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„Sie sind eher Gegner als Kooperationspartner“, mit diesen Worten charakterisierte Professor Gerlach in seinen einleitenden Bemerkungen das Verhältnis zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärzten in Deutschland. Er versuchte damit deutlich zu machen, dass es sich bei dem besagten Schnittstellenproblem alles andere als um ein Randproblem des deutschen Gesundheitswesens handelt. Die beiden Bereiche handelten unter sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Dies betreffe die Vergütungssysteme und die Finanzierung der Investitionen ebenso wie die Dokumentation von Leistungen. „In den beiden Sektoren herrschen unterschiedliche Spielregeln“, lautete Gerlachs zusammenfassende Einschätzung hierzu. Zudem fehlten die Anreize, im Interesse der Patienten zusammenzuarbeiten. Die Sektorentrennung verursache daher unnötige Kosten. So werden Gerlach zufolge in Deutschland doppelt so viele Herzkatheter gelegt wie in der Schweiz und – anders als in anderen Ländern – viel mehr Leistenbrüche als nötig stationär statt ambulant operiert.
Lobende Worte fand Gerlach für die mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz geschaffene ambulante spezialfachärztliche Versorgung. Damit sei zumindest in Bezug auf einen kleinen Teilbereich ein einheitlicher Rechtsrahmen für Kliniken und ambulante Ärzte geschaffen worden. Dieser Versorgungsbereich fungiere nun „ als Testfeld für eine Versorgung ohne Trennung zwischen ambulantem und stationärem Bereich“. Der Sachverständigenrat empfehle die Ausweitung dieser Regelung auf andere Bereiche, wie etwa das ambulante Operieren. „Wir schlagen vor, die Mauer zwischen den Sektoren einzureißen“, betonte Gerlach. Es gehe darum, nicht mehr gegen-, sondern miteinander zu arbeiten.
Auf entsprechende Fragen der Abgeordneten hin erläuterte Gerlach die Vorschläge des Sachverständigenrates zu einer Reihe von Detailfragen. Langfristig müsse man vor allem von den unterschiedlichen Vergütungssystemen in den einzelnen Sektoren wegkommen. Das Vergütungssystem sei so auszugestalten, dass ein Anreiz für die Gesunderhaltung der Bevölkerung entstehe. „Krankenhäuser, ambulante Ärzte und Pflegedienste müssen sich zusammenschließen und gemeinsam die Verantwortung für die Versorgung der Patienten übernehmen“, so formuliert Gerlach das Fernziel. Dann gebe es auch keine Anreize mehr, überflüssige Leistungen zu erbringen. Zugleich könne die Gefahr der Unterversorgung durch qualitätssichernde Maßnahmen gebannt werden. Ferner hält Gerlach es für notwendig, dass die verschiedenen Gesundheitsberufe künftig enger im Team zusammenarbeiteten. Teamorientierung müsse schon in der Ausbildung entwickelt und dann in der Weiterbildung weiter trainiert werden.
Die Probleme beim Datenschutz, die durch die Vernetzung der Systeme entstehen könnten, hält Gerlach für lösbar. „Wir wollen nicht mehr Daten, wir wollen nur eine andere Art der Datenerfassung“, sagte Gerlach. Wenn die verschiedenen Dokumentationssysteme zusammengeführt würden, dann habe dies außerdem einen Abbau von Bürokratie zur Folge. Bedenken gegen eine zu starke Betonung des Wettbewerbsgedankens versuchte Gerlach mit dem Hinweis auf dessen Vorteile zu zerstreuen: „Wenn Überversorgung an einer Stelle abgebaut wird, dann kann an anderer Stelle Unterversorgung ausgeglichen werden“. Ferner ging Gerlach auf kritische Einwände gegen die Idee des Sachverständigenrates ein, die Transparenz über die Qualität von Gesundheitsleistungen durch Stärkung der Nutzerkompetenz zu erhöhen. „Man muss sich überlegen, wie man auch bildungsferne Schichten erreichen kann“, sagte Gerlach. Für schwer erreichbare Zielgruppen wie Menschen mit niedrigem Bildungsgrad, Migranten oder alte Menschen bedürfe es besonderer Strategien der Ansprache. Er verwies hier auf das Konzept einer aufsuchenden Beratung sowie auf spezielle Informationsangebote wie Aufklärungsarbeit in Schulen und telefonische Beratung.
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