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Fünf Leuchtkästen, zu sehen in der Westeingangshalle des Reichstagsgebäudes
Sigmar Polke installierte als formalen und inhaltlichen Kontrast zu Gerhard Richters Arbeit auf der ihr gegenüberliegenden Wand der Westeingangshalle fünf Leuchtkästen mit heiter-ironischen Bildzitaten aus Politik und Geschichte. Sie zeigen von links nach rechts "Konrad Adenauer ermahnt Fotoreporter", "Jetzt haben Sie aber genug fotografiert ", "Kräftemessen", "Hammelsprung", "Eulenspiegeleien" und "Germania".
Im Gegensatz zu Gerhard Richters großformatiger, nahezu wanddeckender Arbeit konzentriert Polke seine Installation auf ein schmales Band und setzt der abstrakten Farbkomposition Richters figürlich-erzählerische Motive entgegen. Diese Motivcollagen kommentieren ironisch die politischen und journalistischen Aktivitäten, die sich unmittelbar vor dem Plenarsaal abspielen. Adenauer beispielsweise droht fröhlich mit seinem Stock und zielt dabei mit seinem Stock genau in die Richtung, in der die Fernsehteams ihre Kameras vor dem Plenarsaal aufgebaut haben, während über ihm die Germania des Niederwalddenkmals in bedrohlicher Schräglage in den Wolken schwebt. Das mittlere Motiv greift das parlamentarische Abstimmungsverfahren des "Hammelsprungs" auf, bei dem alle Abgeordneten den Plenarsaal in Richtung der Westeingangshalle verlassen und durch eine der drei Türen, die mit "Ja", "Nein" und "Enthaltung" überschrieben sind, wieder in den Saal zurückkehren. Polke interpretiert den "Hammelsprung" auf seine Weise und lässt zwei Männer übereinander Bock springen.
Ein anderer Leuchtkasten verweist mit einem der Streiche Till Eulenspiegels auf die Schwierigkeit des politischen Drahtseilakts, ein weiterer auf das "Kräftemessen" von Opposition und Regierung. Wenn Polke die "Germania" vom Niederwalddenkmal von Wolken umhüllt zeigt, karikiert er mahnend die politische Untugend utopischer Träumereien, ganz im Sinne von Heinrich Heine, der gleichfalls den Deutschen vorwarf, sich mehr "im Luftreich des Traums" und der Phantasie heimisch zu fühlen als in den Realitäten des täglichen Lebens auf "platter Erde".
Polke gehörte mit Richter zu den Begründern des "Kapitalistischen Realismus" Anfang der 1960er-Jahre. Ähnlich wie Richter setzte er sich zwar von den damals vorherrschenden ungegenständlichen Maltendenzen des Informel ab, ironisiert aber zugleich und in stärkerem Maße noch als Richter jede Suche nach Stil und Inhalt. Er bezieht in seine Bilder als Malgrund billige Wolldecken und Tischtücher oder Hemden ein, arbeitet mit Lacken, die je nach Lichteinfall ihr Erscheinungsbild verändern, und verwendet virtuos Zitate aus Politik, Kunst und Geschichte, sodass der Betrachter aufgefordert ist, sich auf das Spiel mit humorvollen Bilderrätseln aus Geschichte und Kunst einzulassen. Der Neigung Polkes zum Experimentieren mit ungewohnten Techniken entspricht die Verwendung prismatischen Kunststoffs für die Oberfläche der Leuchtkästen. Diese Technik ruft beim Betrachter, wenn er an den Leuchtkästen vorübergeht, den optischen Eindruck hervor, dass sich die einzelnen Bildmotive bewegen und übereinanderschieben.
geboren 1941 in Oels / Niederschlesien, gestorben 2010 in Köln.
Text: Andreas Kaernbach, Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages