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Eine neue Versammlung mit Delegierten des Europäischen Parlaments und der Abgeordnetenhäuser in den 28 EU-Ländern soll sich vor allem darum bemühen, die Haushaltspolitik auf nationaler Ebene an den Erfordernissen einer europäischen Konsolidierungs- und Wachstumspolitik auszurichten, so Norbert Barthle im Interview. Konkret gehe es um die Umsetzung von Schuldenbremsen in den EU-Staaten, betont der CDU-Abgeordnete und bisherige haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion. Barthle leitet die neunköpfige Bundestagsdelegation bei der ersten Tagung der "Interparlamentarischen Konferenz zur wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerung der Europäischen Union", die vom 16. bis 18. Oktober 2013 in der litauischen Hauptstadt Wilna stattfindet. Das Interview im Wortlaut:
Herr Barthle, wozu wird die neue Interparlamentarische Konferenz benötigt? Die EU-Volksvertretung und die nationalen Abgeordnetenhäuser der EU-Länder kümmern sich doch bereits intensiv um die Brüsseler Haushaltspolitik.
Nach Artikel 13 des EU-Fiskalvertrags soll eine Konferenz mit Delegierten der zuständigen Ausschüsse des EU-Parlaments und der nationalen Volksvertretungen eingerichtet werden, um die "Haushaltspolitik und andere von diesem Vertrag erfasste Angelegenheiten zu diskutieren". Ziel ist ein institutionalisiertes Gesprächsforum zu jenen zentralen Aspekten des Fiskalvertrags, die nicht von Brüssel, sondern von den EU-Ländern zu verantworten sind. Kernthemen der neuen Konferenz werden meines Erachtens die Umsetzung und Ausgestaltung der Schuldenbremsen in den Mitgliedstaaten, die Einhaltung der EU-Vorgaben zu den Defiziten in den nationalen Etats sowie Strukturreformen zur Ankurbelung des Wachstums sein.
Welche Aufgaben hat die neue Versammlung? Hat dieses Gremium handfeste Kompetenzen?
Die Konferenz tritt in Litauen erstmals zusammen. Bei diesem Treffen gilt es zunächst einmal, sich zu konstituieren und die Themenstellungen der zwei Mal im Jahr tagenden Versammlung zu besprechen. Ein Entscheidungsgremium mit konkreten Kompetenzen wird dieses Forum unserer Ansicht nach nicht sein. Vielmehr soll eine Gesprächsplattform für die Mitglieder jener Ausschüsse geschaffen werden, die in ihren jeweiligen nationalen Parlamenten für Haushaltskonsolidierung und wirtschaftspolitische Reformen zuständig sind. Es geht weniger um die Beeinflussung Brüssels, sondern darum, nationale Politik konstruktiv im europäischen Sinne auszurichten.
Ist die Konferenz geeignet, dem verbreiteten Eindruck entgegenzutreten, die Brüsseler Finanzpolitik spiele sich intransparent in den Kulissen ab?
Das neue Forum soll sich nicht mit der Etatpolitik der EU, sondern mit der Haushaltspolitik auf nationaler Ebene befassen. Zu fragen ist dabei nicht in erster Linie, was Brüssel für mehr Wachstum machen kann, sondern was die EU-Staaten zu tun haben. Im Übrigen will die Konferenz die Rolle des EU-Parlaments und der nationalen Abgeordnetenhäuser in der Europapolitik stärken.
Welche politischen Ziele verfolgt die Bundestagsdelegation? Werden die deutschen Parlamentarier als Rotstift-Kommissare auftreten?
Nach Litauen reist eine Delegation, die noch vom alten Bundestag benannt wurde, insofern werden wir uns bei dieser Tagung etwas zurückhalten. Die politische Richtung werden dann beim nächsten Treffen im Januar 2014 in Brüssel jene Abgeordneten bestimmen, die vom neu gewählten Bundestag entsandt werden. Als Delegationsleiter habe ich natürlich konkrete Vorstellungen, wie eine solide Haushalts- und Finanzpolitik für eine stabile EU aussehen soll, und diese Meinung werde ich bei der jetzigen Tagung auch in die Debatte einbringen.
Kann das neue Gremium die EU-Länder dazu anhalten, auf nationaler Ebene die von Brüssel vorgegebenen Schuldenbremsen tatsächlich einzuführen?
Ich hoffe, dass die Vertreter der einzelnen Staaten in der Konferenz konkret erläutern, wie sie ihre nationalen Schuldenbremsen umsetzen wollen. Ich denke schon, dass die neue Versammlung in dieser Richtung öffentlichen Druck erzeugen und so den Debatten auf nationaler Ebene entsprechende Impulse geben kann. Länder, die den EU- Fiskalvertrag unterschrieben haben, müssen ihn auch einhalten.
Debattiert werden soll in Wilna nicht nur über die Etatkonsolidierung, sondern auch über die Förderung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Ist das nicht ein Widerspruch?
Es ist ein Märchen, dass eine konsequente Konsolidierung der öffentlichen Haushalte einer Wachstumspolitik im Wege stehe. Das stimmt nicht. Sparen und Wachstum dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, wir benötigen vielmehr beides. Was wir nicht brauchen, sind kurzfristige, schuldenfinanzierte Konjunkturimpulse. Erforderlich sind Strukturreformen, die Wachstum und Beschäftigung voranbringen. Das wirkt nicht von heute auf morgen, wie wir in manchen EU-Krisenstaaten sehen können. Aber mittel- und langfristig vermag ein Land nur so wieder auf die Beine zu kommen. Deutschland zeigt, dass dies bei einem langen Atem möglich ist. Über solche Fragen sollte die neue Konferenz intensiv diskutieren.
(kos/15.10.2013)