaubhaft gemacht werden.
Bis dahin hatte den für die Briefwahl erforderlichen Wahlschein nur erhalten, wer sich am Wahltag während der Wahlzeit aus wichtigem Grund außerhalb seines Wahlbezirks aufhielt, seine Wohnung in einen anderen Wahlbezirk verlegt hatte und nicht in das Wählerverzeichnis des neuen Wahlbezirks eingetragen worden war.
Den Wahlschein erhielt auch, wer aus beruflichen Gründen oder wegen Krankheit, hohen Alters, einer körperlichen Beeinträchtigung oder sonst seines körperlichen Zustandes wegen den Wahlraum nicht oder nur unter nicht zumutbaren Schwierigkeiten aufsuchen konnte. Die Gründe für die Erteilung eines Wahlscheins mussten glaubhaft gemacht werden.
Aufgrund der Rechtsänderung hatte sich der Beschwerdeführer gegen die Gültigkeit der Europawahl 2009 gewandt und den Verzicht auf eine Begründung für die Teilnahme an der Briefwahl beanstandet. Auch rügte er die aus seiner Sicht mangelnde Fälschungssicherheit und das erhöhte Risiko der ungewollten Abgabe ungültiger Stimmen bei der Briefwahl.
Der Zweite Senat des Gerichts hielt die Beschwerde für nicht begründet. Einerseits sei bei der Briefwahl die öffentliche Kontrolle der Stimmabgabe zurückgenommen und die Integrität der Wahl nicht gleichermaßen gewährleistet wie bei der Urnenwahl im Wahllokal.
Die Zulassung der Briefwahl diene aber dem Ziel, so die Richter, eine möglichst umfassende Wahlbeteiligung zu erreichen und damit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl Rechnung zu tragen. Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl stelle im Zusammenhang mit der Briefwahl eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung dar, die zu den Grundsätzen der Freiheit, Geheimheit und Öffentlichkeit der Wahl gegenläufig sei. Diese Grundentscheidung könne aber Einschränkungen anderer Grundentscheidungen der Verfassung rechtfertigen.
Es sei zwar in erster Linie Sache des Gesetzgebers, bei der Ausgestaltung des Wahlrechts die kollidierenden Grundentscheidungen angemessen auszugleichen, heißt es in dem Beschluss weiter. Dabei müsse er jedoch dafür sorgen, dass kein Wahlrechtsgrundsatz unverhältnismüäßig eingeschränkt wird oder in erheblichem Umfang leerzulaufen droht. Der Zweite Senat habe die Briefwahl daher wiederholt als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen.
Diese werde durch den Verzicht auf die Angabe und die Glaubhaftmachung bestimmter Gründe für die Erteilung eines Wahlscheins nicht infrage gestellt. Dieser Verzicht beruhe auf nachvollziehbaren Erwägungen und halte sich noch in dem Gestaltungsspielraum, der dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen zusteht.
Mit der Änderung des Europawahlrechts und der entsprechenden Änderung des Bundeswahlrechts sei auf die zunehmende Mobilität in der heutigen Gesellsdchaft und die verstärkte Hinwendung zu individueller Lebensgestaltung reagiert worden. Ziel sei es, eine möglichst umfassende Wahlbeteiligung zu erreichen.
Die Pflicht, Gründe glaubhaft zu machen, die eine Teilnahme an der Urnenwahl verhinderten, habe sich als praktisch nutzlos erwiesen, da eine auch nur stichprobenartige Prüfung der angegebenen Gründe nicht möglich war. Nachvollziehbar und nicht zu beanstanden sei auch die Einschätzung, dass jeder Versuch, dem Begründungserfordernis höhere praktische Geltung zu verschaffen oder den Zugang zur Briefwahl auf eine andere Weise zu regulieren, mit dem Risiko einer weiter zurückgehenden Wahlbeteiligung behaftet sei.
Der Normgeber habe damals durchaus gesehen, dass eine deutliche Zunahme der Briefwähler mit dem verfassungsrechtlichen Leitbild der Urnenwahl in Konflikt geraten könnte, heißt es weiter. Dass ein erheblicher Anstieg der Briefwahlbeteiligung durch den Wegfall der Glaubhaftmachung von Antragsgründen nicht zu befürchten sei, habe der Gesetzgeber für die Bundestagswahl vor allem mit Erfahrungen bei Landtagswahlen begründet. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Einschätzung in verfassungsrechtlich relevanter Weise verfehlt oder auf die Wahlen zum Europaparlament nicht übertragbar sein könnte, so das Gericht.
Zudem sei auch nicht erkennbar, dass die wahlrechtlichen Bestimmungen keine ausreichende Gewähr für den Schutz vor Gefahren bieten, die bei der Briefwahl für die Integrität der Wahl, das Wahlgeheimnis und die Wahlfreiheit entstehen können. (vom/30.07.2013)