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Experten berichteten über Erfahrungen mit Islamstudien an deutschen Hochschulen. © picture-alliance / Godong
In Deutschland leben etwa vier Millionen Muslime. Inwieweit ihre Religion, ihre Kultur und ihre Lebensweise zu Deutschland gehören, führte immer wieder zu kontroversen, manchmal erregten öffentlichen Diskursen. Seit gut einem Jahr gibt es an fünf deutschen Hochschulen das Fach Islamische Studien. "Das tröstet über die Debatte hinweg, ob der Islam nun ganz, ein wenig oder gar nicht zu Deutschland gehört", sagte Prof. Dr. Katajun Amirpur von der Universität Hamburg, Akademie der Weltreligionen, bei dem öffentlichen Fachgespräch "Erfahrungen mit der Einrichtung Islamischer Studien an deutschen Hochschulen". Zu dem Fachgespräch, das am Mittwoch, 16. Januar 2013, im Berliner Paul-Löbe-Haus stattfand, hatte der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung unter Vorsitz von Ulla Burchardt (SPD) eingeladen.
Es sei ein Gebot der Gleichberechtigung, dass neben der christlichen Theologie und der Judaistik nun auch die muslimische Theologie in Deutschland gelehrt werde, argumentierte Amirpur. In Hamburg wolle man in Zukunft auch den Buddhismus und den Hinduismus lehren und so den dialogorientierten Ansatz weiter ausbauen.
Prof. Dr. Mathias Rohe vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg machte deutlich, wie schwer es sei, die verschiedenen Professorenstellen adäquat zu besetzen. Die Personaldecke sei in Deutschland dünn, aber an der Qualität dürfe man keine Abstriche machen.
Auf einen weiteren wichtigen Punkt machte Prof. Dr. Reinhard Schulze vom Institut für Islamwissenschaften der Universität Bern aufmerksam. Schulze, der selbst Mitglied in der Runde des Wissenschaftsrates war, die die Empfehlungen zur Einführung einer islamischen Theologie vorgelegt hatte, machte deutlich, dass es zunächst gar nicht um die Begründung einer islamischen Theologie in Deutschland gegangen sei.
Der Forschungsauftrag an den Wissenschaftsrat sei die Fortschreibung der Theologien insgesamt gewesen. Aus den Diskussionen, die sich drei Jahre hingezogen hätten, habe sich dann konsequenterweise die Einführung der Islamischen Studien ergeben.
Prof. Dr. Bülent Ucar vom Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück hob hervor, dass Deutschland in Westeuropa mittlerweile federführend in den Islamischen Studien sei. "Das entscheidende Element ist, dass nicht über den Islam gelehrt und geforscht wird, sondern aus seiner Mitte heraus", so Ucar.
In Osnabrück habe man das Projekt mit dem theologischen Profil "Innovation in Tradition" beschrieben. Dieser Kurs der "Theologie der Mitte" stoße bei den Studenten auf großes Interesse.
Die Doktorandin Anne Schönfeld von der Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies der Freien Universität Berlin machte auf das Spanungsfeld aufmerksam, in dem sich das neue Studienfach bewege und auch bewähren müsse. Einerseits solle mit der Hinterfragung und gegebenenfalls sogar Relativierung tradierter Glaubensgrundsätze und –praktiken in Teilen ein theologischer Paradigmenwechsel vollzogen werden.
Gleichzeitig solle in den muslimischen Gemeinden eine breite Akzeptanz für diese Reformansätze hergestellt werden. Schönfeld fragte: Kann dieser Spagat überhaupt gelingen? Wo liegt die Grenze zwischen authentischen, das heißt für alle Muslime verbindlichen und veränderbaren Glaubensvorstellungen? Und wie kann angesichts der Vielfalt der islamischer Strömungen und Organisationen in Deutschland überhaupt ein Konsens hinsichtlich der Akzeptanz bestimmter Lehrinhalte hergestellt werden?
Aber nicht nur Professoren und Doktoranden kamen in diesem Fachgespräch zu Wort, auch ein Student von der Universität Osnabrück, der im Berliner Problemviertel Neukölln aufgewachsen ist, trug vor dem Ausschuss seine Beweggründe für die Aufnahme des Studiums vor. "Die Einführung des Studienfachs habe ich als Antwort auf meine Bittgebete empfunden, da es für mich als Muslim identitätsfördern ist", sagte Enes Erdoğan.
Am Anfang habe es unter den muslimischen Studenten Zweifel gegeben, ob die Auslegung eine vom deutschen Staat aufoktroyierte sei. Doch diese Zweifel seien schnell verflogen. Er könne sich vorstellen, später mal nach Neukölln zurückzugehen und an einer Moscheegemeinde zu arbeiten. Gerade mit der dann gewonnenen tiefgreifenden Kenntnis vom Islam könne er sich vorstellen, überzeugend zu wirken und Jugendliche von einer schiefen Bahn abzubringen. (rol)/16.01.2013)