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Die Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses haben die deutschen Behörden am Donnerstag, 19. Juli 2012, aufgefordert, die Vernichtung von Akten mit Bezug zum Rechtsextremismus sofort einzustellen. Die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern sollten keine Akten mehr vernichten, die der Ausschuss, der unter Vorsitz von Sebastian Edathy (SPD) die Hintergründe der dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelasteten Mordserie aufklären soll, für seine Arbeit benötigen könnte, erklärten die Abgeordneten nach Ende ihrer knapp dreistündigen Sondersitzung einhellig.
Der Ausschuss werde noch heute entsprechende Briefe mit dieser Forderung an die zuständigen Ministerien verschicken. "Diese Löscherei muss ein Ende haben", sagte Unionsobmann Clemens Binninger. Und auch FDP-Obmann Hartfrid Wolff bezeichnete einen Vernichtungsstopp bei Bund und Ländern als "dringend notwendig". Er zeigte sich "fassungslos" darüber, "wie die Sicherheitsbehörden mit den Akten umgehen und umgegangen sind".
Vor dem Untersuchungsausschuss hatte der von Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU) eingesetzte Sonderermittler zur Aufklärung der Aktenvernichtungen, Hans-Georg Engelke, zuvor seinen Zwischenbericht vorgetragen. Im Ergebnis bezeichnete Sebastian Edathy den schon länger bekannten Fall von Aktenvernichtung beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als "gezielt": "In der heutigen Sitzung ist nachdrücklich klar geworden, dass es eine Vertuschungsaktion gegeben hat", sagte Edathy.
Auch die Abgeordneten der anderen Fraktionen bezweifelten nach Engelkes Ausführungen, dass die Vernichtung von sieben Akten zu V-Leuten in der Thüringer Neonazi-Szene, die an mehreren Tagen im November 2011 stattgefunden hatte, Zufall gewesen sein kann. Grünen-Obmann Wolfgang Wieland erklärte, auch das Bundesinnenministerium (BMI) gehe inzwischen davon aus, dass die Aktenvernichtung "absichtlich und planvoll" geschehen sei: "Der Nebel, welches Motiv dahinter stand, hat sich heute aber leider in keiner Weise gelichtet", so Wieland. Clemens Binninger zitierte Engelke mit den Worten, dass es sich bei der Schredderaktion entweder um "maximale Schlamperei" oder "eine gezielte Aktion" gehandelt haben müsse.
Einen weiteren, erst am Vortag bekannt gewordenen Fall von Aktenschredderei kritisierten die Ausschussmitglieder ebenfalls heftig. Danach hat auch das Bundesinnenministerium im November 2011 die Vernichtung von Akten des Verfassungsschutzes angeordnet. Nach Aussagen des BMI hätten diese Unterlagen jedoch nichts mit dem NSU zu tun gehabt. Es habe es sich lediglich um Protokolle zur Telefonüberwachung von Rechtsextremisten gehandelt, die nach Ablauf der Speicherfrist schon vor einigen Jahren "fristgerecht" hätten gelöscht werden müssen. Dies sei im November 2011 mit Verzug geschehen, ohne dass die Akten vorher nochmals inhaltlich geprüft worden wären.
Die Obfrau der Linksfraktion, Petra Pau, zeigte sich angesichts dieser Darstellung "ratlos": "Es ist unerklärlich, warum ein offensichtlich eingetretener Aktenstau ausgerechnet im November 2011 und nur für den Bereich Rechtsextremismus im Schredder abgearbeitet werden musste." Pau kritisierte, es sei offenbar versäumt worden, die Mitarbeiter aller Behörden und Ministerien nach dem Auffliegen der NSU-Zelle im November 2011 für die Tatsache zu sensibilisieren, "dass alles noch in irgendeiner Weise noch relevant werden könnte" für die Ermittlungen und den Untersuchungsausschuss. Sebastian Edathy bezeichnete es als eine "erhebliche Unsensibilität", dass noch nach dem Auffliegen der Terrorzelle Abhörmaßnahmeprotokolle und andere Akten vernichtet worden seien, die unter anderem die Bildung von terroristischen Vereinigungen seitens der rechten Szene zum Inhalt hatten. (joh)