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Jedes Jahr im Januar öffnet die Internationale Grüne Woche in Berlin ihre Tore. "Die Leistungsschau der Landwirtschaft", eröffnete Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) die Debatte über artgerechte Tierhaltung am Mittwoch, 16. Januar 2013. In der Woche des Beginns der populären Agrarmesse wurden mehrere Anträge der Oppositionsfraktionen SPD (17/8157), Die Linke (17/10694) und Grüne (17/11667) zu dem Thema dem Plenum vorgelegt.
Doch weniger Anerkennung als Kritik hatte Künast für die Leistungsschau übrig: "Dort wird gezeigt, wie eine Kuh dazu gebracht werden kann, weit mehr als 10.000 Liter Milch zu geben." Weiter monierte Renate Künast, von 2001 bis 2005 selbst Bundeslandwirtschaftsministerin, dass die Politik der Regierungskoalition einseitig auf Massenware, Dumpingpreise und Expansion statt auf Qualität setze.
"Doch sie merken, dass die Verbraucher und die bäuerliche Landwirtschaft Ihren Gang der industriellen Landwirtschaft nicht mitgehen", sagte Künast in Richtung CDU/CSU. So habe sich die Zahl der Masthühner pro Betrieb seit 2002 mehr als verdoppelt und der Tierfutteranbau im Ausland zur Konsequenz, dass die Massentierhaltung in Nahrungsmittelkonkurrenz zu armen Menschen trete. Weiter warf Künast vor, dass die Förderung der Massenproduktion in der Nutztierhaltung zu Tierquälerei und zum Missbrauch von Antibiotikamitteln führe.
Anschuldigungen, die Ilse Aigner (CSU), Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, zurückwies: "Ich habe es satt, immer wieder die selben falschen Behauptungen zu hören." Die Grünen würden die Vergangenheit romantisieren "und versuchen jedes Jahr die Landwirte und die gesamte Branche schlecht zu reden", sagte sie im Hinblick auf die Eröffnung der Grünen Woche in Berlin.
So sei die Behauptung falsch, dass es Tieren in größerer Haltung weniger gut gehe. "Dunkle alte Ställe halten dem Vergleich zu neuen modernen Ställen nicht stand", sagte Aigner. "Jeder neu gebaute Stall ist grundsätzlich ein Fortschritt für das Tierwohl." Auch gehe die Regierung aktiv gegen Antibiotikamissbrauch vor. So habe die Novelle des Arzneimittelgesetzes Bundesländern "noch bessere Instrumente der Überwachung" in die Hände gegeben.
Auch sei es Tatsache, dass in Deutschland keine Prämie an die Produktion gekoppelt ist. Es gebe weder Butterberge noch Milchseen. "Es wird nur noch die Bewirtschaftung der Flächen gefördert." Andere EU-Länder seien noch nicht so weit.
Dr. Matthias Miersch (SPD) führte mit der Wahl in Niedersachsen einen weiteren die Debatte bestimmenden aktuellen Termin neben der Grünen Woche in die Aussprache ein. Dass gerade nicht Qualität gefördert werde, würden die Menschen tagtäglich in Niedersachsen erleben. "Die Kommunalpolitik hat keine Handhabe, dem Einhalt zu gebieten", sagte er. Den Menschen würden durch einseitige rechtliche Privilegierungen bei Genehmigungsverfahren ungefragt Stallanlagen vor die Haustür gesetzt.
Miersch forderte deshalb, dass der Paragraf 35 des Baugesetzbuches bei Genehmigungsverfahren von Massentierhaltungsanlagen eine "Steuerungsmöglichkeit" erlauben soll. Der Sozialdemokrat kritisierte weiter, dass durch die Tendenz zu immer größeren Anlagen konventionelle Landwirte in existentielle Notlagen geraten würden, wenn diese nicht mitziehen können. Deshalb würden in Niedersachen jetzt zwei unterschiedliche Ansätze zur Wahl stehen: zum einen der schwarz-gelbe und zum anderen der rot-grüne.
Das sei ausschließlich Wahlkampf auf dem Rücken der Landwirte, fand Dr. Christel Happach-Kasan (FDP). Dabei herrsche ihrer Meinung nach Einigkeit im Bundestag darüber, dass einen bessere Nutztierhaltung das Ziel sei. Doch würden die Grünen jede Auseinandersetzung auf die Begriffe der Massentierhaltung und Agrarfabriken reduzieren.
Die Regierungskoalition habe mit der Novellierung des Tierschutzgesetzes betriebliche Eigenkontrollen zum Wohl der Tiere etabliert. Außerdem seien im Bereich der Tierhaltung Forschungsmittel in Höhe von 19 Millionen Euro für entsprechende Modellanlagen bereitgestellt worden.
"Höhere Standards in der Tierhaltung werden auch mehr Geld kosten", sagte Happach-Kasan. Sie finde gut, dass der Tierschutzbund ein Tierschutzlabel geschaffen hat, das Fleischprodukte aus artgerechter Haltung kennzeichne.
Dass im Jahr 1995 rund 230.000 Tonnen Schweinefleisch aus Deutschland exportiert wurden, im Jahr 2011 im Vergleich dazu etwa 2.3 Millionen Tonnen, stimmte Alexander Süßmair (Die Linke) nachdenklich. Die Nutztierhaltung habe sich stark verändert und sei gekennzeichnet durch Intensivierung und Konzentration. In Niedersachsen würden fast neun Millionen Schweine gehalten, während ganz Ostdeutschland auf 4.2 Millionen käme. Solche Ungleichverteilungen könnten zu Konflikten führen.
Dass die Verbraucher ein zu romantisches Bild von der Tierhaltung hätten, sei gewollt von der Nahrungsmittelindustrie, die in der Werbung solch ein Bild produziere, hielt Süßmaier der Kritik der Regierungsfraktionen entgegen. Es sei nicht rückwärtsgewand, wenn Verbraucher nicht wollen, das Tiere leiden: "Grausamkeit, Krankheit und Enge darf es in der Tierhaltung nicht geben."
Dass die Anträge der Opposition von Misstrauen und mit Anschuldigungen durchsetzt seien, fand Johannes Röring (CDU/CSU). Die Opposition würde ein Bild von modernen Betrieben zeichnen, die geldgierig und quälerisch seien. "Die Landwirte und Tierhalter haben ein Interesse daran, dass die Tiere gesund sind. So hätten die 216.000 Tierhalter in Deutschland im europäischen Vergleich relative kleine Bestände, was den Thesen der Opposition widerspreche.
Röring zeigte sich überzeugt, dass den Bauern die Akzeptanz der Menschen sehr wichtig sei. Genauso wie bezahlbare Nahrungsmittel. Aus diesem Grund setze die Koalition auf den bäuerlichen Mittelstand und vertraue auf deren Arbeit. Alle drei vorgelegten Anträge der Oppositionsfraktionen wurden abgelehnt. (eis/16.01.2013)