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Eine "unglückliche Kombination von persönlichem Fehlverhalten und Mängeln in den Organisationsstrukturen" der Sicherheitsbehörden hat aus Sicht Dr. Eva Högls die Pannen bei den Ermittlungen zu der Mordserie bewirkt, die dem sogenannten "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelastet werden. Die SPD-Obfrau im Untersuchungsausschuss, der diese Affäre aufklären soll, fordert als Konsequenz "schnelle Wege, mehr Effizienz und klare Regeln für die Zusammenarbeit der Behörden". Im Interview verteidigt Högl die Trennung von Geheimdiensten und Polizei, doch folge aus diesem Verfassungsauftrag auch ein "Gebot zur Kooperation". Das Interview im Wortlaut:
14 Jahre war die NSU-Zelle im Untergrund abgetaucht. Da muss bei den Behörden etwas gründlich schiefgelaufen sein. Vermuten Sie die Gründe für die Pannen eher in Fehlern vor Ort oder im System der Sicherheitsarchitektur?
Das lässt sich erst nach der Auswertung der Akten und nach den Zeugenvernehmungen abschließend beurteilen. Nach jetzigem Erkenntnisstand war es wohl eine unglückliche Kombination von persönlichem Fehlverhalten und Mängeln in den Organisationsstrukturen. Die Sammlung von Informationen, deren Austausch zwischen den Behörden wie deren Auswertung, waren offenbar unzureichend.
Es existieren sage und schreibe 59 Sicherheitsbehörden, was zu Kompetenzwirrwarr, Abstimmungsproblemen und Komplikationen bei der Übermittlung von Erkenntnissen führt. Liegt es nicht nahe, dieses System zu straffen?
Vermutlich sollte man einen Mittelweg beschreiten. Beim jetzigen komplizierten System kann es wohl nicht bleiben. Aber gegenüber Zentralisierungen sollte man Vorsicht walten lassen. Große Institutionen neigen zur Schwerfälligkeit. Wenn man von den 16 Landesämtern für Verfassungsschutz einige zusammenlegen will, dann stellt sich die Frage der Kontrolle. Bislang unterliegt in jedem Land der Inlandsgeheimdienst der Überprüfung durch den Landtag. Wie soll diese parlamentarische Aufsicht länderübergreifend funktionieren? Bei Reformen sollte man den Schwerpunkt auf eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Behörden legen.
Bei einem Hearing warnten Sachverständige vor einer Zentralisierung besonders deshalb, weil so das Verfassungsgebot der Trennung von Nachrichtendiensten und Polizei ausgehebelt werde. Teilen Sie diese Befürchtung?
Zur Sicherung der Freiheit des einzelnen und nach den Erfahrungen mit der Gestapo darf an diesem Auftrag des Grundgesetzes nicht gerüttelt werden. Die Polizei kann nicht geheimdienstlich agieren, der Nachrichtendienst hat kein Recht zur Strafverfolgung. Doch aus dem Trennungsgebot folgt das Gebot zur Kooperation. Ich will ein Beispiel nennen. Im Jahr 2000 hat der Thüringer Verfassungsschutz Fotos gemacht, auf denen offenbar NSU-Mitglieder zu sehen waren. Da man sich dessen aber nicht sicher war, wurden die Bilder ans Bundeskriminalamt zur näheren Auswertung geschickt. Bis eine bestätigende Antwort kam, dauerte es ewig. Erforderlich sind schnelle Wege, mehr Effizienz und klare Regeln für die Zusammenarbeit der Behörden.
Bisher hat es mit der Übermittlung von Akten durch die Regierung und besonders die Länder an den Ausschuss gehapert. Ist inzwischen Besserung in Sicht?
Angesichts des gewaltigen Erwartungsdrucks, die Hintergründe der Mordserie aufzuklären, wird es sich keine Behörde leisten können, unserem Gremium etwas vorzuenthalten. Nach Gesprächen mit der Innenministerkonferenz bin ich indes optimistisch, dass alle nötigen Unterlagen bei uns eingehen werden. Die Lektüre von rund 20.000 Aktenordnern mit jeweils vielen einzelnen Papieren stellt für uns Abgeordnete natürlich eine gewaltige Herausforderung dar. Der vom Ausschuss eingesetzte Ermittlungsbeauftragte Bernd von Heintschel-Heinegg soll uns mit einer Sichtung und Gewichtung der 2.600 Ordner unterstützen, die allein beim Generalbundesanwalt lagern. Vielleicht müssen wir bei anderen Themenkomplexen angesichts der Materialfülle erneut einen solchen Helfer berufen.
Ungeklärt ist bislang die Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsausschuss des sächsischen Landtages, weil dort die NPD mit am Tisch sitzt. Man kann die Ergebnisse dieser Kommission aber wohl nicht einfach außen vor lassen.
Mittlerweile haben wir eine Lösung für dieses Dilemma gefunden. Jede Fraktion in unserem Ausschuss wird Kontakt mit der Fraktion ihrer Partei im sächsischen Landtag aufnehmen und so für einen Informationsaustausch sorgen.
Ende April beginnen die Zeugenvernehmungen. Welche zentralen Aufgaben stellen sich aus Ihrer Sicht in den nächsten Monaten für die konkrete Aufklärungsarbeit?
Die Kernfrage lautet so: Weshalb wurde zwischen den zehn Morden und dem Abtauchen der NSU-Gruppe nie ein Zusammenhang hergestellt? Spannend wird es gleich zu Beginn mit der Befragung von zwei Profilern der Polizei, die auch einen rechtsextremen Hintergrund bei diesen Taten in Betracht ziehen wollten, damit aber kein Gehör fanden. Wir werden wohl immer wieder auf das Problem eines lückenhaften Informationsaustausches stoßen. Für mich ist es eigentlich unvorstellbar, dass etwa die Benutzung der gleichen Tatwaffe bei Morden in verschiedenen Ländern keine Folgen für die Ermittlungen hatte. Unverständlich mutet auch an, dass offenbar verschiedene Geheimdienste ohne Absprache im Umfeld der NSU-Zelle mehrere V-Leute im Einsatz hatten. Anscheinend wollen manche Behörden ihre Erkenntnisse für sich behalten. Wie es aussieht, wusste man insgesamt auch zu wenig über den NSU, was ebenfalls schwer nachzuvollziehen ist. Es wartet eine Menge Arbeit auf uns.
(kos)